Die Geschichte ist schnell erzählt, siehe https://martinballuch.com/?p=2223. Am 4. Dezember 2011 rufen 2 Tierschützer die Polizei, um eine Treibjagdgesellschaft anzuzeigen, die zwischen Häusern in der Nähe von Graz verbotener Weise auf Tiere schießt. Die Polizei kommt, bedroht aber die Tierschützer und einer der Beamten schlägt einen der Tierschützer – den stellvertretenden VGT-Obmann David Richter – mehrmals auf den Hinterkopf, sodass er zu Boden geht, und setzt sich auf ihn drauf. Als Ausrede behauptet er später, der Tierschützer hätte ihn zuerst geschlagen. Doch ein Video beweist das Gegenteil und bringt das Verfahren gegen den Schlägerpolizisten ins Rollen. Beim ersten Strafprozess vor einer Einzelrichterin erweitert diese die Anklage auf Amtsmissbrauch und verlegt das Verfahren vor ein Schöffengericht. Die Berufung gegen diese Entscheidung wird vom OLG Graz abgewiesen, am 9. Dezember 2013 findet der Prozess schließlich statt.
Staatsanwältin Verena Neuberger eröffnet mit einem eindrucksvollen Plädoyer. Der Polizist habe den Tierschützer mit Vorsatz in seinem Recht auf persönliche Freiheit und nicht-erniedrigende Behandlung wissentlich missbraucht, als er ihm mindestens einmal auf den Hinterkopf schlug und in Folge mindestens 20 Minuten am Boden fixierte. Das sei fahrlässige Körperverletzung unter Ausnutzung einer Amtsstellung. Zusätzlich sei Verleumdung angeklagt, weil der Beamte behauptet hat, der Tierschützer habe ihm einen Faustschlag gegen die Brust versetzt. In der Gegenäußerung meinte der verteidigende Rechtsanwalt, der Angeklagte habe seine Befugnisse nicht überschritten, immerhin habe der steirische Landtag nach dem Vorfall das Jagdgesetz adaptiert, um das Filmen von Treibjagden zu verbieten. „Wenn der Angeklagte den Tierschützer angegriffen hat, dann zurecht“.
Dann wurde der Angeklagte einvernommen. Die Tierschützer hatten die Jagdgesellschaft wegen § 55 stmk. Jagdgesetz angezeigt, also Schießen auf Wild in der nächsten Umgebung von Häusern. Der Angeklagte meinte, er kenne dieses Gesetz nicht und er sei nicht zuständig gewesen. Ihm sei vom Aufsichtsjäger erzählt worden, dass Tierschützer einen „Wirbel“ machen würden. Er sei gleich zu den Tierschützern gegangen, weil es einen „gravierenden Vorfall“ gegeben habe. Auf die Frage vom leitenden Richter, was das sei, meinte der Angeklagte, ihm sei gesagt worden, die Tierschützer hätten Privatgrund betreten. Die Polizei sei für Besitzstörung nicht zuständig, meinte der Richter, worauf der Angeklagte auswich, dass das Filmen von Privatgrund eine Vorbereitungshandlung für einen Einbruch hätte sein können. Er sei dann zu dem Tierschützer, der eine Videokamera in der Hand hielt, hingegangen und habe ihm den Kameradeckel zugeschlagen, weil er nicht gefilmt werden wolle. Die Dienstnummer habe er nicht hergegeben, obwohl das Gesetz das so vorsieht, weil das nichts gebracht hätte. Den Tierschützer zu Boden gerungen habe er nur, weil dieser zuerst zugeschlagen habe. Auf einer Videosequenz des Vorfalls ist aber nichts davon zu sehen, der Tierschützer hat in der einen Hand sein Handy, in der anderen die Videokamera. Vielleicht habe er das Handy vor dem Schlag rasch fallen gelassen, mutmaßt der Angeklagte. Wie komme dann das Handy wieder in seine Hand, als er am Boden lag, fragt der Richter und weist auf ein Foto hin. Das weiß der Angeklagte nicht.
Warum er dann 20 Minuten lang auf dem Angeklagten gekniet sei und dessen Gesicht immer wieder in den Boden gedrückt habe, fragte der leitende Richter. Sein Vorgesetzter habe per Telefon ausrichten lassen, dass alles so bleiben solle, wie es ist, meinte der Angeklagte. Und der Tierschützer habe immer wieder seinen Körper gekrümmt, da habe er das Gesicht in den Boden drücken müssen, um dagegen zu halten.
Anschließend wurde der Polizeikollege des Angeklagten einvernommen. Er verweigerte jede Aussage mit dem Hinweis, dass noch ein Verfahren wegen Verleumdung gegen ihn anhängig sei. Dieser Polizist hatte nämlich seinen Kollegen und einen Jäger zum Vorfall einvernommen und danach eine eigene Zeugenaussage schriftlich festgehalten. In der stand, in denselben Worten wie die des Jägers, dass der Tierschützer den Angeklagten zuerst angegriffen habe. Die Staatsanwaltschaft hat dieses Verfahren gegen den Polizisten wegen Verleumdung dennoch bereits eingestellt, doch der VGT hat dagegen einen Fortsetzungsantrag gestellt.
Zwei Rettungssanitäterinnen hatten den verletzten Tierschützer ins Spital gefahren. Sie sagten aus, dass er 2 Beulen auf dem Hinterkopf links gehabt habe, sowie eine Handverletzung und Blut in der Ohrmuschel.
Dann wurde das Opfer einvernommen. David Richter sagte aus, er sei durch das aggressive Auftreten der Polizisten schockiert gewesen, immerhin aber er sie ja zu Hilfe gerufen und wurde von ihnen aber wie ein Verbrecher behandelt. Er habe deshalb die Preisgabe seiner Identität verweigert, aber von den Beamten deren Dienstnummer sehen wollen. Diese verweigerten das, stattdessen schlug ihm einer 3 Mal von hinten auf den Kopf, sodass er zu Boden fiel, und drückte ihn dann gute 30 Minuten in den eiskalten Straßenbelag – es war Dezember. Der zweite anwesende Tierschützer bestätigte diese Version.
Zuletzt wurde der Aufsichtsjäger befragt. Er habe der Polizei gesagt, dass die beiden Tierschützer die Jagd stören würden. Seine Aussage bei der Polizei, der Tierschützer habe zuerst zugeschlagen, stimme nicht. Er habe nichts dergleichen gesehen. Er habe „in der Aufregung und Hektik“ eine falsche Aussage gemacht. Wieso diese falsche Aussage von ihm praktisch wortgleich mit der des Polizeizeugen sei, wollte der Richter wissen. Die Oberstaatsanwaltschaft nannte das eine „wahrheitswidrige, abgesprochene Verteidigungslinie“. Der Zeuge konnte es nicht erklären. Das Verfahren wegen falscher Beweisaussage, Begünstigung und Verleumdung gegen ihn läuft noch.
Der Angeklagte nahm dazu noch Stellung und meinte, er könne verstehen, dass der Jäger aufgrund des großen Drucks auf ihn von seiner ersten Aussage zurückgetreten sei. Der leitende Richter bot dem Angeklagten an, jetzt seine Schuld zuzugeben, das sei ein Milderungsgrund, doch der lehnte ab.
Zuletzt hätte noch ein Sachverständiger sein Gutachten zu den Verletzungen des Opfers vortragen sollen, doch er war erkrankt. Da die Verteidigung darauf bestand, den Sachverständigen persönlich zu erleben, durfte das Gutachten nicht vorgelesen werden und der Richter vertagte den Prozess auf Februar 2014.
In diesem Fall scheint zumindest einmal das Gericht eine unbeinflusste und sachliche Haltung einzunehmen. Trotzdem ist davon auszugehen, dass das Urteil viel zu milde ausfallen wird.
Möglicherweise ist der Schlägerpolizist weitgehnst denkbefreit, daher die Anklage nur auf fahrlässig. Solche gesetzesunkundigen, gewalttätigen, amtsmissbrauchenden und
wahrheitsverweigernden Staatsdiener auf die Zivilbevölkerung loszulassen, stellt schon an sich mehr als eine grobe Fahrlässigkeit dar. Die Konsequenz aus dieser Entgleisung hätte Suspendierung oder “leichte” Tätigkeit im Innendienst lauten müssen, aber wohl nicht in Österreich.
Es ist erschütternd, dass amtsmissbrauchende Beamte in Österreich auch bei völlig klaren Beweisen nichts zu befürchten haben. Oft werden sie sogar noch dafür befördert. Mir kann niemand erzählen, dass das dabei helfen würde, Amtsmissbrauch zu bekämpfen.
Wahrscheinlich wird der Schlägerpolizist zu einer geringen Geldstrafe auf Bewährung verurteilt und kann dafür dann mit einer Beförderung bei der Polizei rechnen.
Warum die Staatsanwaltschaft von einer “fahrlässigen” Körperverletzung spricht, ist mir schleierhaft. Fahrlässige KV heisst unabsichtlich, wie man jemanden unabsichtlich und fahrlässig mehrmals auf den Kopf schlagen kann, muss mir erst jemand erklären.
Die österreichische Polizei ist eine einzige Schande.