17. November 2024

Wieviel Tierschutz steckt im “Tierschutz”volksbegehren?

Mit dem sogenannten “Tierschutz”volksbegehren habe ich mich in diesem Blog schon mehrmals befasst, siehe https://martinballuch.com/category/tierschutz/volksbegehren/. Jetzt ist es vorbei. Es hat mit 416.000 Unterschriften 6,5 % der momentan 6.396.812 Wahlberechtigten angesprochen. Das echte Tierschutzvolksbegehren von 1996 bekam 460.000 Stimmen von 8 % der damals 5.768.099 Wahlberechtigten. In 25 Jahren sind also 1,5 % der Unterstützer:innen abhanden gekommen. Man würde doch das Gegenteil erwarten, dass heute viel mehr Menschen für den Tierschutz sind. Wieso also diese retro Entwicklung?

Ein Unterschied fällt ins Auge: während das Tierschutzvolksbegehren von 1996 vier ganz konkrete Forderungen für alle Tiere hatte (Bundestierschutzgesetz, Tierschutz als Staatsziel im Verfassungsrang, eine Tieranwaltschaft und staatliche Förderung von Tierschutzorganisationen), liest sich das beim aktuellen Volksbegehren denkbar unkonkret: “[Wir] fordern (verfassungs-)gesetzliche Änderungen vom Bundesgesetzgeber. Diese sollen heimische BäuerInnen [und nicht etwa Tiere] stärken und sich positiv auf die Gesundheit [der Menschen und nicht der Tiere], Umwelt und Klima und auf die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder auswirken.”

Einen wesentlichen Unterschied gabs noch: 1996 haben alle Tierschutzorganisationen gemeinsam für das Tierschutzvolksbegehren geworben, 2021 war das Ganze eine One-Man-Show von und mit einem Herrn Bohrn-Mena.

Vor einigen Jahren sah sich dieser alleinige Sprecher und Chef des Tierschutzvolksbegehrens noch als politischer Fürsprecher des Veganismus und warb damit – auch durch Brandreden am Veganen Sommerfest – für Vorzugsstimmen in seinem Wahlkampf im Rahmen der SPÖ für das Rathaus:

Genau, von diesen Wendehälsen und Dampfplauderern haben wir genug in der Politik, die ihre Überzeugungen verleugnen. Es lacht sich tot, wer Bohrn-Mena heute reden hört. So macht er mit dem “Tierschutz”volksbegehren Werbung für konventionelle Tierprodukte ohne jede Verbesserung in der Tierhaltung. Dazu wurde er von der Zeitschrift Landwirt befragt:

Die Antwort:

Der mutige Fürsprecher für Veganismus ist plötzlich nicht mehr gegen Fleischkonsum. Und fordert nicht einmal – als alleiniger Sprecher eines “Tierschutz”volksbegehrens -, dass die Tiere freundlich behandelt werden.

Apropos töten von Tieren. Auch da hat Bohrn-Mena früher klare Worte der Verurteilung gefunden:

Das Töten von Tieren ist also unmoralisch, laut Bohrn-Mena. Folglich:

Im aktuellen NEWS sagt derselbe Bohrn-Mena im Interview:

Am 16. Jänner 2021 gibt Bohrn-Mena schließlich dem Landwirt ein ausführliches Interview unter dem Titel “Wir fordern nicht, dass die Tiere zu Tode gestreichelt werden” über sein Volksbegehren. Darin zählt er die Forderungen des “Tierschutz”volksbegehrens auf:

Also, kein gentechnisch verändertes Soja aus Übersee als Schweinefutter, kein Glyphosat (ein Pflanzenschutzmittel), keine Importe lebender Tiere aus dem Ausland (die Exporte lebender Tiere aus Österreich sind offenbar irrelevant), 100 % AMA (die keine Kriterien für verbesserte Tierhaltung fordert) und Transparenz woher das Tierprodukt stammt. Nichts davon hat irgendetwas mit Tierschutz zu tun, außer vielleicht die Lebendimporte, obwohl die Lebendexporte von Tieren das viel größere Tiertransportproblem sind. Was wird hier eigentlich gespielt?

Die verwirrte Landwirt-Redakteurin fragt nun explizit nach. Steht das Verbot des Vollspaltenbodens in der Schweinehaltung nicht irgendwo als Forderung in den Beilagen des Volksbegehrens dabei?

In einem Leserbrief wiederholt er diesen Standpunkt:

Also: keine (sofortige) Abschaffung des Vollspaltenbodens in der Schweinehaltung. Was heißt sofort? Vermutlich, was die Tierschutz-NGOs, von denen sich Bohrn-Mena distanziert, fordern: maximal 5-10 Jahre Übergangsfrist. 10 Jahre! Nein, weil das die Arbeit der Bauern erschwere. Man schaue dazu dem obigen Schwein auf Vollspaltenboden ins Gesicht. Tut mir leid, wir können nichts für Dich tun, weil das die Arbeit der Bauern erschwert. Sagt der alleinige Sprecher des Tierschutzvolksbegehrens!

Apropos Distanzierung von Tierschutz-NGOs. Bohrn-Mena sagt hier, er distanziert sich von allen Tierschutz-NGOs. Also nicht etwa nur von den radikalen, sondern von allen. Ob Tierschutzverein gegen Tierversuche, für Katzenkastration oder zum Schutz von Wildtieren. Von allen diesen Tierschutzorganisationen distanziert sich das – man höre und staune! – “Tierschutz”volksbegehren, weil es deren Ideologie – also den Tierschutzstandpunkt! – nicht teile. An anderer Stelle in einem Leserbrief schreibt Bohrn-Mena dazu, das “Tierschutz”volksbegehren ist in Sachen Tierschutz neutral. Wieso heißt es eigentlich dann “Tierschutz”volksbegehren?

Im Interview mit der Zeitschrift Landwirt sagt Bohrn-Mena das noch einmal ganz deutlich:

Ganz langsam zum Mitdenken: Das “Tierschutz”volksbegehren ist keine Bewegung von Tierschützern. Er selbst ist also keiner.

Und das beweist er mit einer Aussage, die wirklich den sprichwörtlichen Vogel abschießt: in Österreich gäbe es keine Massentierhaltung. Der Landwirt fragt nach.

Das “Tierschutz”volksbegehren ist also der Ansicht, dass es keine Massentierhaltung in Österreich gibt. Was ist dann das:

64.000 Schweine, in der Südsteiermark.

Oder das:

Oder das:

Schweinefabriken in Niederösterreich. Oder das:

Masthühnerfabrik mit 100.000 Tieren. Alles keine Massentierhaltung, sondern nur kleinbäuerliche Idylle?

Führt man sich diese Zitate vor Augen, fragt man sich eher, wieso 6,5 % der Wahlberechtigten das überhaupt unterschrieben haben. Die Antwort ist klar: sie wurden durch den Namen “Tierschutz”volksbegehren getäuscht und betrogen.

Meine Mutter wollte gegen Ende der Eintragungswoche von mir wissen, wie sie unterschreiben kann. Ich fragte nach, was sie meinte, dass dieses Volksbegehren eigentlich fordert. Warum will sie unterschreiben? Sie antwortete, na dass es gegen die Massentierhaltung ginge. Weit gefehlt. Ich musste sie aufklären, dass der alleinige Sprecher dieses Volksbegehrens der Ansicht ist, dass es gar keine Massentierhaltung gibt. Sie war sprachlos.

Und genauso sprachlos wären vermutlich 99,9 % derjenigen, die das unterschrieben haben. Man darf sich eben nicht auf ein Wort verlassen, weil das kann leicht missbraucht werden. Vor allem von so rückgratlosen Wendehälsen und Dampfplauderern, die in einer Pressekonferenz ankündigen, als Abgeordnete jede Tierfabrik schließen zu wollen, um als Sprecher eines “Tierschutz”volksbegehrens zu sagen, sie wollen keine einzige Tierfabrik schließen, und abgesehen davon: es gibt ja gar keine.

4 Gedanken zu “Wieviel Tierschutz steckt im “Tierschutz”volksbegehren?

  1. Alle Tierschützer kommen sich vor wie die “ritterlichen Adeligen”, die alles nur gut und schön meinen…
    Habe noch keinen mit Charakter kennengelernt – und wenn sie einmal in der Politik sind (egal welche Farbe) geht es nicht mehr ums Wesentliche!

    1. Hallo Ritterderkokusnuss,

      Sie kennen also “alle Tierschützer”? Oder geht Ihnen einfach nur die (wie ich meine: berechtigte) Kritik seitens der Tierschützer:innen auf die Nerven, z.B. ärgern Sie sich über die sehr guten Argumente gegen den Fleischkonsum. Da bekommt man das Gefühl, man wird abgewertet, nicht, insbesondere weil man gegen Vieles keine Argumente nennen kann. Z.B. ist es ja wirklich seltsam, dass einen Hund zu essen total unmoralisch sein soll, aber ein Schwein ist kein Problem. Oder: wie kann man Tiere achten und gleichzeitig wegen etwas so absurd Irrelevantem wie einem Geschmackserlebnis schlachten.

      Ich denke Ihre Animosität gegen “alle Tierschützer” rührt daher. Habe ich recht?

  2. Danke für diese Aufklärung! Diese sagenhaften Zitate von Bohrn-Mena kannte ich gar nicht. Skandalös! Ich habe auch unterschrieben, ganz am Anfang, da wusste ich natürlich noch nicht dass sich das Ganze so übel entwickeln wird. Das Schlimmste daran ist aber sicher dass seriösen Tierschutzorganisationen dadurch Spenden entgangen sind. Sehr sehr traurig.

  3. Vielen Dank für diese Infos – Anwelchen Orten genau sind diese auf den Fotos abgebildeten Massentierhaltungen? Vielen Dank.
    Ich habe übrigens nicht nur unterschrieben, sondern in meinem Umfeld – zum Teil erfolgreich – auch dafür geworben.
    Wo kann ich mich wie besser engagieren?

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