26. April 2024

Tierethik: Fortsetzung der Diskussion mit Univ.-Prof. Ludwig Huber

Anlässlich meiner Buchpräsentation im WUK in Wien begann unser Meinungsaustausch über Tierethik, siehe https://martinballuch.com/tierethik-antwort-an-univ-prof-ludwig-huber/. Huber sah sich in dieser Diskussion nicht fair repräsentiert, also führten wir sie per Email fort. Leider hat er nicht genug Zeit, selbst eine Entgegnung zu schreiben, weshalb ich unseren Austausch in eigenen Worten zusammenfassen muss.

Zunächst fühlt sich Huber falsch interpretiert, wenn ich ihm unterstelle, er meine, Tiere sind Sachen, also fühlende Biomaschinen. De facto sagte er, dass Tiere keine Personen seien, dass sie keine Freiheit zu entscheiden hätten und dass die Kluft zwischen Mensch und Tier, wie sie in der heutigen Gesellschaft angenommen wird, nicht sozial konstruiert sei. In seiner Stellungnahme dazu schreibt er nun, dass er keinesfalls der Ansicht ist, dass Tiere Sachen sind. Der Begriff „Kluft“ gefalle ihm nicht: Von Klüften sprechen die Philosophen, die damit etwas Bestimmtes aussagen wollen und eine Wertung vornehmen. Die Evolution sei kontinuierlich, ja, aber die Enden der Entwicklungsäste könnten sich dennoch sehr unterscheiden. Und das sei offenbar bei Menschen und anderen Tieren so.

Weiters führt Huber aus, dass er sehr wohl der Ansicht sei, dass Tiere bewusst Entscheidungen treffen können. Sie seien also keine Biomaschinen. Dazu schrieb ich: Du sagst, Tiere können natürlich entscheiden. Und gleichzeitig sagst du, Freiheit für Tiere gibt es nicht, wobei Dir sicherlich bewusst ist, dass Freiheit das zentrale Konzept in der Ethik für Menschen ist. Nun, ich sehe das so: es gibt nur 2 Möglichkeiten, man ist entweder eine Sache oder man hat zumindest eine gewisse Freiheit zu entscheiden. Sachen entscheiden nichts, wer etwas entscheidet muss FREI entscheiden können, sonst macht der Begriff „entscheiden“ doch keinen Sinn. Oder würdest Du sagen, ein Thermostat entscheidet, ab einer gewissen Temperatur die Heizung einzuschalten? Würdest Du sagen, ein computergesteuerter Roboter entscheidet, das oder jenes zu tun? Mein Begriff von entscheiden umfasst das nicht, bei Entscheidungen geht es um Freiheit, eine bewusste Entscheidung ist eine, bei der ich frei zwischen 2 Alternativen wähle. Das kann auch das lernfähigste Computerprogramm nicht. Kein Wunder, dass ich Dich so verstehen muss, dass Du meinst, Tiere sind Biomaschinen und können nichts bewusst entscheiden, wenn Du sagst, sie haben keine Freiheit. Für mich bist Du logisch zu dieser Schlussfolgerung gezwungen, jedenfalls im selben Sinn, in dem Menschen beanspruchen, eine Entscheidungsfreiheit zu haben.

Dazu meinte Huber, für ihn seien auch Menschen nicht frei, es gebe keine Freiheit. Gleichzeitig verteidigt er aber den Personenstatus von Menschen, und will nicht, dass nichtmenschliche Tiere auch als Personen gelten können und Rechte haben. Nun, in der herkömmlichen gesellschaftlichen Sichtweise wird die Kluft zwischen Mensch und Tier genau durch die Freiheit des Menschen, die sich durch seine Vernunft ergebe, begründet. Wenn Huber das in Zweifel zieht, dann muss er auch die reale Existenz der Kluft bezweifeln. Wenn diese Kluft aber in der Gesellschaft gelebte Praxis ist, ohne real zu existieren, dann liegt nahe, dass sie lediglich sozial konstruiert ist, was Huber aber dezidiert nicht unterschreiben will.

Nun, der relevante Aspekt dieser Ansichten ist letztlich, welche Tierethik wir daraus ableiten. Menschen gelten als Personen, weil ihnen Freiheit unterstellt wird. Wenn Huber diesen Aspekt bezweifelt, Menschen also diesbezüglich anderen Tieren gleichgestellt seien – beide ohne oder beide mit Freiheit, das ist für den Moment egal –, wie lässt sich dann die Sachen-Personen Dichotomie aufrecht erhalten, die dazu führt, dass Menschen alle Rechte haben, aber Tiere nach dem Gesetz völlig rechtlos und ohne eigene Interessen sind? Ich schrieb: Du hast nicht gesagt, dass Du willst, dass Tiere rechtlich Sachen sind, aber Du hast definitiv gesagt, dass Du nicht willst, dass Tiere Rechte haben. Nun, es gibt nur Sachen und Personen nach unserem Rechtssystem, und nur Letztere haben Rechte. Wenn Du also dagegen bist, dass Tiere Rechte haben, dann bist du logisch gezwungen zu wollen, dass Tiere rechtlich Sachen sind, außer Du findest die Trennung in Sachen und Personen falsch und propagierst etwas Neues. Aber was könnte das sein? Hier beginnt in meinen Augen die interessante Diskussion. Solange Du aber die Sachen-Personen Dichotomie nicht in Frage stellst, aber gleichzeitig sagst, Tiere sollen keine Rechte haben, kann ich doch nur annehmen, dass Du willst, dass Tiere Sachen sind.

Dazu meinte Huber, er sehe das wie Mark Rowlands, der in seinen Augen da einen Mittelweg gehe. Insbesondere möge ich dazu dessen Buch „Can animals be moral?“ von 2012 lesen. Zugegeben, dieses Buch von Rowlands kenne ich noch nicht, habe aber einige andere von ihm gelesen, insbesondere sein „Animal rights: a philosophical defence“ von 1998, das 2009 neu aufgelegt wurde, soweit ich weiß ohne die wesentlichen Aussagen zu widerrufen. Ich habe dieses Buch auf der Webseite von vegan.at schon vor mehr als 10 Jahren rezensiert: http://archiv.vegan.at/veganelebensweise/buchbesprechungen/mark_rowlands.html. Darin spricht sich Mark Rowlands eindeutig für Tierrechte aus, ein Mittelweg wäre mir nicht aufgefallen. Insbesondere plädiert Rowlands für die vegane Lebensweise.

Kommen wir also letztendlich doch zur selben ethischen Schlussfolgerung?

Ein Gedanke zu “Tierethik: Fortsetzung der Diskussion mit Univ.-Prof. Ludwig Huber

  1. Im Jahr 2012 haben die besten Hirnforscher The Cambridge Declaration on Consciousness unterzeichnet: http://fcmconference.org/img/CambridgeDeclarationOnConsciousness.pdf
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    “We declare the following: “Convergent evidence indicates that non-human animals have the
    neuroanatomical, neurochemical, and neurophysiological substrates of conscious states along with the capacity to exhibit intentional behaviors. Consequently, the weight of evidence indicates that humans are not unique in possessing the neurological substrates that generate consciousness. Nonhuman animals, including all mammals and birds, and many other creatures, including octopuses, also possess these neurological substrates.”
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    Dazu meint der New Scientists folgendes:
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    “Let us applaud the Cambridge Declaration on Consciousness and work hard to get animals the protection they deserve. And let us hope that the declaration is not simply a grandstanding gesture but rather something with teeth, something that leads to action. We should all take this opportunity to stop the abuse of millions upon millions of conscious animals in the name of science, education, food, clothing and entertainment. We owe it to them to use what we know on their behalf and to factor compassion and empathy into our treatment of them.”
    http://www.newscientist.com/article/mg21528836.200-animals-are-conscious-and-should-be-treated-as-such.html
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    In Argentinien haben sich dieses Jahr Anwälte auf dieses wissenschaftliche Authorithät beziehen können, um einem Orangutan zum ersten mal in der Geschichte Personen-Rechte zu gewähren. http://www.mirror.co.uk/news/world-news/orangutan-sandra-given-human-rights-4865507
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    Ich hoffe das Herr Huber und Herr Liessmann sich mit diesen Materialien auseinandersetzen und dem Aufruf von Martin Balluch, der Hirnforschung, der Legislative und dem New Scientists folgen. “We should all take this opportunity to stop the abuse of millions upon millions of conscious animals in the name of science, education, food…”

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