19. November 2024

Tierschutz und Tierrechte: verschieden oder doch gleich?

4 Jahre Kampagne gegen die Gatterjagd und das Aussetzen gezüchteter Tiere für die Jagd in Österreich hat die konventionelle Trophäenjägerschaft in Aufruhr versetzt. Da bilden sich sogar Aktionsgruppen, die dann versuchen, zu diesem oder jenem Thema Shitstorms gegen den VGT oder den Tierschutz auszulösen. Na fein, sei ihnen unbenommen (wenn es da nicht manchmal sehr infantil zuginge). Sogar die FPÖ-Chefin Svazek und die ORF-Redakteurin Ulli Wolf sind auf den Zug aufgesprungen. Einer dieser Schachzüge, auf die sie sich offenbar viel einbilden, ist, zu behaupten der VGT (und andere Gruppen, eigentlich alle Gruppen, die sich in der Öffentlichkeit für Tierschutz engagieren), seien eigentlich Tierrechtsorganisationen und da gäbe es einen großen Unterschied. Die wirklichen Tierschützer_innen sind natürlich die Jäger_innen, die ja voller Liebe 70.000 Füchse pro Jahr, Tag wie Nacht und Winter wie Sommer, über den Haufen schießen und andere offensichtlich tierschutzbewegte Schritte setzen, wie Schnepfen, Auerhähne, Murmeltiere oder Dachse töten, die Gatterjagd betreiben und Zuchtenten aus Massentierhaltungen ankaufen, um die dann in Massen wieder aus der Luft zu knallen.

Es ist ja irgendwie lustig, wenn sich Menschen, deren Lebensinhalt darin besteht, Tiere zu töten, plötzlich damit auseinandersetzen (müssen), was Tierschutz bedeutet. Kann ihnen nur gut tun. Ich habe ja schon 2004 eine Dissertation über Tierrechte geschrieben und dieses Thema daher schon vor Jahrzehnten bearbeitet. Also fasse ich die Ergebnisse hier kurz zusammen, damit die engagierte Jägerschaft auch etwas lernt.

Schon im 18. Jahrhundert gab es zahlreiche Schriften zu Tierschutz, auch im deutschsprachigen Raum wie z.B. Johann Winkler 1770 oder Wilhelm Dietler 1787. Das mündete ab dem 19. Jahrhundert in die erste Welle der Tierschutzbewegung. Hier ist eine Liste von Ereignissen in diesem Zusammenhang:

Wie zu sehen ist, war Vegetarismus, also die ethische Ablehnung von Tierprodukten, sehr früh Teil dieser Bewegung. In einer Buchrezension habe ich hier Näheres über Vegetarismus und Veganismus in der ersten Welle der Tierschutzbewegung im deutschsprachigen Raum geschrieben: https://martinballuch.com/gemueseheilige-eine-geschichte-des-veganen-lebens-in-deutschland/

1892 schreibt Henry Salt ein Buch über Tierrechte, “Animals’ Rights: Considered in Relation to Social Progress”. An Salt und zahlreichen anderen Beispielen sieht man übrigens rasch, wo die Grenzlinie zwischen Befürworter_innen von Tierschutz und Tierrechten und ihrer Gegnerschaft verläuft: Die Gegner_innen sind durchwegs gegen Emanzipation der Menschen auf allen Ebenen, auch gegen Kinderrechte, sie sind nämlich in Essenz für das Recht des Stärkeren. Der, ob der stärkere Staat, die stärkere “Rasse”, das stärkere Geschlecht oder die stärkere Tierart, solle sich nehmen dürfen, was er kriegen kann. Das sei sozusagen ein natürliches Recht. Salt war ein Sozialreformer, der sich z.B. auch gegen Körperstrafen im Gefängnis engagiert hat usw.

Nun, betrachtet man Tierschutz und Tierrechte als ethisch-philosophische Positionen, könnten man sie so auseinander dividieren:

Kurz zusammengefasst: die Tierschutzposition ist von Mitgefühl getrieben, betrachtet den Umgang mit Tieren als ein persönliches und kein politisches Problem, und fordert lediglich dazu auf, Tiere paternalistisch gut zu behandeln, nicht das hierarchische Mensch-Tier Verhältnis in Frage zu stellen. Tiere zu nutzen sei also ok, solange das möglichst human geschehe, und der Tod schmerzfrei. Die Tierrechtsposition dagegen ist vom Gerechtigkeitssinn getrieben, sieht den Umgang mit Tieren als politisches Problem, fordert ein Ende der Ausbeutung und stellt die Nutzung, die nicht im Sinne der betroffenen Tiere ist, grundsätzlich in Frage. Tiere gelten ja nach dem Zivilrecht als Sachen und die Tierrechtsposition sieht gerade diesen Umstand als zentrales Problem – und sind wir uns ehrlich, welcher Mensch mit Herz und Hirn nicht?

Nun, was philosophisch so verschieden klingt, ist es weder psychologisch noch politisch. Wer würde z.B. sagen, dass ihn oder sie beim Schutz von Tieren nicht Gerechtigkeit und Mitgefühl treibt? Über den Tierschutz kommt man zu Tierrechten, sowohl persönlich als auch gesellschaftlich.

Und tatsächlich, Tierschutz konsequent betrieben hat bereits heute dazu geführt, dass das Tierschutzgesetz Tierrechtsaspekte enthält. Hier ein paar Beispiele von Übergängen zu Tierrechten in unserer Gesetzgebung:

Ein Tötungsverbot, wenn auch noch so schmerzfrei, solange es keinem vernünftigen Grund dient, geht über die traditionelle Tierschutzposition hinaus. Ebenso ein absolutes Verbot von Pelzfarmen, egal wie die Haltungsbedingungen, ein absolutes Verbot der Haltung von Wildtieren im Zirkus, egal wie gut, ein absolutes Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen ohne wenn und aber, oder das Nutzungsverbot von Hunden und Katzen für Fleisch und Pelz. Wir sehen, dass unsere Gesellschaft bereits die Position des philosophischen Tierschutzes verlassen hat und sich Tierrechten annähert. Die meisten Menschen würden unterschreiben, dass Tiere Rechte haben.

Den Übergang von totaler Tiernutzung über den klassischen Tierschutz zu Tierrechten habe ich so skizziert:

Betrachtet man also die Situation historisch, psychologisch und politisch, dann besteht in Essenz kein qualitativer sondern nur ein quantitativer, ein gradueller Unterschied zwischen Tierschutz und Tierrechten. Wir benutzen daher den Begriff “Tierschutz” für jeglichen Einsatz für Tiere, egal ob wir eine Streunerkatze retten oder in einem Sachwaltschaftsprozess für einen Schimpansen seine Personenrechte erkämpfen. Die internationale Bewegung für Tiere sieht das mittlerweile auch so. Man spricht daher von “animal advocacy”, um dafür einen unbelasteten Überbegriff zu schaffen.

Die aufgebrachte Jägerschaft kann also gerne weiterhin versuchen, in diese Sackgasse der Nomenklatur zu laufen. Tierschutz bedeutet nach § 1 Tierschutzgesetz den Schutz des Wohlbefindens aber auch des Lebens von Tieren, egal wie schmerzfrei der Tod sein sollte, und egal ob dieser Schutz durch subjektive Rechte durchsetzbar ist oder nicht.

Übrigens: Anlässlich unserer Kampagne für ein Verbot von Legebatterien vor 16 Jahren diskutierte ich öffentlich u.a. mit dem damaligen Landwirtschaftsminister Josef Pröll. Er begann gleich mit dem Vorhalt, ich sei vegan und damit gegen jede Eierproduktion, also hätte ich in der Diskussion über die Art der Hühnerhaltung nicht mitzureden. Ich antwortete, dass nur vegane Menschen wirklich objektiv die Interessen der Hühner in dieser Diskussion vertreten können, weil alle anderen ein egoistisches Eigeninteresse an deren Ausbeutung haben. Und genau so ist es: nur vegane Menschen, die keinen Anteil an der Nutzung von Tieren haben, können ihre Advokat_innen sein. Und das ist die Rolle, die wir als Tierschutzorganisation zu übernehmen haben. Wir sind die Anwält_innen der Tiere. Und das geht guten Gewissens nur vegan.

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