28. März 2024

Wie es ausging, mit Linguist Schweiger

 

Die letzten Prozesstage waren so lang und so dicht, dass alle Personen, die damit zu tun hatten, für sonst nichts mehr Zeit haben konnten. Deshalb möchte ich jetzt langsam die letzten Tage aufarbeiten.

Am 29. März 2011 war der linguistische Gutachter Schweiger ein letztes Mal zur Befragung im Gericht. Weder ich noch sonst jemand der Angeklagten ist dazu gekommen, auch nur eine Frage an ihn zu stellen. Und von den AnwältInnen konnte nur mein Anwalt Stefan Traxler Schweigers Thesen kritisch in Augenschein nehmen. Aber selbst da zeigte sich schon ganz deutlich, wes Geistes Kind Schweiger ist.

Das Paradebeispiel für die Unhaltbarkeit von Schweigers Aussagen ergab sich bei der Befragung zum Text „N2“. Dieser Text ist die zweite Seite eines sogenannten Bekennerschreibens zu einer Nerzbefreiung im Juli 1997. Er ist 562 Wörter lang und macht eine ganze A4-Seite aus. Praktisch derselbe Text fand sich aber auch in der österreichischen Nationalbibliothek. Dort wurde er im Jahr 1994 von Franz Plank mit Datum und Unterschrift übergeben und archiviert. Es handelte sich nämlich um einen Teil eines Pelzflugblatts, das Plank geschrieben hatte.

Zur Erinnerung, Schweiger hat diesen Text ja „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ mir zugeordnet. Der Planktext aus dem Flugblatt unterscheidet sich vom Text im Bekennerschreiben in lediglich 4 Stellen:

  • das Wort „drollig“ steht im einen Text vor „Nerze“, im anderen nicht,
  • „verdanken tun wir“ wird zu „wir verdanken“,
  • „zu zweit“ wird zu „zu mehrt“ und
  • die Abkürzung „z.T.“ wird um zwei Worte im Satz verschoben.

Alle Schweigerschen Statistiken zu Wortlänge und Satzlänge etc. sind natürlich bei einer so großen Ähnlichkeit – der Text ist ja 562 Wörter lang! – völlig identisch. Seine ganzen statistischen Parameter, mit denen er mir Texte so gerne zuordnet, sind also unbrauchbar in diesem Fall. Dennoch blieb Schweiger bei der Auffassung, dass er aus den Textunterschieden ablesen kann, dass ich den einen Text „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ geschrieben habe, den anderen Text aber Plank.

Bei der Befragung gab Schweiger zu, dass zwei der vier Unterschiede von jedem Menschen stammen könnten. Ob das Wort „drollig“ dabei ist oder nicht, und ob „z.T.“ im Satz nach links oder rechts verschoben ist, könne man keinem konkreten Autor zuordnen. Aber die anderen beiden Punkte würden es zulassen, zu behaupten, dass nur ich, Martin Balluch, diese Änderungen des Planktextes vorgenommen haben könnte.

Die Umstellung von „verdanken tun wir“ zu „wir verdanken“ sei typisch für mich, weil sie mein gehobenes Sprachniveau – im Gegensatz zu Planks – unterstreiche. Und die zweite Änderung würde eindeutig auf mich weisen: das Wort „zu mehrt“ sei eine Erfindung von mir.

Diese Behauptung ist wirklich entlarvend. Schweiger musste zugeben, dass er in keinem einzigen meiner Texte das Wort „zu mehrt“ gefunden hatte. Er blieb aber dabei, dass ich es erfunden haben musste, weil es in der Art typisch für mich sei.

Ich wies Schweiger über meinen Anwalt darauf hin, dass „zu mehrt“ schon in einem Buch von 1933 steht, also aus einer Zeit vor meiner Geburt, und zwar im Buch „Die Landwirthschaftlichen Versuchs-Stationen“ auf Seite 264. Zitat: „Sie können zu mehrt zusammenwirken, eine Ganzheit außerhalb oder innerhalb von Lebewesen bilden“. Hier die Quelle: http://bit.ly/dOsSi0

Ebenso findet sich die Frage, ob man „zu mehrt“ oder „zu mehreren“ schreibt, im Internet unter „gute Fragen“: http://www.gutefrage.net/frage/heisst-es-zu-mehrt-oder-zu-mehreren

Dazu sagte Schweiger, dann hat Martin Balluch eben „zu mehrt“ noch einmal erfunden. Auch das Rad sei mehrmals erfunden worden! Zur Erinnerung: „zu mehrt“ findet sich nirgends in meinen Texten. Schweiger hatte sich zu dieser Zeit schon so weit verrannt und wollte auf keinen Fall zugeben, einen Fehler gemacht zu haben, dass er zu so verrückten Aussagen Zuflucht nehmen musste.

Damit war Schweiger natürlich so desavouiert, dass die Richterin letztendlich die Befragung abbrach. Sie sagte wörtlich dazu: „Der Sachverständige war nicht ausreichend in der Lage die aufgezeigten Unschlüssigkeiten auszuräumen. Er wird nicht mehr geladen.“ Endlich, nach 6 Tagen seiner Einvernahme.

PS: Eine Person hat uns darauf hingewiesen, dass Wolfgang Schweiger zu Tieren ein sehr schlechtes Verhältnis hat. In einem Brief, der uns gefaxt wurde, schreibt Schweiger wörtlich: „ich habe zu Hunden keine gute Beziehung, sondern empfinde sie als stinkende Köter, die Wohnungen verdrecken“.

9 Gedanken zu “Wie es ausging, mit Linguist Schweiger

  1. jetzt ist mir eingefallen, daß – glaube ich – ab anklage die unschuldsvermutung nicht mehr gilt. aber wenn vorgangsweise von polizei und justiz in diesem verfahren repräsentativ sind, dann müßte in österreich die unschuldsvermutung selbst für verurteilte gelten.
    ich kann dir nur recht geben, eberhard, du hast es auf den punkt gebracht. das ist furchterregend. wenn die övp weiterhin polizei und justiz in händen hat, dieser unglaubliche prozess nicht aufgearbeitet und dieses unterdrückerische unrechtssystem nicht geändert wird, ist demokratie nicht möglich.

  2. ich falle von mal zu mal immer wieder aus den wolken. danke, lieber martin balluch. wie konntet ihr all die unglaublichkeiten nur aushalten, einer allein in diesem “ungeheur”lichen system geht da mit sicherheit zugrunde . wie kann, wenn grundsätzlich die unschuldsvermutung gilt, ein gutachter von der anklagenden seite ausgesucht werden? das ist rechtsstaatlich? wohin man auch genauer schaut und wo immer man hinterfragt, überall ist der wurm drin.
    barbara prammer hat angeblich gesagt – http://www.alpenparlament.tv/playlist/391-die-staatsgeschaedigten-der-zwetschenrepublik
    das system in österreich funktioniert an sich ganz gut, nur die justiz nicht. aber wenn die nicht funktioniert, kann auch demokratie nicht funktionieren!
    ich hoffe, ihr greift die idee eines anderen kommentators auf und sichert euch die filmrechte! das alles – von polizeiüberfall bis prozess – sollte wirklich so weit wie möglich verbreitet werden!

  3. Die Tatsache, dass Polizei und und Staatsanwaltschaft versuchen, ein Gutachten zu bekommen, welches ihre Sicht der Dinge bestätigt, ist an sich noch kein Skandal.
    Der Justizskandal ist jedoch, dass Schwindler und Betrüger sich als Fachleute ausgeben und zu gerichtlich beeideten Sachverständigen zertifiziert werden! Nur weil die Fehler und Unwahrheiten des Gutachters so beeinduckend von den Angeklagten wiederlegt werden konnten, kann die Richterin – anders als sonst üblich – die Ergebnisse des Gutachtens nicht zur Urteilsbegründung heranziehen.
    Wenn es aber in unserem Justizsystem möglich ist, daß Gutachter wunschgemäß dermaßen unwahre und falsche ‘Auftrags’-Ergebnisse abliefern können, kein anderslautendes Gegengutachten zugelassen wird und damit unschuldig Verurteilte die logische Konsequenz sind, dann ist das kein Rechtsstaat mehr ! Und das ist der Justizskandal, welcher weit über den Tierschutzprozess hinausgeht ! Kann hier noch irgendjemand an Unabhängigkeit und Gerechtigkeit der Justiz glauben?

  4. die auswahl zum prozess erfolgte durch bettina bogner von der soko gegen den tierschutz. sie hat schweiger kontaktiert und gefragt, ob er für tierschutz ist. erst nachdem er verneint hatte, wurde er damit beauftragt, die texte zu untersuchen. dabei wurde ihm aber von bogner deutlich gesagt, was sie hören will, nämlich, dass sie martin balluch verdächtigt.

    wir wissen das alles aus den aussagen von der bogner und vom schweiger vor gericht und wir kennen einige briefe zwischen bogner und schweiger, in denen schweiger z.b. sagt, dass er bald bogners erwartungen erfüllen könne, er habe schon 3 heisse spuren um balluch zu überführen und es werde nicht mehr lange dauern.

  5. wahrscheinlich war ein freund des genies darunter. danke, eberhard, für die auskunft. trotzdem würde mich noch interessieren, wie und durch wen die auswahl für diesen prozess erfolgte ……

  6. @regina
    Schweiger wurde als Gerichts-Sachverständiger (ich glaube 2007) erstmalig) zugelassen und zertifiziert:
    http://www.sdgliste.justiz.gv.at/edikte/sv/svliste.nsf/a/W364239!OpenDocument
    und zwar am LG für Zivilrechtssachen in Graz
    gemäß dem Verfahren nach BGBl. Nr. 137/1975 § 4a. (1) .

    Es erfolgte also die Zulassung bzw. Zertifizierung durch eine Kommission, der ein Richter (der auch einem anderen Gerichtssprengel angehören kann) vorsteht und aus zumindest zwei Fachleuten.
    Tja, interessant wäre nun: Wer waren im Fall Schweiger dieser Richter und die Fachleute ?
    Eigentlich müsste das LG für Zivilrechtssachen in Graz darüber Auskunft geben. Das Ergebnis würde mich interessieren!

  7. wer hat schweiger als gerichtsgutachter für diesen prozess bestellt? wie erfolgt die auswahl? und wie kommen solche geistige nullen, die zudem die dafür erforderliche ausbildung gar nicht haben, überhaupt auf die gerichtsgutachterliste?
    ps: sorry … wurde wahrscheinlich schon irgendwann berichtet, ist aber bei mir durch die fülle der skandale untergegangen.

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