28. März 2024

Zu Chris Mosers Buch „Die Kunst Widerstand zu leisten“

 

Ein neues Buch zum Tierschutzprozess ist erschienen, eine Art Biografie eines der Angeklagten, nämlich des Künstlers Chris Moser aus Tirol. Frisch aus der Druckerpresse konnte ich es gleich lesen und war sehr beeindruckt.

Chris Moser präsentiert sich selbst auf der Webseite www.radikalkunst.net. In den ersten 60 Seiten seines Buches beschreibt er seinen Werdegang und hält dabei nicht hinter den Berg, wie er auch aufgrund seiner Graffiti-Aktionen mit dem Strafgesetz und der Polizei in Konflikt kam. Erfrischend offen und ehrlich schildert er, wie weit er sich mit seiner Kunst und seinem politischen Aktivismus hinausgelehnt hat. Doch nichts davon ließ ihn auch nur im Entferntesten vermuten, was auf ihn als Kampagnenleiter für Tirol des VGT zukommen sollte, im Rahmen der Tierschutzcausa.

Erst 2001 kommt Moser mit der Tierrechtsbewegung in Kontakt, indem er am Kunstsymposium „Tier als Subjekt“ im Burgenland teilnimmt, im Übrigen eine im Strafantrag nach §278a inkriminierte Veranstaltung. In guter alter österreichischer Tradition (die 1968er Bewegung in Österreich wurde wesentlich von KünstlerInnen und Kunstaktionismus getragen) ist und bleibt Moser hauptsächlich im Rahmen seiner Kunstprojekte, Malereien und vor allem Skulpturen politisch aktiv. Zusätzlich geht er auf Demos gegen Rassismus, gegen die Globalisierung und gegen die Jagd. Proteste gegen Pelz organisiert er selbst. Zu der Tierrechtsszene außerhalb Tirols hat er nur losen Kontakt, Wien erschreckt ihn, der mit seiner Familie in einem uralten Tiroler Bergbauernhaus wohnt, als Großstadt zutiefst. Diese Aspekte seiner Erzählung berühren und amüsieren.

Doch dann kommt alles ganz anders. Am 21. Mai 2008 wird er, wie gut 40 andere TierrechtlerInnen zeitgleich in ganz Österreich, von der Polizei zu Hause überfallen und als einer von zehn Personen in ein Gefängnis überstellt. Moser schildert diese für ihn besonders dramatische Aktion – es waren auch seine kleinen Kinder anwesend! – und seine anschließende 3-monatige U-Haft in großem Detail. Von jedem Tag kann man nachlesen was er tat, wie es ihm ging und wie mit ihm umgegangen wurde. Nichts scheint Moser auszulassen, auch für Außenstehende wird es so anschaulich möglich, die gesamte Haftzeit sozusagen live mitzuerleben. Dieser zentrale Teil des Buches zeigt den Autor in seiner persönlichen Verzweiflung, von seiner Familie, seinen 3 Kindern und seiner Frau, mit Gewalt getrennt, nicht nur durch Gefängnismauern sondern auch durch 500 km Distanz. Das vorher noch politische Buch wird hier sehr privat.

Als Mitbetroffener dieser U-Haft muss ich allerdings sagen, dass der Umgang der Behörden mit Moser laut seiner Schilderung wesentlich freundlicher war als mit mir. Er konnte in einer Musikband im Gefängnis spielen, eine Bastelgruppe besuchen, bekam eine Gitarre in den Gefängnisraum und konnte noch am Tag seines Antrags auf eine Einzelzelle in eine ebensolche umziehen. Ebenso durfte er in Fitnessräumen trainieren und hatte mit den gefangenen Hausarbeitern und den Wärtern der Justizanstalt nur freundliche Kontakte. Alle meine diesbezüglichen Anträge wurden abgelehnt, sogar für eine Gitarre in der Zelle hatte ich ein Antragsformular unterschrieben, und die Freundlichkeit von  Hausarbeitern und Wärtern erlebte ich auch anders. Ob dieser Unterschied daher stammt, dass Moser die gesamte Zeit in Wr. Neustadt im Gefängnis war, während ich im viel größeren und unpersönlicheren Landesgericht in Wien gehalten wurde, oder ob es damit zusammenhängt, dass ich durch meinen passiven Widerstand, durch meinen Hungerstreik und meine permanente Medienarbeit das System herausgefordert habe, während Moser die Gefangenschaft möglichst angepasst verbrachte, bleibt offen.

Nach seiner für uns alle überraschenden Entlassung kann er nach Tirol zu seiner Familie zurückkehren. Gleich bereitet er einen Gefängniskoffer vor, den er im Vorraum platziert, damit er, sollte er wieder eingesperrt werden, alle notwendigen Dinge sofort griffbereit hat. Doch nichts dergleichen geschieht. Allerdings erhält er im Verlauf der nächsten Jahre polizeiliche Abschlussberichte und einen Strafantrag. Moser zitiert in seinem Buch die wesentlichen Stellen dieser Dokumente vollständig. Das ist möglich, weil die Vorwürfe gegen ihn überschaubar bleiben. So kann er aber deren völlige Absurdität entlarven. Tatsächlich gab es ja eine Selbstanzeige einer Aktivistin aus Linz, die Wort für Wort die Anklage gegen ihn für sich übertrug und bestätigte, alle ihm vorgeworfenen „Tathandlungen“ ebenfalls begangen zu haben. Die Ermittlungen gegen sie wurden aber eingestellt. Moser dagegen musste ab März 2010 für 14 Monate auf die Anklagebank.

Anschaulich schildert er in seinem Buch, wie seine Familie diese Zeit über nur durch Spenden ernährt werden kann. Er selbst sitzt Woche für Woche 30 Stunden im Zug, um zu den Prozesstagen von Tirol nach Wr. Neustadt und zurück zu pilgern. Auch die Verhandlung wird von ihm sehr detailgetreu geschildert, man erkennt rasch, dass praktisch kein einziges der dort behandelten Themen irgendetwas mit ihm zu tun hat. Die Absurdität der Tierschutzcausa wird an Mosers Fall besonders deutlich. Das mit vielen vom Autor während seiner Haft und während des Prozesses gemalten Bildern garnierte Buch ist ein wichtiges Dokument über den Zustand des Rechtsstaates in Österreich und über die politische Verfolgung einer politisch engagierten Kunst.

Das Buch ist im Kyrene-Verlag erschienen, hat 400 Seiten und kostet € 15,90, siehe: http://www.martinkolozs.at/kyrene-lv/aktuell.php

2 Gedanken zu “Zu Chris Mosers Buch „Die Kunst Widerstand zu leisten“

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