Unser Generalsekretär Heinz Patzelt wurde im kritisierten Interview [im Standard] offensichtlich aus Platzgründen so verkürzt wiedergegeben, dass manche der Aussagen nicht mehr seine Interview-Erläuterungen wiedergeben:
Thema war das Maß der menschenrechtlichen Übereinstimmung der innerösterreichischen Rechtslage zum Thema Nötigung und gefährliche Drohung an Hand der aufhebenden und an das Erstgericht zurückverweisenden Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts in der TierschützerInnen-Causa.
Die sehr kurze zusammenfassenden “Zitierung” versucht ein fast einstündiges Gespräch wiederzugeben, das neben einer menschenrechtlichen Bewertung auf Bitte der Journalistin auch eine Menge an strafrechtlichen Hintergrund-Erläuterungen beinhaltet hat.
Zentrale Frage war, mit welchen Methoden NGOs welche Ziele verfogen können, ohne dabei (straf)rechtliche Probleme zu bekommen.
Heinz Patzelt hat darauf erklärt, dass das menschenrechtlich zentrale Demonstrationsrecht durch dieses Berufungs-Urteil jedenfalls nicht gefährdet wird.
Auch fast beliebig scharfe Kampagnen gegen österreichisches Recht verletzende oder sittenwidrige Zustände bergen kaum ein rechtliches Rsiko.
Heikler wird es hingegen, wenn Kampagnen oder Demonstrationen zuerst angedroht werden, bevor sie umgesetzt werden, insbesondere wenn sie de facto eine gesetzliche Änderung der österreichischen Rechtslage fordern und ohne Umweg über Regierung und Parlament direkt einzelne Unternehmen unter Druck setzen wollen.
Der Ermessensspielraum, was da “noch geht” und wo strafrechtliche Grenzen überschritten werden ist für die Gerichte da relativ groß.
Die österreichische Rechtslage verbietet zwar Pelzverarbeitung aus Pelztierzucht und den Import von Pelzen und Tierhäuten einiger exotischer gefährdeter Arten, die Verwendung von Pelzen aus Jagd und Landwirtschaft ist hingegen derzeit ganz sicher nicht rechtswidrig und wohl auch kaum sittenwidrig (Dafür wäre eine breite Ablehnung in Gesellschaft und Politik eine wesentliche Voraussetzung).
Richtig und klar wiedergegeben hätte es also ebenso differenziert wie im Gespräch heissen müssen:
“Wer einen Totalausstieg auch aus dem derzeit gesetzlich erlaubten Pelztierhandel fordert, muss von Parlament und der Regierung eine Änderung der Gesetze fordern, dazu kann man jedenfalls demonstrieren und Kampagnen veranstalten und ist auf der rechtlich sicheren Seite.
Wer aber von Unternehmen öffentlichkeitswirksam direkt die Einstellung von rechtlich völlig erlaubten Aktivitäten fordert und darüber hinaus nicht nur gewaltlos demonstriert, sondern dem Unternehmen mit Demonstrationen und Aktivitäten inklusive dem zu erwarteten wirtschaftlichen Schaden ausdrücklich und mehrfach droht, muss sich klar sein, dass er/sie dabei teils erhebliche und sogar strafrechtliche Risken eingeht.
Auch NGOs, zu welchem Thema und mit welchen Mittel sie auch immer arbeiten, agieren nicht im freien Rechtsraum und müssen den rechtlichen Rahmen beachten oder eben das Risko gerichtlicher Verfolgung bei der Zielerreichung in Kauf nehmen.”
Das Urteil des Oberlandesgerichtes verurteilt die Tierschützer auch nicht wegen Nötigung oder gefährlicher Drohung, sonder stellt fest, dass diese Fragen im Prozess nicht sorfältig genug geprüft wurden (wohl weil der skandalöse Mafia-Paragraph das gesamte Verfahren überschattet hat) und dass dies nachzuholen ist.
Dass dieses Verfahren gegen die TeirschützerInnen in mehreren Dimnsionen ein menscherechtlicher Skandal war, sei es wegen Anwendung des Mafia-Paragraphen, sei es wegen der langen Untersuchungshaft, der langenProzessdauer, oder des teils skandalösen Verhaltens von Polizei und Staatsanwaltschaft, kann und darf nichts daran ändern, dass alle Anklagepunkte sorgfältig erhoben und abgewogen und behandelt werden müssen.
Rein rechtlich und auch menschenrechtlich kann und darf das Oberlandesgericht bei einer Berufungsentscheidung auch nicht “ausgleichende Gerechtigkeit” üben und die Tierschützer “privilegiert” behandeln, weil sie vorher so schikaniert worden sind.
Danke für die interessante Diskussion! (Ich war ziemlich irritiert, als ich den Patzelt-Text zum ersten Mal las.) Herzlichen Gruß!
Was Heinz Patzelt von Amnesty International, den ich schätze wegen seiner diversen Engagements, in diesen seinen Ausführungen nicht bedenkt, ist die Tragweite dieses Urteils. Er verkennt, dass dieses Urteil vor allem den Zweck der Einschüchterung haben soll und er übersieht die Folgen solcher Einschüchterung für die Demokratie.
H. Patzelt sollte erkennen, was dieses Urteil für Streikandrohungen bedeuten kann (es ist auch nicht rechtswidrig, kleinste Löhne zu bezahlen, soll dann eine Streikandrohung für höhere Löhne rechtswidrig sein???).
H. Patzelt muss dringend empfohlen werden, die einschlägige Literatur zu lesen (besonders die Kommentare von Schwaighofer), bevor er solche Statements von sich gibt. Amnesty soll die Demokratie verteidigen und nicht die faschistischen Tendenzen der österreichischen Justiz.
“die Verwendung von Pelzen aus Jagd und Landwirtschaft ist hingegen derzeit ganz sicher nicht rechtswidrig und wohl auch kaum sittenwidrig (Dafür wäre eine breite Ablehnung in Gesellschaft und Politik eine wesentliche Voraussetzung).”
Dass es sich dabei nicht um solche Pelze handelt ist klar, denn die Waren kommen aus dem Ausland – und sie sind auch noch giftig, was von den zuständigen Behörden offensichtlich nicht überprüft wird. Warum eigentlich nicht? Es ist ihnen egal. Denn die Pelzlobby möchte die Pelze verkaufen, auf Teufel komm raus und die Politiker nicken nur dazu. Warum müssen 4Pfoten die Interessen der Konsumenten wahrnehmen? Über den Umweg 4Pfoten” zahlen die Konsumenten diese Überprüfung selbst – denn sie spenden ja. Aber das sollte eigentlich nicht ihre Aufgabe sein.
“Dass dieses Verfahren gegen die TeirschützerInnen in mehreren Dimnsionen ein menscherechtlicher Skandal war, sei es wegen Anwendung des Mafia-Paragraphen, sei es wegen der langen Untersuchungshaft, der langenProzessdauer, oder des teils skandalösen Verhaltens von Polizei und Staatsanwaltschaft, kann und darf nichts daran ändern, dass alle Anklagepunkte sorgfältig erhoben und abgewogen und behandelt werden müssen.”
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“Rein rechtlich und auch menschenrechtlich kann und darf das Oberlandesgericht bei einer Berufungsentscheidung auch nicht “ausgleichende Gerechtigkeit” üben und die Tierschützer “privilegiert” behandeln, weil sie vorher so schikaniert worden sind.”
Dass die Betroffenen aufgrund dieses Skandals Angst haben kein faires Verfahren zu bekommen ist verständlich. In einem anderen Land wäre der Prozeß vermutlich aufgrund dieser skandalösen Handhabung geplatzt und es hätte ein Verfahren gegen die Täter gegeben und zwar von oben angeordnet und nicht durch die Opfer erzwungen. Es ist ein Skandal dass ÖVP und SPÖ gemeinsam dazu schweigen und der BP auch.
Dazu kommt: was ist Nötigung? Nötigung ist ja nicht bloß wenn jemand direkt bedroht wird. Es gibt auch eine indirekte Nötigung, denn eine Drohung muss nicht verbaler Natur sein. Mir hat beispielsweise jemand mehrmals tote Vögel vor die Türe gelegt und noch einiges andere gemacht. Das ist auch eine Nötigung. Es hat zwar bei mir nicht funktioniert weil ich nicht wusste wozu man mich nötigen will, aber an sich war das sicher ein Versuch mich zu nötigen (die Täter lesen hier mit). Auf einer anderen Ebene sehen Nötigungsversuche aber wieder anders aus, nämlich eleganter. Wenn eine Richterin nicht wie erwartet urteilt und sie danach versetzt (abgesägt) wird, dann kann man das unter Umständen als Nötigung in Bezug auf den nächsten Richter ansehen. Man kann es vielleicht nicht beweisen, weil keine direkte Drohung ausgesprochen wurde, aber es entsteht der Eindruck, dass es so gemeint ist. Dass andererseits der (genehme) Ankläger und der Polizist der sogar verurteilt wurde befördert wurde, lässt diesen Eindruck noch stärker werden. Ich sehe das jedenfalls so und ich bin sicher, viele andere auch. Von daher misstraut man dem Gericht, auch wenn der nächste Richter vielleicht ein sehr anständiger Mensch sein sollte.
Andererseits waren die Demos (soweit ich das aus dem Internet ersehen konnte – einmal habe ich eine Aktion life gesehen) ja keine an der sich Tausende Menschen beteiligt hätten. Das ist fast schon mehr Werbung als Antiwerbung, weil es eine Erwähnung in der Presse gibt. Der Prozeß war aber auf jeden Fall totale Antiwerbung.
Es ist zwar schön, dass er sich offenbar eingelesen hat, aber es bekümmert mich, dass er kein Problem darin zu sehen scheint die Ankündigung völlig normaler, legitimer und gesetzesgetreuer Kampagnen strafrechtlich zu verfolgen. Wer die Politik auffordert solche Verbote zu erlassen, kämpft meist gegen Windmühlen. Es reicht nicht die Politik in die Verantwortung zu nehmen. Ganz klar mit bestimmend sind selbstverständlich auch jene Leute, die sich für ihre jeweiligen Geschäftspraktiken entscheiden.
Aus meiner Sich ist völlig untragbar, dass die Ankündigung einer Veröffentlichung wahrer Begebenheiten zu den Geschäftspraktiken eines Unternehmens als Drohung ausgelegt wird.
Das ist eindeutig verkehrte Welt: Es werden nicht jene belangt, die offensichtlich wegen ihrer Praktiken die öffentliche Meinung zu fürchten haben, sondern jene, die absichtlich vor der Öffentlichkeit verborgen gehaltene Informationen zugänglich machen.
Nicht die Tat selbst, sondern das Benennen jener, die offensichtlich nicht gesellschaftsfähige Taten setzen, wird hier bestraft. Wollen wir wirklich einen Staat, der asoziale, rücksichtslose Praktiken schützt, indem er Menschen verfolgt, die nichts anderes tun als für Transparenz einzutreten?
Dennoch bleibt es eine ganz offensichtliche Kritik von AI an der Vorgangsweise des VGT, was wir jetzt überhaupt nicht brauchen können. Ich persönlich halte AI auch in keinster Weise maßgeblich und kompetent im Tierschutz, kurz gesagt, was AI zur Causa Tierschutzprozesse in Österreich zu sagen hat, ist genau so irrelevant, wie manch andere abstruse Statements dieses Vereins.