Dank der Veganen Gesellschaft Österreich, die ich übrigens am 1. April 1999 zusammen mit meinem Bruder und meiner damaligen Partnerin gegründet habe, kam die Psychologin und Univ.-Professorin Melanie Joy von der Uni Boston in den USA nach Wien, Maribor (Slowenien) und Zagreb (Kroatien), um hier Vorträge über ihre Idee von „Carnismus“ zu halten. Ihr Vortrag ist hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=ZCojVjwJP7o. Dem Standard gab sie ein Interview: http://derstandard.at/1331207287200/Fleischessen-Wir-folgen-unsichtbarem-Glaubenssystem.
Melanie Joy geht von der Beobachtung aus, dass auch fleischessende Menschen in westlichen Ländern keinesfalls das Fleisch von Hunden zu sich nehmen würden. Nein, im Gegenteil, Hundefleisch würde größten Ekel hervorrufen. Dabei wäre es keine Option, z.B. aus einem Essen mit Hundefleisch dieses herauszuklauben und nur die Beilagen zu essen. Es würde für die Menschen auch keinen Unterschied machen, wenn der Hund garantiert vor seiner Schlachtung gut gelebt und schmerzlos getötet worden wäre. Mit anderen Worten: gegenüber Hundefleisch verhalten sich auch fleischessende Menschen in westlichen Ländern fast unisono wie strikte VeganerInnen. Joy identifiziert hier eine moralische Dissonanz, einen gelebten Widerspruch, den ihren Umfragen zufolge die betroffenen Personen nicht erklären können. Es sei einfach so, ein besseres Argument wurde ihr nicht genannt.
Menschen ist das Wohlergehen von Tieren wichtig. Und gleichzeitig haben sie an und für sich den Anspruch, selbst ein moralisches Leben führen zu wollen. Dabei haben sie den Eindruck, rational konsistent zu sein. Was den Fleischkonsum betrifft, ist das aber offensichtlich nicht der Fall. Daher gibt es bei FleischesserInnen ein moralisches Unbehagen. In so einem Fall kann man seine Moral ändern, oder man ändert sein Verhalten, oder man ändert die Wahrnehmung des eigenen Verhaltens. Und letzteres sei nach Melanie Joy der Weg, den die allermeisten FleischesserInnen wählen, um mit ihrem moralischen Unbehagen umzugehen. Und diese Ideologie hinter dem Fleischessen, die diese Wahrnehmungsverzerrung bedingt, nennt sie „Carnismus“.
Sich vegan oder vegetarisch zu ernähren ist eine Lebensform, die der Einstellung des Vegetarismus bzw. Veganismus entspricht. Fleisch zu essen ist nun ebenso eine Lebensentscheidung, die natürlich einer Einstellung entspricht. Weil es sich aber rein statistisch dabei um die Norm handelt, wird das Essen von Fleisch mit keiner Ideologie verbunden, die Entscheidung dafür ist nicht bewusst. Die Namenslosigkeit dieser Lebensform macht es aber unmöglich die dahinter stehende Ideologie zu benennen und zu kritisieren. Daher ist nach Joy die Benennung der Ideologie mit dem Wort „Carnismus“ der erste wichtige Schritt dahin, sich bewusst zu machen, dass es sich um eine Ideologie handelt, die noch dazu mit einer Wahrnehmungsverzerrung arbeitet. Carnismus ist nicht nur symbolisch unsichtbar – eben namenlos – sondern auch in der realen Praxis. Tierproduktion und Schlachthöfe halten sich verborgen, um den immanenten Widerspruch der Ideologie zu vertuschen. Das sei für gewalttätige Ideologien typisch.
Carnismus, heißt es spontan von fleischessenden Menschen, ist normal, natürlich und notwendig. Normal ist Carnismus, weil er den Weg des kleinsten Widerstandes darstellt, den Weg ohne bewusste Entscheidung. Die Naturalisierung von Handlungen ist immer sozial konstruiert, sie dient der Verewigung: es war immer schon so und wird immer so sein, da kann man gar nichts machen. Und Carnismus ist notwendig, weil er die etablierte Ordnung erhält. Die Wirkung solcher Erklärungen auf die Bereitschaft von Menschen, gegen ihre eigentlichen moralischen Überzeugungen zu handeln, zeigt das Milgram Experiment. Dabei wurden ProbandInnen durch den Einfluss einer Autorität dazu gebracht, angefesselten Personen schwere Elektroschocks zu geben, die sie ohne Präsenz dieser Autorität niemals gegeben hätten. Die Autorität vermittelte den ProbandInnen einerseits das Gefühl, die Elektroschocks zu geben sei notwendig und normal, andererseits nahm sie ihnen dafür die Verantwortung. Dasselbe würde beim Fleischessen passieren, wobei die Autorität durch die gesellschaftliche Norm ersetzt wird. Wer einmal bei dieser Verhaltensweise mitgemacht hat, gerät in gewisser Weise in einen Teufelskreis, weil er mit seiner Rolle fortsetzen muss, um seine bisherige Aktivität zu rechtfertigen.
Es ist zweifellos interessant, das Fleischessen von dieser psychologischen Warte aus zu analysieren. Carnismus wird dabei eine Spezialform des Speziesismus, nach Joy ähnlich wie z.B. Antisemitismus eine Form des Rassismus ist. Allerdings scheint mir Joy’s Zugang in aller erster Linie auf eine moderne urbane Gesellschaft der westlichen Welt anwendbar. Noch vor 200 Jahren waren auch bei uns 90% der Bevölkerung Bauern und Bäuerinnen, für die die Tötung ihrer Tiere nicht unsichtbar war. Andererseits war es für diese Menschen vielleicht für die Selbsterhaltung tatsächlich notwendig, ab und zu ihre Tiere zu essen. In jedem Fall hatten sie mit Sicherheit wesentlich seltener Fleisch auf dem Teller, als die urbanen Durchschnittsmenschen heute. Moralisches Handeln setzt natürlich eine gewisse existentielle Absicherung voraus. Und es gab vor 200 Jahren zahlreiche andere gesellschaftlich akzeptierte Verhaltensweisen, die damals offen gelebt wurden aber heute generell abgelehnt werden, wie Sklaverei, Leibeigenschaft, autoritäre Staatsformen und die Todesstrafe.
In jedem Fall sind Melanie Joy’s Vorträge sehr inspirierend und ich kann ihre Bücher wie „Why we love dogs, eat pigs and wear cows“ sowie „Strategic Action for Animals“ nur empfehlen.
@kfhgk … Wer schweigt, stimmt zu. Wir Menschen sind in höchstem Maße gewalttätig. Nur haben wir einen Weg gefunden, wie wir “Menschlichkeit” heucheln können. Indem wir so tun, als wären da auf der einen Seite nur Täter und auf der anderen nur Opfer. Heute weiß eigentlich schon jeder wie es in den “Tierfabriken” aussieht. Früher wusste das nicht jeder und man konnte es sich auch gar nicht vorstellen, was Menschen Tieren antun. Aber heute weiß es jeder und wer dabei gleichgültig bleibt, ist indirekt Täter. Beispiel Schweine: Zuerst trennt man sie von der Mutter. Man kastriert sie ohne Betäubung, schneidet ihnen Schwänze und Ohren ab, feilt ihnen die Zähne weg, pfercht sie so ein, dass sie sich nicht natürlich bewegen können. Es stinkt dort so erbärmlich, dass sich Menschen darüber aufregen, die viele Kilometer entfernt wohnen, weil sie es bis in die Wohnungen hinein riechen. Weibliche Schweine sperrt man in Käfige die so groß sind wie das Schwein. Es kann sich nichteinmal kratzen. Man bereitet diesen Tieren die Hölle auf Erden. Würde man dich so behandeln, du würdest dich zurecht darüber aufregen. Aber weil es Tiere sind ist es weniger schlimm? Dann stimmst du zu. Es stört dich nicht? …… Die Nazis haben die Juden ausrotten wollen. Tiere in Tierfabriken will man nicht ausrotten. Im Gegenteil möchte man sie in großen Mengen “produzieren”. Deshalb lässt man sie normalerweise nicht verhungern, oder sonstwie sterben, bevor man sie schlachtet. So gesehen kann man das nicht vergleichen. Aber ich denke, diese Tiere leiden schrecklich. Ob ein Mensch Schmerzen und Angst hat, oder ein Tier – was ist der Unterschied? Schmerz ist Schmerz, Angst ist Angst. Wer funktionierende Nervenbahnen und das passende Gehirn hat, erleidet Schmerzen wenn man ihn quält. Oder siehst du das anders?
Es ist in höchstem Maße unverschämt, normale Menschen als Befürworter eines gewalttätigen Systems zu bezeichnen, und das tut M. Joy. Die Anhänger dieser Frau Joy übersehen geflissentlich (oder wahrscheinlich eher vorsätzlich?), dass diese Frau in ihrem englischen Original-Buch die Greueltaten der Nazis mit der Massentierhaltung vergleicht und das ist in jeder Hinsicht menschenverachtend, pfui deibel!
Schade, daß die Codes bei mir nie funktionieren! Ich probier es noch ein letztes Mal: Hat mich sehr gefreut, heute etwas von dr. Joy und ihrem neuen Begriff Carnism erfahren zu haben! Das ist genau die richtige Strategie. Ich denke so auch schon lange! Der einzige Unterschied, der den Menschen psychologisch vom Tier unterscheidet, ist, daß Mensch sich seit Jahrtausenden etwas in die eigene Tasche lügen konnte und damit dabei ist, das gesamte Leben zu vernichten, eischließlich des eigenen. Die Karnisten sehen das aber nicht ein!
“Der Vegetarier isst meinem Essen das Essen weg….”. so glaube ich heisst das.
Ich meinerseits habe vor zwei Monaten mit Fleischessen aufgehört, nachdem ich seit geraumer Zeit wahnsinnig Lust auf Gemüse in allen Formen entwickelte. Mir geht es gut und ich finde, wir haben ja noch soooooo viele gute Nahrungsmittel, die wir geniessen können. Die Viehhaltung, das Schlachten und Schächten widert mich zudem so dermassen an, dass es für mich ein Leichtes ist, nach 50 Jahren dem Fleisch zu entsagen.
Bettina
@ Martin C: ich empfinde das auch so, vegan ist tatsächlich eine Form der Persönlichkeitsentwicklung.
@Susanne V.: Genau das ist der Punkt, du hast recht, es gab eine Zeit, da waren die Menschen auf Tierprodukte angewiesen. Das ist heute nicht mehr so, Fleisch kann man heute bestenfalls als “Genussmittel” bezeichnen, niemand in unserer westlichen Welt ist mehr darauf angewiesen. Es gibt mittlerweile viele Alternativen die auch immer leichter verfügbar sind und mittlerweile sogar die Supermärkte erobern 🙂
Du hast völlig recht, es bedarf einer gewissen Anstrengung bzw. die Umstellung kann schon einige Zeit dauern, weil man aus seinen alten Gewohnheiten zunächst raus muss und zb wo anders einkaufen als gewohnt 🙂 (Naturkostladen, Veganversand) bis vegan dann zur neuen Gewohnheit wird. Ich geb zu ich hab fast ein Jahr gebraucht, bis ich dann ganz “vegan” war 😉
Um zurückzukommen zum Carnismus, ein wirklich treffendes Zitat von Cicero:
“Ich bitte dich nicht, mich zu verschonen, wenn du in Not bist, sondern nur, wenn du frevelhafte Begierde hast. Töte mich, um zu essen, aber morde mich nicht, um besser zu essen!”
Ich lebe auch nicht vegan. Das ist schon deshalb schwer, weil man dann alles selbst zubereiten müsste. Es ist schon schwer fertige vegetarische Lebensmittel zu bekommen. Oft ist in der Torte Gelatine, oder im Brot Schmalz.
Töten und Fleisch essen ist an sich natürlich. Tiere tun das auch. Es wurden auch Menschen gegessen. In Notsituationen sogar bis in die heutige Zeit. Etwa wenn jemand in Seenot war, war das ganz normal und wurde erst spät verboten. Oder bei einem Flugzeugabsturz ist das vor wenigen Jahren geschehen.
Was sich ändert ist die Art wie man Tiere sieht. Man erkennt zusehends, dass sie dem Menschen sehr ähnlich sind. Wir haben eine natürliche Hemmschwelle und die verändert sich dadurch. Früher hat man gesagt, einem Tier darf man keinen Namen geben. Denn tut man das, sieht man es als Person und man kann es nicht mehr schlachten. Ein Familienmitglied, einen Freund, tötet man nicht.
Dass bestimmte Tierarten tabu sind liegt an der Kulturgeschichte. Pferde waren bei den Kelten heilige Tiere. Hunde waren schon immer die Gefährten der Menschen und gelten als Beschützer. Ein normaler Fleischhauer verkauft selten auch Pferdefleisch, weil viele Leute dann nicht mehr zu ihm kommen würden. Auf einer unterbewussten Ebene bleibt das.
Mein Großvater wohnte als Kind in einem Haus dessen Fenster zu einem Hühnerschlachthof hinaus gingen. Ihn hat das so angeekelt, dass er kein Hühnerfleisch aß. Er hatte später selbst Hühner. Die Leute waren arm, sie brauchten die Eier und das Fleisch. Es gab höchstens einmal in der Woche Fleisch und da nicht viel. Er hat die Hühner geschlachtet, aber keines gegessen. Für ihn wurde extra gekocht, das Hühnerfleisch durfte nicht einmal in derselben Pfanne gebraten werden. Ich habe auch kein Huhn gegessen obwohl ich nicht wusste warum. Ich habe auch keinen Rostbraten gegessen weil ich dachte das sei “Rossbraten”. Oder rote Rübensalat, weil ich dachte das sei Blut. Blutwurst schon gar nicht. Niemand hat gesagt das sei eklig. Ich fand es einfach eklig. Anderes Fleisch schon. Es kommt schon sehr darauf an wie die Umgebung damit umgeht, aber nicht nur darauf.
@Susanne: Stimmt, seit ich “angekommen” bin habe auch ich verstärkt begonnen alles kritisch zu hinterfragen und abzuwägen, im positiven Sinne bin ich renident geworden. Mit offenen Augen und Ohren und in Selbstreflexion durchs Leben zu gehen macht dieses zwar nicht unbedingt immer einfacher, aber durch die vegane Lebensweise fühle ich mich auf jeden Fall authentischer, befreiter und selbstbewusster.
Zu dem Beitrag: Dem Essen von Tieren mit “Carnismus” einen Namen zu geben, finde ich einen enorm wichtigen Ansatz. Die Entwicklung geht ganz offensichtlich dahin, das “Carnismus” immer weniger “normal” ist, so wie eben auch Cannibalismus irgendwann als “abnormal” angesehen wurde. Die Vorarbeit zu dieser Entwicklung haben Vereine wie der VGT geleistet!!!
@ Martin C.: Du sprichst mir aus der Seele. Mir gings genau so mit Erkennen der “Milchlüge” und danach erschloss sich mir eine Unwahrheit nach der anderen. Dies begann zwar bei den Tieren, aber endete damit nicht. Generell begann ich seit dem, Produktionsweisen und Wirtschaftskreisläufe viel kritischer zu hinterfragen, ob dabei Menschen, Tiere oder unsere Umwelt ausgebeutet werden.
Ich kann sagen, dass für mich die vegane Lebensweise mehr “Wahrheit” und das “Sich-Hinein-Versetzen in anderes Leben” mit sich brachte, sowie eine nie dagewesene Achtung für die Schöpfung. All diese Aspekte haben im Gegenzug wiederum meine Lebensqualität enorm verbessert, wofür ich unendlich dankbar bin. Vegan zu werden war eine der bereichendsten und befreiendsten Entscheidungen in meinem Leben.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich meinen inneren Kampf bzgl. Fleischessen – zwischen Emphatie/Vernunft und Prägung/Gewohnheit – ausgfochten habe um mich mich immer wieder aufs Neue, mit mir selbst, auf Kompromisse “einigen”. Zuerst waren es Tierkinder (Kalb, Ferkel etc.) die gestrichen wurden – Pferd (z.B. Pferdeleberkäse), Schaf (Lamm) hatte ich aus irgend einen Grund schon immer abgelehnt. Kaninchen hatten wir als Haustier. Der nächste Schritt waren Kuh/Rind, nachdem ich mit Kühen in Berührung kam und ich von deren Wesen sehr beeindruckt war. Ein nahezu traumatisches Erlebnis mit Forellen hat auch jeglichen Fisch von meiner Speisekarte gelöscht. Bei Huhn und Pute hatte ich mir eingeredet, dass diese grundsätzlich nicht sehr hübsch wären und obendrein dumm seien (wie dumm von mir, es tut mir heute noch leid) und somit nur den Zweck haben konnten als Nahrung zu dienen. Allerdings stieg ich auf BIO-Hendl um. Im Mai 2000 gab es im ORF eine Reportage über Quälereien von “Nutztieren” (aufgedeckt vom VgT), u. a. an Schweinen. Dabei blieb mir das Wurstbrot im Hals stecken, es war mein letztes. Zwei Monate hat es dann noch gedauert bis ich auch die Milch- und Eierlüge durchschaut hatte.
Ja, natürlich, ein Argument FÜR Fleischkonsum fehlt völlig, und das ist auch nie in meinem Sinn gewesen. Abgesehen davon, dass ich auch keine wirklich “guten” Argumente für Fleischkonsum kenne.
Es ging mir um eine weitere Sichtweise, warum wir bestimmte Tiere essen und andere nicht; und nicht darum, warum wir überhaupt Tiere essen.
Menschliches Fleisch halte ich sowieso (aus den verschiedensten Gründen) für komplett ausgeschlossen. Ein Grund (und sicher nicht der wichtigste) wäre wohl auch die Sache mit dem “second-hand-Fleisch” … wobei ich zu dieser Überlegung in Zusammenhang mit Kanibalismus noch nicht gekommen bin.
Die ökonomische Argumentation, ist an einer der für alle Menschen einleuchtendsten Argumente für ein veganes Leben angelehnt. Selbst Menschen, denen Tierleid egal ist (und zu diesen Menschen zähle ich mich zumindestens selber nicht) MUSS einleuchten, dass es in Zeiten in denen Hunger herrscht, Fleisch ein unglaublicher Luxus ist. Um wieviel schlimmer wäre da Fleisch von Fleischfressern?
Eine rein ökonomische Argumentation, wenn es um das Leiden und Sterben von fühlenden Wesen geht, halte ich für schwer problematisch. Man sollte sich immer die Frage stellen, ob es gerechtfertig ist, andere Wesen für ihr Fleisch zu töten. Ich denke, es ist nur dann rechtfertigbar, wenn es der einzige Ausweg ist, selbst zu überleben – sprich, wenn man vom Hungertot bedroht ist und es nichts anderes gibt, außer tierisches Fleisch. Da viele Länder dieser Welt aber nicht in dieser Situation sind, sondern Tiere nur aus Genusssucht und Bequemlichkeit töten, fehlen hier die Arguemente.
Wenn Fleich, das auf Fleisch aufgebaut ist “second-hand” ist, dann ist ja dein eigener Körper auch “Second-hand-Fleisch”, oder?
Solidarität ist es wohl nur in sehr beschränkten Maß, ich hab mich noch nicht eingehender mit dieser Überlegung befasst, sodass ich sie nicht gänzlich vom Tisch fegen kann (zumal einige andere Indikatoren darauf hindeuten, dass da doch ein wahrer Kern sein könnte; so halte ich lieber Hunde als Hasen und lieber Katzen als Meerschweinchen); aber ganz sicher steht im Vordergrund Ekel. (Der, als Gefühl, nicht immer ganz logisch nachvollziehbar ist)
Es ist fast so, als wäre das auf Fleisch aufgebaute Fleisch irgendwie … “second-Hand-Fleisch” (Ich weiss, dass ich mich hier nicht auf einer wissenschaftlichen Ebene bewege, sondern auf einer intuitiven)
Auf einer wirtschaftlichen Ebene kann ich auch so argumentieren: So unökonomisch es jetzt schon ist Pflanzenfresser mit Unmengen an Pflanzen zu füttern, um Fleisch zu ehalten; noch weniger ökonomisch ist es Pflanzenfresser mit Unmengen Pflanzen zu füttern, um dann massenhaft Pflanzenfresser den Fleischfressern zu verfüttern, um dann den Fleischfresser auf den menschlichen Teller zu bringen. Aber diese wirtschaftliche Überlegung hat, das muss ich fairerweise sagen, mit meinem Ekel nichts zu tun.
ad Lisa: also ich habe den Vortrag von Dr. Joy online gesehen und finde ihre Argumentation sehr schlüssig. Wir sind einfach geprägt darauf gewisse Tiere zu essen und andere zu streicheln. Kinder übernehmen Verhaltens- und Denkmuster, die ihnen vorgelebt werden. Das ist ja nichts Neues und beschränkt sich auch nicht auf den Ernährungsbereich.
Dein Arguement, dass du keine Fleischesser isst, aber Pflanzenesser schon, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Wie begründest du deine Entscheidung? Solidarität gegenüber dem Fleischfresser?
Ich muss mich “outen”
Ich bin nicht Vegetarier, und würde “Hund” auch nicht essen. Aber warum? Ist es weil Hunde so “süß” sind? Weil ich selber einen Hund habe? Lämmchen sind auch süß, und es gibt kaum was herzigeres als ein Kalb, also daran liegt es nicht.
Bei mir liegt es daran, dass Hunde Fleisch fressen, und Fleischfresser esse ich nicht. Ich esse auch keine Katzen, Schlangen und Füchse. (Ich weiss, dass auch Schweinen Fleisch gefüttert wird, das find ich sehr grauslich, und ich vermeide es aus diesem Grund Schwein zu essen.)
Das ist keine moralische Dissonanz, so wie ich es sehe, sondern eine klar eingehaltene Richtlinie, was die Ernährung der “gegessenen Tiere” anbelangt.
Ich glaube auch, dass viele der befragten Leute, die nicht erklären konnten, warum sie zwar Kuh aber nicht Hund essen, ebenso empfinden, dass es ihnen zum Zeitpunkt der Frage aber nicht klar war, oder es ihnen einfach nicht eingefallen ist (…wer kennt da nicht den Micromann?) Aber ich denke, dass Frau Joy diesen Gedankengang ebenso hatte, und ihn absichtlich unter den Tisch fallen hat lassen, weil sich moralische Dissonanz und gelebter Widerspruch besser verkaufen als: “…und sie möchten keine Fleischfresser essen.”
An der Stelle möchte ich mich bei euch auch für all eure Arbeit nochmal bedanken; und ich weiss, wie ironisch das eigentlich ist, dass Vegetarier sich dafür einsetzen, dass das Fleisch, das ich esse von hoher Qualität ist.