18. April 2024

Auf Bärenjagd in der Taiga

Eine halbwegs menschenleere Wildnis findet man nur in jenen Gegenden, die schwierig zu besiedeln sind, z.B. die nördliche Tundra mit Permafrostboden oder die hohen, schroffen Gebirge. Selten daher, dass sich die Wildnis auf einen ebenen Wald erstreckt. Doch das bietet die Taiga. Einen schier grenzenlosen Wald mit Föhren, Birken und Fichten auf sumpfigem Boden. Meinem mitteleuropäischen Blick nach scheinen die Bäume nur 2-3 Jahrzehnte alt zu sein, so klein und dürr wirken sie. Doch das täuscht, das kalte Klima erlaubt nur kurze Wachstumsphasen pro Jahr. Vom völlig überwachsenen Boden und den dort verrottenden Bäumen zu schließen, könnte es sich um einen Urwald handeln.

Die Taiga hat eine eigene Mystik. Im selben Wald ein paar tausend Kilometer östlich schleichen noch die letzten sibirischen Tiger und Leoparden durchs Gebüsch. Um uns herum, irgendwo zwischen diesen Bäumen hier, müssen Bären, Wölfe, Luchse und Vielfraße hausen. In der Nacht knacken  Zweige, Kuksi spitzt die Ohren. Weiß er mehr als ich, wer hier in der Nähe vorbeiwandert?

Wir finden Kot von Elchen und Hirschen, sowie ihre Fußspuren am Boden. Doch kein Tier ist zu sehen, lediglich Auerhähne, denen wir erstaunlicher Weise immer wieder begegnen. In Österreich sind sie dagegen ungeheuer selten. Am gesamten Waldboden wachsen überall Heidelbeeren, jetzt in voller Pracht, eine Leibspeise für Bären. Der Bärenkot, auf den wir stoßen, belegt, dass sie sich jetzt mit deren Zuckergehalt eindecken, um für den langen Winter genug Fettreserven zu haben. Kuksi und ich genießen die Beeren ebenfalls.

Menschenspuren finden wir keine, es gibt auch keine Wege, geschweige denn Hütten. Das Wandern scheint hier nicht zur Kultur zu gehören. Doch nach einem Stück dichten Waldes stoßen wir auf einer Forststraße auf 6 Männer in 3 Autos, in orangen Anzügen und mit großen Gewehren. Russische Grenzsoldaten? Nein, Bärenjäger, wie sie mir stolz erklären. Nicht auszudenken, hätten sie Kuksi zuerst im dichten Busch rascheln gehört und sein schwarzes Fell gesehen. Mit JägerInnen habe ich hier irgendwie überhaupt nicht gerechnet. Noch dazu auf Bären! Gibt es das wirklich, Menschen, die zig tausende Euro zahlen und eine Woche im Wald auf einen Bären warten, lediglich um ihn tot zu schießen? Ja, ich wusste schon, dass es so etwas geben soll, aber persönlich auf Bärenjäger zu treffen ist dann doch irgendwie anders. Ich kann es kaum fassen. Wieso ist das erlaubt? Wieso ist so ein destruktiv-anachronistisches Verhalten nicht längst geächtet?

Wir ziehen weiter. Die Taiga ist so eben, dass es keinerlei Anhaltspunkte im Gelände gibt, um sich zurecht zu finden. Man kann nur mit dem Kompass gehen und die Entfernungen, die man zurücklegt, abschätzen, um auf der Karte das eigene Fortkommen mitzuverfolgen. Viele Menschen sollen in diesem Wald schon beim Schwammerlsuchen verloren gegangen sein und nicht mehr herausgefunden haben.

Uns gibt der Wald nach vielen Tagen aber wieder frei.

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