Am 11. September 2012 haben wir an der Triumphpforte in Innsbruck ein Transparent anbringen wollen, um auf unsere Forderungen für ein neues Tierversuchsgesetz aufmerksam zu machen. Doch das Erklettern dieses Denkmals war schwer und brauchte so lange Zeit, dass die durch PassantInnen gerufene Polizei letztlich die Aktion vereitelte. Festgenommen wurden wir durch maskierte COBRA-Beamte, siehe https://martinballuch.com/?p=1521.
Doch die Festnahmen waren unbegründet. Zum Glück wurde von einer unabhängigen Person ein durchgehendes Video erstellt, sodass die Polizei in diesem Fall wenig Spielraum für erfundene Geschichten hat. Man sieht wie die BeamtInnen zu einer Aktivistin gehen, die unbeteiligt am Rand steht und eigentlich nur das aufgehängte Transparent fotografieren wollte. Ihre Fototasche befindet sich neben ihr am Boden. Die PolizistInnen fordern sie zur Ausweisleistung auf, sie verweigert das mit dem Hinweis, dass sie ja nichts getan habe. Die Polizei meinte dazu, sie sei Teilnehmerin einer unangemeldeten Versammlung. Sollte sie ihren Ausweis nicht herzeigen, dann würde sie festgenommen, und würde sie nicht selbst zum Auto gehen, dann sei das Widerstand gegen die Staatsgewalt und strafbar. Die letztere Aussage der Polizei ist leider nur bruchstückhaft auf dem Video zu hören. Natürlich wäre diese Androhung falsch, denn niemand kann verpflichtet werden, zu seiner eigenen Freiheitsentziehung aktiv beizutragen.
Die Tierschützerin setzte sich daraufhin auf den Boden, wurde sofort von 2 Beamten ergriffen und über den Gehsteig zum Polizeiauto geschliffen. Dabei schrie die Frau permanent „lassen Sie mich in Ruhe, ich habe nichts getan!“. Dann brachte man sie auf die Polizeistation, fand per Fotodatei von TierschutzaktivistInnen ihre Identität heraus und ließ sie einige Stunden später wieder gehen. Sie wurde zwar, wie ich, wegen Organisierens einer nichtangemeldeten Versammlung angezeigt, doch unsere Berufungen Anfang Oktober 2012 blieben unbeantwortet, das Verfahren wurde eingestellt. Das Aufhängen eines Transparents durch einen Kletterer und einen Sicherer ist nämlich keine Versammlung nach dem Versammlungsrecht.
Also erhoben wir eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Festnahme durch die Polizei. Das betraf einerseits die Festnahme an sich, aber andererseits auch die Art der Festnahme (Schleifen über den Boden, schön im Video zu sehen), die falsche Angabe, nicht zur eigenen (illegalen) Festnahme aktiv beizutragen sei Widerstand gegen die Staatsgewalt und den Umstand, dass kein ausreichender Grund für die Festnahme genannt wurde. Die Teilnahme an einer nichtangemeldeten Versammlung ist nämlich keine Verwaltungsstraftat, lediglich das Organisieren einer solchen. Erst wenn diese Versammlung behördlich aufgelöst werden sollte, wird das Dableiben zur Verwaltungsstraftat. Doch laut Polizeiprotokoll fand die Festnahme um 6:32 Uhr statt, aber erst um 6:48 Uhr wurde bei der Behörde angefragt, ob die (angebliche) Versammlung aufgelöst werden solle. Die Landespolizeidirektion Tirol meinte übrigens in einer Stellungnahme zum Verfahren, dass die Amtshandlung rechtskonform, unter Einhaltung der Menschenwürde und unter möglichster Schonung der Person durchgeführt wurde und damit völlig in Ordnung gewesen sei.
Am 3. April 2013 kam es beim UVS in Innsbruck unter Vorsitz von Richterin Ines Kroker zur Verhandlung. Der Film wurde vorgeführt und dann wurden die ZeugInnen einvernommen, darunter 4 PolizistInnen. Diese waren mit einem eigenen Anwalt erschienen, der natürlich von Steuergeldern bezahlt wird. Im Zuschauerraum waren 2 weitere Polizisten anwesend. Die PolizeizeugInnen, die für die Festnahme verantwortlich waren, zeigten ihre Unkenntnis der Sachlage. Sie meinten, es habe keine Genehmigung für die (angebliche) Versammlung vorgelegen, obwohl Versammlungen ein Menschenrecht sind und daher nicht von Genehmigungen abhängen können. Es ist lediglich eine Verwaltungsstraftat, eine öffentliche und frei zugängliche Versammlung nicht 24 Stunden vorher der Polizei zu melden. Doch das Aufhängen eines Transparents ist nicht einmal eine Versammlung, wie z.B. der UVS Wien schon 1998 festgestellt hat. Damals hängten 3 TierschützerInnen und ich ein Transparent gegen Tiertransporte an die Votivkirche in Wien und wurden wegen Organisierens einer nichtangemeldeten Versammlung angezeigt. Das Verfahren wurde nach dem Spruch des UVS, der darin keine Versammlung sah, eingestellt.
Auf die Frage an den Polizeizeugen, warum er davon ausgegangen sei, es habe sich um eine Versammlung gehandelt, antwortete dieser, er habe mich erkannt und darum sei ihm klar gewesen, das könne nur eine Tierschutzdemo sein.
Der Rechtsanwalt brachte nun die Ausrede vor, die Tierschützerin, die 20 m neben der Triumphpforte mit einer Kameratasche in einer Hausecke stand, sei augenscheinlich die Organisatorin der (angeblichen) Versammlung gewesen und dass die BeamtInnen diesem Rechtsirrtum unterlegen seien wäre nachvollziehbar und ihnen nicht vorzuwerfen. Doch klar blieb: es hatte eine Weisung von ganz oben gegeben, gegen die TierschützerInnen scharf vorzugehen. Die BeamtInnen gingen fälschlich davon aus, dass sich jeder Mensch auf Polizeianfrage hin ausweisen müsse und dass alle TeilnehmerInnen einer nicht-angemeldeten Versammlung verwaltungsstrafrechtlich belangbar wären. Bei insgesamt 3 ähnlichen Aktionen in Innsbruck im Herbst 2012 wurden wir TierschützerInnen jedes Mal ohne rechtliche Grundlage einfach festgenommen, auch ich saß einige Stunden in einer Gefängniszelle, https://martinballuch.com/?p=1612. Jetzt wird es Zeit, dass ein Richterspruch dieser gegen den Tierschutzaktivismus gerichteten, rechtswidrigen Polizeigewalt in Innsbruck ein Ende setzt.
Nach 4 Stunden Verhandlung schloss die Richterin die Beweisaufnahme und verkündete, dass ihr Urteil samt Begründung und Protokoll schriftlich ergehen werde. Wir dürfen gespannt sein.
Toll dass Sie das alles auf sich nehmen. Es braucht mutige Leute wie Sie die Risiken für einen guten Zweck eingehen. Ihr Lebenslauf zeigt mir dass Sie sich sehr ihrer Sache verschrieben haben.
Es ist immer wieder erstaunlich, und erschreckend zugleich, wie ahnungslos sich die Polizei gegenüber der Gesetzeslage gibt. Oder handelt sie vielleicht gar bewusst und nach eigenem Gutdünken, in dem Glauben, dass ihre ohnehin eingeschüchterten Opfer nicht über deren Rechte Bescheid wissen?
Offensichtlich ist es eine unbedingte Notwendigkeit, jede Polizeiaktion per Video festzuhalten, um am Ende neben den Unannehmlichkeiten nicht noch eine ungerechtfertigte Strafe aufgebrummt zu bekommen. Dass seitens der Behörden ein Fehler eingestanden wird und diesem vielleicht auch noch eine Entschuldigung folgt, werden wir wohl nicht so schnell erleben.