25. November 2024

Wenn ein Stier einen Torero tötet

Vorgesehen ist das offenbar nicht als möglicher Ausgang dieses lächerlich machohaften, tierquälerischen Spektakels, dass der Stier einmal den Torero tötet, statt umgekehrt. Warum sonst die Aufregung? Rasch wird nicht nur der „Mörder“, wie man den Stier in den spanischen Medien nennt, umgebracht, sondern auch seine Mutter, damit nicht weitere „Mörder“ geboren werden. So hart sind die Herren und Damen Toreros dann offenbar doch nicht.

Aber nicht nur das. Zwar zeigen die StierkampfbefürworterInnen große „Kreativität“, wenn es um das Verhöhnen sensibler Menschen geht, die mit den Stieren mitfühlen, aber wenn einer von ihnen stirbt, dann soll man offenbar trauern. Wer nicht trauert, wer dem Stier seine Solidarität ausdrückt, den will man gerichtlich verfolgen, siehe z.B. https://stierkampffueralle.blogspot.co.at/2016/07/sollen-diejenigen-die-den-tod-des.html.

Eine interessante Frage: Ist es die ethische Pflicht eines jeden Menschen, in Sachen Stierkampf immer auf Seite der Menschen zu sein? Gibt es den speziesistischen Imperativ, im Konfliktfall immer für den Artgenossen einzutreten, auch wenn dieser, wie im Fall des Stierkampfs, eindeutig der Angreifer und der Gewalttäter ist, noch dazu aus völlig perverser Motivation heraus? Ein seltsames Konzept. Ich bin immer für die Schwächeren, für die Angegriffenen, für die Gerechtigkeit, egal um welche Tierarten es geht. Ich habe eindeutig kein Gefühl der Artsolidarität, weder rational noch emotional. Mein Hundefreund z.B. steht mir viel näher, als andere Menschen, und ich würde im Konfliktfall immer auf seiner Seite stehen.

Vor vielen Jahren, in den Nachwehen des Kriegs am Balkan beim Zerfall Jugoslawiens, gerieten 4 österreichische Wildschweinjäger in Kroatien auf eine Tretmine und starben. Stimmt, es waren nicht die angeschossenen Wildschweine, die ihren Tod hervorgerufen hatten, aber der Vergleich zum Fall des Stierkampfs ist, dass sie gerade dabei waren, Tiere zum Spaß zu töten. Es handelte sich um zahlende Jagdtouristen. Ein Tierschützer schrieb damals eine Presseaussendung mit dem Titel „Waidmanns Heil“ und nannte es ein Glück, dass die 4 gestorben waren, weil so den Wildschweinen ein gewaltsamer Tod erspart worden sei. Diese Aussendung rief eine große Aufregung unter JournalistInnen hervor, heute würde man dazu „Shitstorm“ sagen. Man erklärte öffentlich, in Hinkunft alle Presseaussendungen dieser Person und ihres Vereins zu boykottieren, weil ihre Ansicht zu menschenverachtend wäre.

Zurück zum Stierkampf. Hier haben zahlreiche Menschen diesen Stier namens Lorenzo angegriffen und schwer verletzt. Er versuchte sich zur Wehr zu setzen. Dabei erwischte er das Bein des Toreros, warf ihn zu Boden und stach ihm, ganz offensichtlich absichtlich, sein Horn mehrmals in den Körper. Lorenzo wollte diesen Torero, den Angreifer, töten. Kann man ihm das vorwerfen? Könnte ernsthaft irgendjemand sagen, ein Stier, als dem Menschen untergeordnetes Wesen, habe sein Schicksal im Stierkampf zu tragen und dürfe sich nicht wehren? Nach Ansicht der StierkampfbefürworterInnen ist das offenbar so, wenn man deren Kommentare liest. Lorenzo tat, was ein Stier in der Arena offenbar auf keinen Fall tun dürfte.

Doch wenn wir den Vorfall neutraler betrachten, kann man da wirklich sagen, der Stier handelte irgendwie schlecht? Wären alle Menschen, die in der Arena anwesend waren, ethisch verpflichtet, den Torero vor dem Stier zu retten und diesen zur Not zu töten?

Also die Argumentation für diese Position würde ich gerne hören. Rational kann sie nicht sein. Es muss jedem Wesen zustehen, sich gegen gewalttätige Angriffe zu wehren. Und es kann niemand ethisch verpflichtet werden, ein unschuldiges Wesen, das angegriffen wurde und sich nur verteidigt, dafür zu attackieren. Selbst wenn man sich grundsätzlich nicht freuen mag, wenn irgendjemand durch Gewalt zu Tode kommt, so ist das Selbstverteidigungsrecht unumstößlich. Und etwas anderes kann man Lorenzo nicht vorwerfen. Könnte man diesen Standpunkt ernsthaft als menschenverachtend bezeichnen?

4 Gedanken zu “Wenn ein Stier einen Torero tötet

  1. Wenn ein Formel 1 Fahrer in seinen Rennwagen steigt dann muss ihm klar sein das er sterben kann. Wenn ein Torero in die Arena geht dann wird er jetzt dank Lorenzo auch wieder mehr an den möglichen Tot denken. Der Stier hat nichts anderes gemacht als sein Leben zu verteidigen. Er verdient den höchsten Respekt. Der Abschaum rund um ihn in der Arena verdient meiner Meinung nach kein Mitleid. Wäre die Möglichkeit des Todes eines Toreros nicht gegeben dann würde es ja nicht Stierkampf heißen sondern Abschlachtung unter Einbindung der Öffentlichkeit. Es ist ein Kampf. Den kann man gewinnen oder verlieren. Das liegt in der Natur der Sache. Und wie bei jedem öffentlich ausgetragenem Schaukampf kann ich von einer der Parteien Fan sein. Und das war ich. In dem Fall für den Gewinner. Wobei er ja bei dem menschlichen Abschaum leider nur Gewinner auf Zeit war. Schlechte Verlierer. Wären sie gute Verlierer dann hätte der Stier eine Siegerschleife umgehängt bekommen und hätte seine Ehrenrunde machen dürfen durch die Arena. So stolz wie sonst die Torerowitzfiguren.

  2. Auch ich kann die Aufregung um den toten Torero nicht verstehen, ein erwachsener (mündiger) Mensch quält zum Spass Lebewesen. Es zwingt Ihn niemand dazu, wenn etwas passiert, dann hat er Pech gehabt.
    Ein Thema das auch gut dazu passt, sind die tagtäglich überfahrenen Tiere, deren Leiden und Sterben ausser dem Tierschützern offenbar niemand auch nur annähernd interessiert. Aber wehe es könnten möglicherweise Menschen gefährdet sein, da werden alle Hebel in Bewegung gesetzt. Ich habe schon z.B. bei der Asfinag angrufen um das Thema der Mittelleitwände aus Beton anzusprechen, hier kann ein Igel oder Marder diese Barriere kaum überwinden, den Rückweg zu überleben ist chanchenlos. Es ist auch lt. Asfinag nicht möglich an den Strassenränder der Tiere wegen einen Schzutzaun zu errichten, für Motoradfahrer werden Leitplanken so gestaltet das ja nichts passieren kann. das nur ein kleines Beispiel um den Stellenwert unserer Mitlebenwesen dazustellen.

    1. Interessanter Ansatz. An die Tiere die nicht über die Mittelleitwände kommen hab ich auch noch nie gedacht. Das gehört dringend verbessert.

  3. Wenn so ein grausames Spektakel einmal nicht nach Drehbuch abläuft, dann gibt es gleich helle Aufregung in der Fan-Gemeinde der Stierkämpfer. Dabei ist das Risiko für den Torero ohnehin bereits auf ein Minimum reduziert: Er trägt Schutzkleidung, hat eine Menge Helfer um sich und der Stier wird vorab noch für den “Kampf” präpariert. Wahrhaft heldenhaft. Um so ein Aufeinandertreffen noch unfairer zu gestalten, könnte man den Stier z.B. enthornen oder gleich zwei Beine zusammenbinden. Der Stier verliert immer, in diesem Fall war es ein tragisches Unentschieden. Spezies hin oder her, mein Mitgefühl gehört voll und ganz der gequälten Kreatur, für den Stierquäler hält sich dieses jedenfalls in ganz engen Grenzen.

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