5. November 2024

A Wolf Called Romeo – ein Buch von Nick Jans

Wenn mich jemand nach einem Anti-Jagd Buch fragt, würde ich ihm das Buch „A Wolf Called Romeo“ nennen, von einem Mann geschrieben, der selbst jahrzehntelang gejagt hat. Der Autor ist aus Begeisterung für die Wildnis als junger Mann von der Ostküste der USA nach Alaska gezogen, hat sich als Jagdgehilfe verdungen und schließlich 20 Jahre lang in der Wildnis mit Inuits gelebt und gejagt. Er habe von Kindheit an mit der Natur immer die Jagd verbunden, schreibt er, das habe er nie hinterfragt. Doch einige Erlebnisse ließen ihn zu zweifeln beginnen. So erinnert er sich, wie er ein Wolfspaar erschossen und gehäutet hatte. Als er Tage später zum Tatort zurück kam, saß dort das ganze Rudel um sein totes Elternpaar und trauerte, ein Anblick, der ihm tief ins Herz schnitt. Ein andermal begegnete er einem Marder, der sich ihm gegenüber so vertraut verhielt. Und schließlich wachte er einmal auf einem Jagdtrip inmitten einer Karibuherde auf, die sich in der Nacht um ihn herum niedergelassen hatte. Als er sich dann in eine vegane Tierrechtlerin verliebte, errichtete er mit ihr am Rand der Hauptstadt von Alaska ein Haus mit Blick auf die Wildnis und hängte das Jagdgewehr an den Nagel.

Es war dort, direkt vor seiner Haustür, als er Romeo zum ersten Mal im Dezember 2003 sah. Ein riesiger schwarzer einsamer Wolf, gut 70 kg schwer, aber mit einer außergewöhnlichen Freundlichkeit. Schon bei der ersten Begegnung freundet sich Romeo mit der Labradorhündin Dakotah an und so hält er es dann auch mit zahlreichen anderen Hunden. Obwohl er wesentlich größer und kräftiger als die meisten dieser FreundInnen ist, und sogar manchmal angeknurrt und einmal von zwei Schäferhunden blutig gebissen wird, bleibt er immer freundlich und liebevoll.

Romeo ist ein wilder Wolf, der völlig autonom und eigenständig lebt und sich selbst ernährt. Nie wird er von Menschen gefüttert oder vergreift sich an ihrem Müll. Aus seinem Kot ist abzulesen, dass er hauptsächlich von Hasen, Mäusen und Bibern lebt, aber auch Waldbeeren und Pflanzen nicht verschmäht und vor allem viel Aaas zu sich nimmt. Und dieser wilde Wolf, jederzeit in der Lage, sich in die Wildnis zurück zu ziehen, sucht von sich aus und aus rein sozialem Interesse die Nähe von Menschen und Hunden auf und verbringt 12 Stunden pro Tag mit ihnen. Nie versucht er, sich mit einem der Hunde fort zu pflanzen, obwohl darunter läufige Hündinnen waren, die selbst großes Interesse an Sex gehabt hätten. Nie sucht er bei den Menschen nach Nahrung und einmal verschmäht er sogar die Hundeleckerlis, die ihm jemand zuwirft.

Mit einzelnen Menschen verbindet ihn eine besondere Freundschaft, so mit einem Mann und dessen Hund, mit denen er praktisch jeden Tag stundenlang durch die Wildnis wandert. Der Mensch berührt ihn nie, um ihn zu streicheln, aus Respekt, aber manchmal stupst Romeo seinen menschlichen Freund mit der Schnauze an.

Über 6 Jahre zieht sich diese Beziehung hin. Doch das Unglück braut sich zusammen. Es gibt viele Jäger und Jägerinnen in Juneau und darüber hinaus, die diesen Wolf zunehmend als Feindbild sehen. Er zerstöre das Image des bösen Wolfs, der die Menschen bedroht. Noch dazu wurde ihm ein Name gegeben, der ihn zu einem Individuum mache. Und die ständigen Vorhersagen, dass er eines Tages ein Kind töten werde, treffen nicht ein. Da wird es Zeit, zu handeln. Immer wieder tauchen Menschen mit Waffen auf, es sind Schüsse zu hören, doch die vielen Freunde und Freundinnen von Romeo sind so häufig da, dass sich kaum Gelegenheit für einen Anschlag bietet. Ein Anrainer will den Wolf vergiften, doch es trifft stattdessen einen Hund aus der Nachbarschaft. Bis, ja bis ein verrückter Jäger aus Juneau und dessen Freund aus Pennsylvania im September 2009 schließlich dem Wolf auflauern und ihn erschießen. Ein richtiger Lynchmord, gezielt geplant, um diesen Botschafter einer friedlichen Koexistenz zum Schweigen zu bringen. Die tierliebenden Menschen der Stadt, die jagdkritischen, die sollen dabei auch getroffen werden.

Freunde von Romeo merken sehr rasch, dass etwas geschehen sein muss. Romeo ist fort und zeigt sich nicht mehr. Man streckt die Fühler aus und findet nach gut einem Jahr detaillierter Recherche und vieler Insiderinformationen die Täter. Der Fall wird an die Polizei übergeben und landet letztlich vor Gericht. Aber es geht ja nur um einen Wolf, um die Übertretung irgendwelcher kleinen Jagdverbote in Schutzzonen. Der Prozess endet mit einer bedingten Haft und einer geringen Geldstrafe. Nicht einmal letztere zahlen die Täter, sondern tauchen unter, ziehen woanders hin und schießen dort, ohne Zweifel, weiterhin Tiere zum Spaß.

Zurück bleibt eine trauernde Gemeinschaft von Freunden und Freundinnen von Romeo. Er bekommt eine Erinnerungsplakette, die heute an jenem Felsen hängt, auf dem er gerne gesessen ist. Seine Geschichte ist ein einziger Schrei nach Gerechtigkeit für die Tiere, nach einem Ende dieses sinnlosen Abschlachtens von Wildtieren zur Unterhaltung einiger weniger, abartiger ZeitgenossInnen. Niemand mit nur ein klein wenig Verstand kann nachvollziehen, was es für eine Befriedigung darstellen soll, so wunderschöne Tiere zu verletzen und ihres Lebens zu berauben.

Ich kann dieses Buch nur allen Menschen ans Herz legen, deren Spiegelneuronen noch intakt sind. Es empfiehlt sich bei der Lektüre Taschentücher bereit zu halten. Aber auch jene, denen das „es sind ja nur Tiere“ auf der Zunge liegt, sollten das Werk lesen. Vielleicht kann Romeo sogar verschlossene Herzen öffnen. Das wären nicht die ersten.

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