Am 25. November 2014 fand im WUK in Wien eine Podiumsdiskussion über die Kernthesen meines neuen Buches „Der Hund und sein Philosoph“ statt. Huber kritisierte, dass ich lediglich Anekdoten von Erlebnissen mit meinem Hund wiedergegeben hätte, die aufgrund der geringen Statistik und mangelnden Überprüfbarkeit nicht überzeugend wären. Insbesondere würden manche davon naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen, wie z.B. dass Hunde kein schlechtes Gewissen haben könnten und es nicht möglich sei, mit ihnen Fluchtpläne abzusprechen, wie in meinem Fall, als wir eine Herde von Kühen gemeinsam austricksten, um zu entkommen. Nach Huber sei die Kluft zwischen Mensch und Tier nicht, wie von mir behauptet, sozial konstruiert, sondern biologisch real.
Was, genau, ist dabei aber mit „Mensch“ gemeint? Gibt es eine Kluft zwischen Homo sapiens und Neanderthaler? Faktum ist, dass ich Gene der Neanderthaler in mir trage, weil sich einige meiner Homo sapiens VorfahrInnen mit NeanderthalerInnen gepaart haben. Aber Neanderthaler hatten aller Wahrscheinlichkeit nach keine mit uns heute vergleichbare Sprache, sie kannten nicht die Technik des Nähens von Kleidern und sie begruben ihre Toten nicht. Auf welcher Seite der Kluft befanden sich die Neanderthaler, oder die Kinder von Neanderthaler und Homo sapiens? Oder findet sich die Kluft zwischen Neanderthaler und Homo erectus, oder zwischen Homo erectus und Australopithecus oder zwischen Autralopithecus und den Vorfahren der Schimpansen? Woran erkennen wir das?
Das Problem an dem Konzept der Kluft ist, dass es mit der kontinuierlichen Evolution schwer in Einklang gebracht werden kann. Insbesondere, weil wir – und Huber scheint das richtig zu finden – der einen Seite der Kluft Grundrechte geben, während die andere Seite als Sache gesehen wird, die durch das schwächste juristische Mittel, das Verwaltungsrecht, vor übermäßigem Leid geschützt wird. Auf welcher Seite stehen Neanderthaler, Homo erectus oder Australopithecus, bzw. deren Mischlingskinder mit Homo sapiens?
Der Sachenstatus für Tiere setzt doch voraus, dass Tiere lediglich Biomaschinen sind, wenn auch von Gefühlen begleitete, also fühlende Biomaschinen. In diesem Bild können Tiere keine eigenen bewussten Entscheidungen treffen, sondern müssen das ausführen, was ihre genetische Veranlagung oder ihre angelernten Reiz-Reaktionen ihnen diktieren. Wozu aber, möchte ich Huber fragen, haben Tiere ein Bewusstsein und ein subjektives Empfinden, wenn sie darauf aufbauend gar nichts entscheiden können? Wozu Hunger subjektiv fühlen, wenn das Wesen sowieso nur eine bereits vorgegebene Reaktion zeigen kann, wie z.B. Nahrungssuche als höchste Priorität? Das Bewusstsein ist in diesem Bild biologisch völlig überflüssig, eine reine Begleiterscheinung, ein sogenanntes Epiphänomen.
Aber Bewusstsein ist sehr energieaufwendig. Und die Evolution märzt sehr rasch energieaufwendige Prozesse aus, wenn sie keinen entsprechend großen Fortpflanzungsvorteil bringen, sie aber leicht durch niederenergetische Prozesse, wie unbewusste Reizreaktionen, zu ersetzen wären.
Dieses Paradox kennt nur eine Lösung: Bewusstsein muss eine Auswirkung auf die Handlungen bewusster Lebewesen haben. Wesen mit Bewusstsein müssen sich also, zumindest in gewissem Rahmen, bewusst gegen jene Reizreaktionen oder genetischen Handlungen entscheiden können, die sich ihnen aufdrängen. Bewusstsein bringt also eine gewisse Freiheit mit sich, zwischen Handlungsalternativen abzuwägen. D.h. aber Bewusstsein lässt das Wesen dieses und jenes bewusst werten, sich also selbst Zwecke setzen.
Diese Erkenntnis aber reicht mir schon für meine zentralen Schlussfolgerungen in meinem Buch: Tiere mit Bewusstsein sind weit mehr als bloß fühlende Biomaschinen, sie können sich in gewissem Rahmen über ihre Affekte hinwegsetzen und vernünftig entscheiden. Und schon schwindet die Kluft zwischen Mensch und Tier und wird durch eine kontinuierliche Entwicklung ersetzt. Tiere als Wesen, die zumindest eine gewisse Freiheit, Vernunft und Autonomie haben, sollten aber auch nach Kant das Recht bekommen, nicht bloß als Mittel zum Zweck, sondern immer auch als Zweck an sich behandelt zu werden. Sie sind nicht lediglich vor vermeidbarem Leiden zu schützen, während sie von Menschen genutzt werden, sondern ihre Freiheit, selbst über ihr Leben zu entscheiden, ist zu respektieren.
@Veronika
Univ. Prof. Huber leiter das Messerli Institut der Vet Med. Ihr Hund hat mit sehr großer Wahrscheinlichkeit bei einer seiner Studien mitgemacht. Herr Huber hat auch sicherlich einen Hund. Auf der VetMed und am Messerli Institut sind natürlich lauter “Tierleibhaber”.
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Dass Huber eine große biologische Kluft zwischen Tieren und Menschen sieht verwundert mich aber nicht. Ich kenne viele Hundefreunde “aus dem Volk”, die ihre Tiere auf gleicher Ebene empfinden, während sie ins Wurstsemmerl beissen. Die Vetärinär Medizin lebt in Österreich von der Landwirtschaft und bei Herr Huber gibt es deswegen noch mehr gute Gründe um Evolutionstheorie zu ignorieren und Schweinchen Ihre Rechte abzusprechen? So gesehen ist er ein ganz klein wenig ehrlicher als “das Volk”?
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Peter Singer hat schon 1975 das Phenomän Tierliebhaber in seinem Buch Animal Liberation beschrieben. Liebe und Respekt sind sich ähnlich, aber der heutige Unterschied entscheidet zwischen Leben und Massen-Tod. Die Kluft zwischen Mensch und Tier, die uns erlaubt aus andern Gründer als Notwehr ein Leben lang zu foltern und zum Spass zu töten, ist einzig und alleine sozial konstruiert. Dass Menschen glauben das Recht zu haben Hunde zu Inzucht zu zwingen, aka Hunde-Rassen-Zucht, ist auch sozial konstruiert und nicht natürlich. Die Kluft zwischen Mensch und Tier ist genauso “natürlich” wie moderne Tierfabriken.
… “ediglich Anekdoten von Erlebnissen mit meinem Hund wiedergegeben hätte, die aufgrund der geringen Statistik und mangelnden Überprüfbarkeit nicht überzeugend wären….”
Gibt es von ihm eine offizielle Adresse? Uni oder etwas ähnliches? Vielleicht wäre es gut wenn möglichst viele Leute ihre Erfahrungen mit ihren Haustieren schildern und zuschicken würden, falls er damit einverstanden ist. Auch wenn das alles nur Anekdoten und nicht überprüfbar sind, so wäre es doch statistisch interessant. Hat er überhaupt Tiere? Es wäre schon ganz gut, würden solche Leute “ins Volk” hören und vielleicht auch selbst die eine oder andere Erfahrung sammeln.
Es gibt übrigens jetzt schon viele Forschungsansätze. So wurde erwiesen, dass Hunde die Sprache nicht nur mit einer Gehirnhälfte verarbeiten, sondern mit beiden – wie der Mensch auch. Auch an der Uni Wien wird geforscht. Unser Hund hat schon an einer Studie teilgenommen.
Schade, dass der Verlag nicht auch zumindest einen Naturwissenschaftler einladen konnte. Mediziner sind leider keine Biologen sondern Ingenieure, die Sachen richten oder bauen aber nicht wirklich verstehen. Ansonsten müsste man sich zumindest mit Darwin auskennen?
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Darwin’s gefährliche Idee war nicht, dass es doch nicht Gott war, der die Welt in 7 Tagen vor 6,000 Jahren gebaut hat. Die gefährliche Idee für die Kirche und für alle narzisstisch-selbst-zentrierten Menschen war folgendes:
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“There is no fundamental difference between man and animals in their ability to feel pleasure and pain, happiness, and misery.”
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Darwin geht weiter:
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“…there is no fundamental difference between man and mammals in their mental faculty.”
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Das ist das Fundament der Evolutions-Theory. Alles was Menschen können, denken und fühlen, kommt aus dem Tierreich (von unten und nicht von oben von Gott). Mit anderen Worten – die Revolution der Evolutions Theorie ist, dass es eben keine “Kluft” gibt und wissenschaftlich gesehen gar nicht geben kann (außer wir finden morgen “Gott”).
Es ist schön und gut mit Mediziner, Theoretiker Philosophen, Tischler, Köchen, Politiker, Künstlern und allen anderen Gruppen zu diskutieren. Aber es wäre schon hilfreich und interessant gewesen, Darwin und die Evolutions Theorie, zumindest zu kennen. Subjektiven Meinungen ohne Evolutions-Theorie in diesem Kontext sind genauso hilfreich wie: “Vor 6,000 Jahren kreiert Gott die Mediziner und es war gut…”