22. November 2024

Eine Fachtagung des Grünen Kreuzes über Jagdethik: Stainz am 12. 11. 2015

Das Grüne Kreuz hat beim Tierschutz nicht den besten Ruf. Obwohl es zwar Jäger und Jägerinnen gibt, denen Tierschutz tatsächlich ein Anliegen zu sein scheint, und die ihren Jagdspaß nicht über den Tierschutz und den Erhalt des Ökosystems stellen, so findet man diese mehrheitlich nicht in dieser Organisation. Vielmehr hat gerade das Grüne Kreuz den Ruf, den radikalen JägerInnen ohne Reformbereitschaft das Wort zu reden. Die längste Tierschutzdemonstrationstradition richtet sich auch gegen eine Veranstaltung des Grünen Kreuzes, nämlich den alljährlichen Jägerball in der Hofburg. Seit den frühen 1980er Jahren wird dort jedes Jahr auf die Missstände in der Jagd aufmerksam gemacht.

Doch am 12. November 2015 lud das Grüne Kreuz ins Schloss Stainz in der Steiermark zu einer Tagung über Jagdethik, bei der die Jagd auf Zuchttiere ein zentrales Thema war. Und die Liste der Vortragenden bewies einigen Mut, war doch davon auszugehen, dass hier vor allem an der klassischen Jagdpraxis hoher Wildbestände Kritik geäußert werde. Und so war es dann auch. Ein Paradigmenwechsel in der Jagd ist in Sicht.

Den Reigen eröffnete Herwig Grimm vom Messerli-Institut in Wien, der selbst kein Jäger ist, aber als Tierethiker eingeladen worden war. Er führte recht unverblümt in die Tierrechtsphilosophie ein und betonte den Wandel des Tierbilds in der Gesellschaft, das maßgeblich auf der gemeinsamen Leidensfähigkeit von Mensch und Tier basierend deren Ähnlichkeit unterstreicht. Zwar gehen für Grimm manche Schlussfolgerungen der Tierrechtsphilosophie zu weit, doch sei es Konsens, dass sich ein guter Charakter darin offenbare, die eigene Macht gegenüber den Schwachen, die einem ausgeliefert sind, zurück zu nehmen. Die Jagd heute sei eher Herrschaft statt Partnerschaft und müsse daher grundsätzlich umdenken.

Rudolf Winkelmayer sprach von der ethischen Rechtfertigung der Jagd, die gar nicht so einfach sei. „Das Töten ausgesetzter Tiere und das Abschießen von Tieren im Gatter ist nicht Jagd“, betonte er gleich zu Anfang. Derzeit sei die Jagd maximale Naturnutzung durch Fütterung, Raubtierbekämpfung, Selektion nach Trophäen, sowie dem Aussetzen von Zuchttieren und der Gatterjagd. Dem müsse die Jagd als Wildtiermanagement nach ökologischen und tierethischen Kriterien gegenübergestellt werden. Dabei ist für Winkelmayer das Jagdgesetz im deutschen Bundesland Baden-Württemberg Vorbild, in dem das Töten nur aus einem vernünftigen Grund zulässig sei. In § 2 dieses Gesetzes wird festgehalten, dass die Ansprüche des Tierschutzes bei der Jagd immer zu berücksichtigen sind, und § 8 setzt weidgerecht mit tierschutzgerecht gleich. Für Österreich wäre das revolutionär. Deshalb endete Winkelmayer seinen Vortrag mit dem Plädoyer, dass sich die Jagd mit dem Tierschutzgesetz einverstanden erklären und daran halten müsse. Momentan ist die Jagd ja vom Tierschutzrecht ausgenommen. Die Ultima Ratio Jagd wäre die einzige, die ethisch vertretbar ist, und diese ist definiert als die tierschonendste Tötung lediglich jener Wildtiere, die ihre Anzahl im Rahmen des Ökosystems nicht selbst regulieren können.

Anschließend sprach Sven Herzog vom Institut für Wildbiologie der Uni Dresden in Deutschland über die gesellschaftlichen Streitfragen zur Jagd im Nachbarland. Es gäbe momentan grundsätzliche Veränderungen, einen Paradigmenwechsel, beispielgebend dafür ist das neue Wildtiermanagement in Baden-Württemberg. Faktum sei, dass 80 % der Treibjagden Tierquälerei sind, und eigentlich nach dem Tierschutzgesetz verboten wären. Das Reviersystem würde zu einem Imageproblem der Jagd führen, weil diese dadurch elitär wirke und keine Volksjagd werden könne.

Friedrich Völkl von den Österreichischen Bundesforsten betonte gleich, dass sein Arbeitgeber als größter Jagdanbieter Österreichs mit 850.000 ha Jagdfläche grundsätzlich keine Gatterabschüsse und kein Schießen auf ausgesetztes Wild verkaufen würde. Jagdethische Probleme sehe er bei der Sicht der Jagd als sportlichen Wettbewerb, beim Jagdneid und Revieregoismus, bei der Unduldsamkeit gegenüber Raubtieren als Konkurrenten und bei der Geringschätzung trophäenlosen Wildes. Man arbeite daran, die hohen Wildschäden im Wald von fast 50 % Flächen ohne ausreichende Verjüngung durch die großen Wilddichten aufgrund von Fütterungen zu reduzieren.

Im Kanton Genf in der Schweiz gibt es seit 1974 keine Jagd mehr, sie wurde durch einen Volksentscheid verboten. Gottlieb Dandliker sprach als Faunainspektor dieser Region. Von allen Wildtieren müssten momentan nur Wildschweine in der Anzahl reduziert werden, und das geschehe im Einverständnis mit den TierschützerInnen und gegen den Willen der JägerInnen auf eine typisch nicht-weidgerechte, aber tierschonendste Art, nämlich in der Nacht mit Restlichtverstärker und Schalldämpfer bei einzelnen Tieren. In Zukunft könnten Luchs und Wolf da Hilfestellung bieten. Dandliker selbst ist kein Jäger, er hat keinen Jagdschein. Er leitet nur die Populationskontrolle im Sinne eines Managements nach messbaren Kriterien der Naturschadenslimitierung. In seinen Augen ist das Projekt Jagdverbot im Kanton Genf jedenfalls eine Erfolgsgeschichte, nicht nur für den Tierschutz, sondern auch finanziell. So rechnete er vor, dass die Kosten für den Kanton geringer sind, als wenn die Jagd gegen Geld verpachtet werden würde.

Die steirische Tierschutzombudsfrau Barbara Fiala-Köck begann ihre Präsentation mit Tierschutzforderungen nach einem Verbot der Jagd auf Zuchttiere, das sie nicht nur selbst voll inhaltlich unterstützte, sondern auch der anwesenden Jägerschaft als Ziel nahelegte. Tötung sei nach gängigem Tierschutzverständnis in der Bevölkerung nur bei Vorliegen eines vernünftigen Grundes erlaubt. Sie bat die Zuhörerschaft entsprechend, keine Hunde und Katzen mehr zu schießen. Ihrer Ansicht nach sind darüber hinaus Treibjagden im Gatter eindeutig strafrechtliche Tierquälerei. Und das betonte sie als ehemalige langjährige Amtstierärztin. Bei Drückjagden gebe es nur 25-35 % Blattschüsse. Eine Jagd nach dem 21. Dezember sei aus Tierschutzsicht nicht vertretbar. Zusätzlich kritisierte sie die Baujagd und die Jagdhundeausbildung an der lebenden Ente. Das Aussetzen von Zuchtfederwild sei abzulehnen, bei Treibjagden würden 90 % der geschossenen Zuchtfasane in der Tierkörperverwertung landen.

Karoline Schmidt ist für ihre kritischen Beiträge zur Wildtier- und insbesondere Winterfütterung bekannt. Das Füttern würde die Wintersterblichkeit aufheben und die Wildtiere daher zu Haustieren machen, deren Fortpflanzung und evolutionäre Entwicklung nur noch vom Menschen bestimmt wird. Das verenge die genetische Vielfalt dramatisch. Es werde auf lenkbares Wild mit großen Trophäen selektiert, jene Tiere, die die Fütterungen meiden, könnten sich weniger gut fortpflanzen. Die JägerInnen würden kritischen TierschützerInnen antworten, der Tod sei doch natürlich und daher die Jagd kein Problem. Doch bezeichnen dieselben JägerInnen den Wintertod bei Nahrungsmangel oder den Tod durch Raubtiere als fürchterlich und verhindern ihn. Ist der Tod doch nicht natürlich? Das Wintergatter diene in Wahrheit dazu, den kapitalen Hirsch direkt nach der Brunft hinein zu locken und so dessen Abschuss durch den Nachbarjäger zu verhindern.

Zuletzt sprach Miroslav Vodansky vom Mitteleuropäischen Institut für Wildtierökologie. Er hielt ein Plädoyer gegen die Jagd auf gezüchtete Tiere am Beispiel der Jagden in Tschechien und sagte wörtlich: „Die Jagd auf in Volieren künstlich aufgezogene Vögel ist mit Jagd nicht vereinbar“. Ein einziger Forstbetrieb in Südmähren würde 260.000 Fasane jedes Jahr aussetzen und zum Abschuss verkaufen. Wenn man bei den Volieren lediglich die Abdeckung entfernt, wie das allgemeine Praxis ist, könne man nicht von Auswildern sprechen. Es sei sehr wichtig für die Jägerschaft sich von diesen Praktiken zu trennen. Auch die Jagd auf im Zuchtgatter aufgezogene Tiere habe nichts mit einer zeitgemäßen Jagd gemeinsam. In der Slowakei gebe es Zuchtstationen für kapitale Hirsche unter Laborbedingungen, inklusive Spermien- und Embryotransport. „Es ist notwendig, sich von den Auswüchsen der Trophäenjagd kompromisslos zu distanzieren.“ Auch die ganzjährige Fütterung sowie die exzessive Winterfütterung seien mit der modernen Sicht der Jagd nicht vereinbar.

Zusammenfassend war diese Fachtagung überraschend kritisch. Bedenkt man, wie sehr die Führungsetage in der Jagd in die Gatterjagd und die Treibjagd auf Zuchtfederwild verstrickt ist, wundert nicht, dass niemand dieser Personen bei diesem Event anwesend war. Wollte man, dass der kritische Teil der Jägerschaft einmal nur Dampf ablässt, sodass danach wieder zum Alltag übergegangen werden kann? Dennoch ist der bleibende Eindruck für mich der eines echten Paradigmenwechsels. Im Rahmen unserer Kampagne gegen die Jagd auf Zuchttiere haben sich so viele JägerInnen als InformantInnen oder sogar UnterstützerInnen gemeldet, wie ich das nie für möglich gehalten hätte. Auch auf dieser Jagd-Fachtagung wurde ich sehr freundlich angesprochen und man signalisierte mir viel Verständnis. Vielleicht bricht jetzt wirklich ein neues Zeitalter in der Jagd an.

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