29. März 2024

Wissenschaftlich bestätigt: Menschen, die Tiere als minderwertig betrachten, tendieren zu Rassismus

Kürzlich wurde ich von einer Zeitschrift über meine Haltung zu Tierschutz und Tierrechten interviewt. U.a. wurde ich gefragt, was es den Menschen und ihrer Gesellschaft für einen Vorteil brächte, auf nichtmenschliche Tiere Rücksicht zu nehmen.

Gordon Hodson ist Professor für Psychologie an der Brock Universität in Ontario, Kanada. Er beschäftigt sich in seiner wissenschaftlichen Forschung mit der Frage nach den Ursachen von Ausgrenzung und Rassismus gegenüber Minderheiten und hat dazu vielfach publiziert, u.a. durch sein Buch „Advances in intergroup Contact“, durch mehrere Arbeiten im British Journal of Social Psychology und durch einen Artikel im New Scientist vom 15. Dezember 2012, Seite 34.

Ausgrenzung und Rassismus gegenüber Minderheiten, so Hodson, basiert auf der Entmenschlichung dieser Gruppierungen und ist eng mit einer Abgrenzung und Entwertung von nichtmenschlichen Tieren verbunden. Hodson fand dabei 2 Thesen bestätigt, die er das „interspecies model of prejudice“ (das zwischenartliche Vorurteils-Modell) nennt:

  • Die Wahrnehmung einer großen Kluft zwischen Menschen und anderen Tieren fördert auch Vorurteile gegenüber menschlichen „outgroups“, also Ausgegrenzten und Minderheiten
  • Die Erklärung für diese Wirkung liegt in der Entmenschlichung der „outgroups“, die wiederum durch die Abwertung nichtmenschlicher Tiere im Vergleich zu Menschen direkt bewirkt wird

Hodson und sein Team von WissenschaftlerInnen untersuchte z.B. eine Gruppe weißer kanadischer Kinder im Alter von 6-10 Jahren, denen Bilder von Menschen verschiedener Hautfarbe und von verschiedenen Tieren gezeigt wurden. Die Kinder mussten dann den Wesen auf den Bildern verschiedene Attribute zuordnen, darunter als typisch menschlich eingestufte Emotionen wie Sympathie, Liebe, Peinlichkeit oder Schuldgefühl, sowie nicht menschenspezifische wie Freude, Aufregung, Trauer oder Angst. Weiters sollten die Kinder Zuordnungen bzgl. Eigenschaften von Persönlichkeit treffen, darunter wiederum typisch menschliche wie Neugier, Kreativität, Sorglosigkeit oder Unordentlichkeit, sowie nicht menschenspezifische wie Nervosität, Gelassenheit, Freundlichkeit oder Bösartigkeit. Zusätzlich wurde auf verschiedene Weise die Einstellung der Kinder sowohl zur Frage der Kluft zwischen Menschen und anderen Tieren als auch zur Frage der Höherwertigkeit der Menschen gegenüber anderen Tieren ausgelotet.

Das Ergebnis, so Hodson, war der erste direkte Nachweis eines Zusammenhangs zwischen der Einstellung zu Tieren und Rassismus: jene Kinder, die am stärksten den Unterschied und die Höherwertigkeit der Menschen gegenüber anderen Tieren betonten, zeigten gleichzeitig den höchsten Grad an Entmenschlichung von Menschen mit schwarzer Hautfarbe, d.h. sie ordneten diesen Menschen tendenziell weniger menschliche und mehr „tierische“ Attribute zu, und das wiederum führte zu größeren Vorurteilen gegenüber diesen Menschen.

Anschließend wurden die Eltern dieser Kinder in entsprechend abgeänderte Tests einbezogen, wobei sich die Ergebnisse bestätigten. Eltern, die eine natürliche Hierarchie und Ungleichheit unter Menschen guthießen, hatten Kinder, denen die Unterschiede zwischen Menschen und anderen Tieren als unüberwindlich große Kluft erschien und die von der absoluten Höherwertigkeit von Menschen ausgingen.

Aus mehreren solcher Studien zusammen ließ sich schließen, dass die Korrelation zwischen der Annahme einer großen Mensch-Tier Kluft und Vorurteilen gegenüber Minderheiten mindestens so groß ist, wie andere bisher gefundene Korrelationen, die Vorurteile bedingen, wie z.B. Angst vor der Minderheit. Entmenschlichung von Minderheiten sei nur möglich, so Hodson, wenn man von einer inhärenten Minderwertigkeit nichtmenschlicher Tiere ausgeht.

Darüber hinaus wurde in verschiedenen Experimenten versucht, vorhandene Vorurteile gegenüber Minderheiten abzubauen. Dabei zeigte sich, dass die Aufwertung nichtmenschlicher Tiere im Vergleich zu Menschen, d.h. die Demonstration, wie menschenähnlich Tiere sind, tatsächlich diesen Effekt hatte. Vorurteile konnten dadurch verringert und die moralische Anteilnahme am Schicksal ausgegrenzter Menschengruppen erhöht werden. Umgekehrt aber, durch die Betonung der Ähnlichkeit von Menschen zu anderen Tieren, also durch die „Abwertung“ der Menschheit in den Augen dieser ProbandInnen, wurde keine Änderung in der Einstellung zu Minderheiten erzielt.

Siehe: http://www.psychologytoday.com/blog/without-prejudice/201206/does-the-human-animal-divide-contribute-prejudices-against-humans

6 Gedanken zu “Wissenschaftlich bestätigt: Menschen, die Tiere als minderwertig betrachten, tendieren zu Rassismus

  1. Woran die Menschheit, mit ihr “Nutz”Tier und Natur, am meisten leidet trotz `heile Welt´ ist ein kollosales Defizit an Liebe, die Respekt, Wertschätzung, Höflichkeit, Verständnins, Toleranz, Verzeihen, Mitfreude in vielen kleinen, wesentlichen Momenten miteinbezieht. Aus dem Defizit der Liebe schwelt unberechtigte kollektive Minderwertigkeit, die mit ängstlichen geistigen Klauen abgeschoben werden muss, Kampf und Protz ansagt, je aufgeplusteter desto ängstlicher, mit der ständigen Frage, wer ist `gut´ genug?, das führt zur dezentralen, nichtautonomen hypnotischen Abhängigkeit unter Kindern wie unter Erwachsenen, die durch Sündenbocksydrom, Vorteilssuche nebst Kritiksucht aus Angst bzw. Bedürftigkeit, chronischer subtiler oder offener Abwertung anderer, die nicht sofort das ins selbstdefizitäre Schema geben was gebraucht wird, auszugleichen versuchen, was wiederum umso mehr Liebe und Autonomie erfordert, um die Stärken und die Einzigartigkeit jedes Einzelnen deutlich zu machen, zu heben und zu fördern.
    Das tut die Politik für sich und ihr Volk nicht und nicht die herrschenden Industrien, Menschen dahinter und deren Medienhyänen, die derselben hypnotischen Minderwertigkeit unterliegen. Selbst diese kleben dezentriert an Symptombekämpfungen, mit List und Ellbogentechnik, übervorteilen, treten statt helfen, anstatt die Ursachen anzusehen und daraus für sich selbst und andere, heilend und aufbauend zu handeln. Jeder Einzelne kann etwas in Liebe bewirken, in kleinen `großen´ Momenten.

    Ich komme immer wieder darauf zurück, dass im Leben
    die tiefste Ursache des global defizitären Gerangels
    neu verstanden werden muss: das zentrale Lebenwollen und damit
    die urgrundtiefe Angst vor dem (unverstandenen) Tod, der seit Urzeiten abschreckend, fürchterlich und unangeschaut ist, tabuisiert zum Jugendwahn drängt, was an sich okay ist, wenn die Abwertung, das große Missverstehen der anderen Seite der Skala, nicht so extrem wäre.
    Gleichzeitig mit diesem Nichtverstehen sind uns täglich Leichen (anderer) präsent, verbal und real, Elend, Kriege, Lügen, Sündenböcke, massé, zerstörerisch, industriell ausbeutend, mordend. Die Panik auf der Titanik fördert keinen Edelmut geschweige denn Höflichkeit.

    Ich komme immer wieder darauf zurück, dass wir, der Mensch,
    jeder Einzelne für sich, eine einmalige Chance haben, die vor uns keine andere bekannte Lebensart seit Bestehen der Erde je hatte: Das Neuverstehen des Raumes und die zentrale Rolle des Bewusstseins darin. Eine Umkehr der Gewichtung von Materie und Geist hat in der Wissenschaft längst stattgefunden. Einmal wurde eine Brücke zwischen beiden gesucht, aber es hat nie einen Abgrund bzw. eine Trennung gegeben. Die Angst vor dem Tod ist gleichzustellen mit dem Unverständinis des Raumes und der zentralen Bedeutung des Geistes darin.

    Hier gibt es eine gute Nachricht: Mehr Tierwohl
    http://www.topagrar.com/news/Schwein-News-Schwein-Mehr-Tierwohl-nur-mit-Unterstuetzung-von-Handel-und-Verbrauchern-1033581.html

  2. Danke für die Zusammenfassung der Studie – die ja schon eigentlich ein sozialpädagogisches Programm nahelegt.
    Kennen Sie die “Carnism Awareness” Initiative und das Buch von melanie Joy: “Why we love dogs, eat pigs and wear cows?” Wenn ja, würde mich Ihre Meinung dazu sehr interessieren.

  3. Quod erat demonstrandum! als ob wir es nicht immer geahnt hätten … nur bitte:
    “Pro*b*andInnen”, caro dottore, kommt von lat. “probare”, prüfen, billigen … doch nicht etwa vergessen?

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