28. März 2024

Todesstrafe: Utah will wieder Erschießungskommandos einführen

Entwickeln sich global gesehen Menschenrechte – und auch der Tierschutz – in die richtige Richtung oder gibt es nur ein ewiges Auf und Ab, ein Hin und Her, ohne fix Erreichtes, auf das man aufbauen könnte? Die Todesstrafe, z.B., habe ich für einen solchen unumkehrbaren Fortschritt gehalten. Ein Land nach dem anderen hat sie abgeschafft, natürlich mit Ausnahme der USA und ein paar anderen diesbezüglich zurückgebliebenen Ländern wie China, aber früher oder später, so die Hoffnung, sollte es auch dort soweit sein. Ein erschreckender Dämpfer für mich war die öffentliche Verbrennung eines Gefangenen in einem Käfig durch den Islamischen Staat. Ein Rückschritt ins Mittelalter! Nun geistert die Headline durch die Medienticker: der US-Bundesstaat Utah will wieder Erschießungskommandos einführen. Häftlinge sollen also wieder erschossen werden dürfen. Erschütternd. Ich dachte das sei längst überwunden.

Der Hintergrund dieser Entscheidung in Utah ist ein Positiver. Europäische Firmen haben bisher das Gift für die Ausübung der Todesstrafe in den USA geliefert. Seit einiger Zeit verweigern sie aber aus ethischen Gründen die Zusammenarbeit. Ein starkes Zeichen! Aus Gründen der „Menschlichkeit“, argumentiert man nun in Utah, müsse man daher wieder auf Erschießungen zurückgreifen. Dass Verurteilte umgebracht werden müssen sei sozusagen nicht zu verhindern, also sei es ein ethisches Gebot, das möglichst human zu tun. Das Nächstbeste nach Gift sei eben die Erschießung. 20 Gewehre zielen auf ein Herz, niemand sei allein der Täter. Es ginge ganz schnell.

Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung wurde wieder einmal über die Todesstrafe diskutiert. Die wichtigsten Argumente dabei: dass es Unschuldige treffen könnte (die Rate liegt bei nachgewiesenen 4,5%!) und dass es keine abschreckende Wirkung habe. Also diese utilitaristischen Aspekte sind in meinen Augen völlig nebensächlich, natürlich nicht für die unschuldig Betroffenen – eine besonders erschreckende Vorstellung! –, aber als Argument gegen die Todesstrafe. Auch wenn es sicher keine Unschuldigen treffen würde, obwohl auch TäterInnen mehr oder weniger schuldig sein können, und auch wenn sie eine abschreckende Wirkung hätte, wäre die Todesstrafe abzulehnen.

Menschenrechte sind unteilbar. Man kann sie nicht verlieren, egal, was man auch immer getan hat. Aber Menschenrechte gelten prima facie, d.h. sie dürfen übertreten werden, um die Rechte anderer zu schützen. Das wäre z.B. bei Notwehr oder Nothilfe der Fall. Zwar gibt es ein absolutes Recht auf Leben, aber wenn das Leben von mir oder jemandem anderen bedroht ist, darf ich, falls es nicht anders geht, auch das Leben eines Angreifers nehmen, um Leben zu schützen. Könnte das eine Rechtfertigung für die Todesstrafe sein?

Nein. Die Ausnahme für die Anwendung von Gewalt, um Leben zu schützen, umfasst nur das notwendige Minimum, um die Gefahr abzuwenden. Nur die minimal notwendige Gewalt ist zulässig. D.h. kann die Verteidigung gelingen, ohne das Leben des Angreifers zu gefährden, dann bin ich nach den Menschenrechten auch dazu verpflichtet. Im Fall der Todesstrafe ist die Gefahr aber schon gebannt. Der Angreifer oder die Angreiferin sind bereits überwältigt, sie sitzen hilflos in einer Zelle, sie sind dem Staat völlig ausgeliefert. In dieser Situation gibt es keinerlei Rechtfertigung mehr, diese Menschen zu verletzen, zu quälen oder gar zu töten.

Das Gefängnis ist ein notwendiges Übel, um die Gesellschaft vor GewalttäterInnen zu schützen. Und es ist ein sehr effektives Mittel. Daher sollte das Gefängnis möglichst menschenwürdig sein, eine Lebensqualität bieten und den Verurteilten den Weg in die Resozialisierung offen lassen.

Gerade eben wurde in den USA die deutsche Staatsbürgerin Debra Mike aus der Todeszelle entlassen, in der sie 22 Jahre gesessen war. Sie soll damals ihre 4 jährige Tochter ermorden habe lassen, nun kam heraus, dass sie unschuldig war. 22 Jahre Haft für Mord ist schon sehr sehr lange. In den USA wird man nach diesen 22 Jahren noch hingerichtet. Mit Menschenrechten hat das nicht sehr viel zu tun.

Die furchtbare Geschichte eines Mannes, der zuerst seine drei Töchter in einem Feuer verliert und 2 Wochen später dafür festgenommen und letztlich 12 Jahre später unschuldig hingerichtet wird: http://www.newyorker.com/magazine/2009/09/07/trial-by-fire

3 Gedanken zu “Todesstrafe: Utah will wieder Erschießungskommandos einführen

  1. “Die Todesstrafe, z.B., habe ich für einen solchen unumkehrbaren Fortschritt gehalten.”

    Nichts in diesem Leben ist unumkehrbar.

  2. Es ist unglaublich, dass sich die Todesstrafe in einigen US Bundeländern noch hält. Todesstrafe, Menschenrechte und Zivilisation sind nicht kompatibel.
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    Wiederum, wenn es um andere Themen geht, so hoffe ich, dass sich Europa bald von den USA was abschauen. Viele US Bundesländer haben legale Schwulenehen, Österreich noch nicht? Es gibt vier US Bundesstaaten in denen Marijuana zum Spaß legalisiert worden ist, man kann heute vor dem Parlament in Washington einen Joint rauchen ohne vor Anzeige oder Gefängnis Angst zu haben müssen.
    Die USA haben einen schwarzen mit muslimischen Namen gewählt. Ich hoffe bald in Österreich einen Türkishe Frau an der Spitze zu sehen. Ich hoffe bald in England einen Indischen Prime Minister zu sehen, in Frankreich einen Algerier. Ich hoffe, dass Saudi und Iran bald einen Weißen namens David Zimmermann wählen…
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    Insgesammt geht was Menschenrechte betrifft klar was voran. Wenn auch langsamer als wir uns alle wünschen. Churchill hat mal über die USA gesagt, dass sie am Ende immer das richtige machen, nach dem sie alles andere versucht haben.

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