17. November 2024

Wann kommt die Reform von §278a?

Unmittelbar nach dem Freispruch im Tierschutzprozess am 2. Mai war ich im Justizministerium eingeladen und Sektionschef Christian Pilnacek kündigte eine Reform von §278a an. Am 27. Mai erklärte Pilnacek im Interview mit dem Standard aber, dass es keine Reform von §278a geben werde. Es sollen nur die Ermittlungsmöglichkeiten auf präzisere Voraussetzungen eingeschränkt werden. Gestern im Standard Montagsgespräch zeigte sich Pilnacek wieder verhandlungsbereit, ohne konkrete Zugeständnisse. Petra Velten, Strafrechtsprofessorin aus Linz, forderte sogar eine komplette Abschaffung aller Organisationsparagraphen §278ff. Sie würden mehr schaden als nützen, die Mafia sei fast gar nicht betroffen, die bürgerlichen Freiheiten würden aber stark eingeschränkt.

Ich meldete mich in dieser Diskussion auch zu Wort. In meinen Augen, als Betroffener, ist eine Totalreform von §278a unumgänglich. Insbesondere, so argumentierte ich, muss die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation ganz anders gefasst werden. Die allermeisten meiner 27 Anklagepunkte betrafen genau diese Bestimmung §278 (3). Danach ist als Mitglied einer kriminellen Organisation mit bis zu 5 Jahren Gefängnis zu bestrafen, wer eine legale Handlung setzt, von der er ernstlich für möglich halten muss, dass sie eine kriminelle Organisation auf irgendeine Weise fördert.

Ein konkretes Beispiel, was das bedeutet. Ich wurde angeklagt, weil ich einen Tierrechtskongress organisiert hatte. Das wurde so argumentiert. Aus Medienberichten hätte ich wissen müssen, dass es im Tierschutz eine kriminelle Organisation gibt. Ich hätte dann ernstlich für möglich halten müssen, dass ein mir unbekanntes Mitglied dieser kriminellen Organisation einen völlig legalen Vortrag über legale Aktivitäten (der kriminellen Organisation) hält, z.B. über Demonstrationen gegen Pelz. Dadurch, dass ich diesem Mitglied eine Plattform für seinen Vortrag geboten habe, habe ich in irgendeiner Form die kriminelle Organisation unterstützt.

Man sieht, wenn kriminelle Organisationen nicht nur eine Bereicherungsabsicht sondern auch hehre Ziele haben können, dann gerät man mittels §278a für unbedenkliche legale Tätigkeiten, wie die Veranstaltung eines Tierrechtskongresses, sofort in die Fänge des Strafrechts, auch wenn man kein Mitglied einer kriminellen Organisation kennt und niemand auf dem Kongress über kriminelle Dinge spricht.

Dieter Böhmdorfer, auch auf dem Podium des Standard Montagsgesprächs, argumentierte, dass eine Reform von §278a nicht notwendig sei, weil es ja im Tierschutzprozess zu einem Freispruch gekommen ist. Aber die Richterin hat nur freigesprochen, weil sie feststellte, dass es überhaupt keine kriminelle Organisation im Tierschutz gibt. Hätte es eine gegeben, wäre ich durch das Organisieren des Tierrechtskongresses mit diesem verrückten §278a tatsächlich zu verurteilen gewesen, auch wenn ich keine kriminelle Organisation kenne, keine kriminellen Tätigkeiten fördere und nur hehre politische Ziele mit legalen und unbedenklichen Methoden verfolge.

Die vierte der DiskutantInnen gestern, Rechtsanwältin Alexia Stuefer, legte das Schweizer Gesetz gegen kriminelle Organisationen als bessere Option vor. Und tatsächlich steht in diesem Gesetz, dass man nur dann Mitglied einer kriminellen Organisation sein kann, wenn man wissentlich deren kriminelle Aktivitäten fördert. Da reicht es also nicht, dass man es ernsthaft für möglich hält, dass die Person, der man einen Kaffee serviert oder die man einen legalen und vernünftigen Vortrag halten lässt, aus einer kriminellen Organisation stammt. Beides wäre in Österreich mit bis zu 5 Jahren Gefängnis zu bestrafen.

Wir brauchen also notwendig eine Reform des §278a und es gibt klare Vorstellungen, wie diese auszusehen hat. Sollte sich bis zum Herbst keine ernsthafte Reformdiskussion eingestellt haben, möchte ich mit einer Kampagne diese vehement einfordern.

4 Gedanken zu “Wann kommt die Reform von §278a?

  1. Bitte nicht vergessen – auch die Verfahrensweise war ein ganz zentraler Punkt der beim Tierschutz-Prozess vollkommen im Argen lag. Sowohl Polizei wie auch Staatsanwaltschaft haben den Teufel getan klare Vorwürfe zu erheben. Schlimmer noch sie haben mit dem Beweis-Portfolio A eine nicht gerade kleine Menge an Haft-Anordnungen erwirkt sondern dann ganz unverblümt zur Hauptverhandlung einfach A in die Tonne getreten und dafür wie das Kaninchen aus dem Zylinder plötzlich Beweis-Portfolio B aus der Tasche gezogen. Damit war aber faktisch die ganze U-Haft rückblickend grundlos, da die vorgelegten Beweise A gemäss dem Handeln der Ermittler und Ankläger niemals für eine Verurteilung tauglich gewesen waren. Doppelt prekär, die Beweise B waren ebenfalls nicht für eine Verurteilung tauglich. Effektiv hat sowohl A wie auch B das Gesamtverfahren nicht nur bezüglich der Rechtsstaatlichkeit entwertet sondern die Rechtsordnung an sich im wahrsten Wortsinne unterwandert bzw. untertunnelt – der Rechtsstaat wurde entwertet in dem durch diesen Vorgang den Angeklagten zentralste Aspekte des ihnen zustehenden rechtsstaatlichen Verhaltens entzogen wurden – so auch der Zugriff auf zahlreiche Akten und auch auf Kopien der bei den Lausch-Angriffen gemachten Ton-Aufzeichnungen (ungleich Abschriften – das lässt nur grübeln: wurde hier etwa bereits beim Abchreiben geschönt?), und dieser Zustand ist weiterhin anhaltend, was wegen einem Berufungsantrag durch die Staatsanwaltschaft natürlich keineswegs gut ist. Der Antrag eröffnet den Beklagten die Chance auch hier nochmals neu zu zu greifen – ich würde ehrlich sagen, das hätte sich der Ankläger samt dem gesamten Ermittler-Tross gerne ersparen sollen – die Beklagten hätte es sich sicher gerne erspart, selbst wenn der Wunsch auf Realisierung des Rechts auf vollständige Akten-Einsicht durchaus für sie (im Eigen-Interesse) fort bestehen mag.

    Eine Inhaftierung ohne schlagkräftige Beweise, eine Anklage ohne schlagkräftige Beweise, ein Verfahren ohne schlagkräftige Beweise – das ist dann ein Gesamtverfahren ohne jeden Grund und ohne Berechtigung – der Staat vergibt Rechte ohne die Ansprüche an die Berechtigung dafür hinreichend durchsetzbar zu machen. Das resultiert in Willkür und diese Willkür darf nicht sein – wenn die Kontroll-Mechanismen oder gar die Verfahrensordnung selbst nicht hinreichend allen das Recht geben die Rechtmässigkeit zu überprüfen dann muss auch hier das Recht im Land Österreich weiter entwickelt werden. Ansonsten drängt ich mir der Verdacht auf dass der unterschied zu Ländern wie China in der Praxis nicht besonders gross ist, selbst dann wen er formal in Form der Gesetzte bestehen mag.

    Beispiel eines Foren-Einschriebs zum Thema Inhaftierung von Dissidenten in China unter einem Artikel des Spiegel:
    “Es wäre sehr gut, wenn wir uns hier einigen können, dass die 2,5 Monate Haft ohne jegliche Rechtskontrolle nicht gut sind. Sie scheinen ja sogar gegen chinesisches Recht zu verstoßen.”
    Link zum Artikel: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,769973,00.html

  2. @Manuel

    Die Mafia strebt systematisch Gewinn an und benutzt dazu illegale Mittel wie Gewaltandrohung, Gewaltausübung sowie andere Mittel der Erpressung. In einem Gesetzestext ist die Generalformulierung “systematisches Gewinnstreben mit schwer-strafbaren Mitteln” angebracht. Dabei müssen die Mitttel nicht ausdrücklich benannt werden. Das lässt die Türe offen für z.B. alle Arten von Kidnerschänder Ringen oder auch Menschenhändlern, Drogenhändler, Einbrecherbanden, Schutzgeld-Mafia usw. Es schliesst aber klar die Türe für legitime zivile Aktivitäten wie Tierschutz, Menschenrechte, Abschiebungs-Gegnerschaft und vieles weitere. Man mag um her ziehende Rockerbanden die bei ihren abendlichen Sauf-Touren wiederholt mit den anderen Leuten am Ort zusammen rempeln darunter fallen lassen wollen oder auch nicht (es gibt ja noch andere Paragraphen, nicht nur einen gegen Mafia oder Terrorismus) und man sollte einiges dem Richter überlassen, als Einzelfall-Entscheidung – es ist ja möglich dass es immer genau der selbe Sauftrottel ist der einen ganz Verein in Verruf bringt ohne dass der Verein irgendwie etwas dazu fordert oder fördert, sondern nur nicht genug Schneid hat die Konsequenz zu ziehen – sprich er sieht und duldet es…

    Gewalt gegen Leib & Leben mag hochgradig strafbar sein – sie als Merkmal bereits im Gesetzestext an zu bieten mag jedoch hier und da Fehl-Urteile nach sich ziehen – denn damit könnte auch auf Grund von wieder kehrenden Notwehr-Situationen ungerechtfertigt bzw. böswillig der Strafrechts-Strick um irgend eine beliebige Randgruppe gelegt werden. Die Dreistigkeit (oder sollte man es Dummheit nennen?) von entsprechenden polizeilich/staatsanwaltlichen Formulierungen kann leider man gelegentlich in freier Natur beobachten. Um sich mafiös zu betätigen bedarf es eines Vorsatzes sowie einer hinreichend weitgehenden Ignoranz gegen eigentlich alle Straf-Gesetze (nicht nur eines einzigen Gesetztes), der in einer relativ freien Wahl der selbstredend illegalen Mittel gipfelt. Ein Serien-Einbrecher ist keine Mafia, ebenso alle anderen Serien-Verbrecher. Es mag sicher bei diesen Vertuschungshandlungen geben, die in weiteren kleineren oder grösseren Neben-Verbrechen gipfeln, z.B. Zechprellerei wenn man plötzlich flüchten muss weil man evtl. erkannt wurde… aber das hat keinen Plan sondern passiert aus dem Moment heraus. Vielleicht fehlt noch der Aspekt der Gruppe in einer Unternehmensartigen-Organisation wie etwa der wiederkehrenden Zusammenkunft und der langfristigen Planung im Sinne einer Arbeitsteilung unter hinreichender gegenseitiger Kenntnis der Einzel- und Gesamt-Aktivität. Auch sogenannte Seilschaften in Politik, Ämtern und Behörden könnten damit betroffen sein… das muss kein Fehler sein, den nicht alles was dauerhaft Mafiös ist geschieht irgendwo tief im Süden auf Sizilien.

    So ein Gesetz sollte klar und präzise sein was den Grundvorwurf an geht während die Ausprägungen zwar klar der Schwere nach, nicht jedoch in den einzelnen Peripherie-Delikt im Detail, zu nennen sind. Und nur die Summe der Gesamterkenntnisse vor Gericht kann dazu geeignet sein eine Verurteilung gemäss des Paragraphen zu erzielen.

  3. Was spricht dagegen, die Gewinnerzielungsabsicht oder massive Gewaltanwendungen gg. Leib&Lebern als Tatbestandsmerkmal aufzunehmen? Mafia, Menschenhändler – also die die man als Zielgruppe der Paragraphen als Bürger annimmt, wären noch immer davon betroffen – Doch offensichtlich fehlt der Staatsgewalt dann die Flexibilität, die die momentane Gesetzeslage in Richtung NGOs hat.

  4. ja, bitte tu das, lieber martin balluch. dieses hin und her von hrn. pilnacek ist ja übelkeit erregend. die menschen, die eine reform dieses § wollen, werden schon wieder für blöd verkauft. mich ekelt nur mehr vor diesen heuchlern und bewundere deinen/euren starken magen, der es euch gestattet, sich immer wieder mit dieser in österreich leider allzu mächtigen spezies auseinanderzusetzen.

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