23. Dezember 2024

Bären

 

Ich glaube es war 1976, als der erste Bär wieder nach Österreich eingewandert und geblieben ist. Er wurde „Ötscherbär“ getauft, hielt er sich doch hauptsächlich in den Ötschergräben zwischen Wienerbruck und Lackenhof in Niederösterreich auf. Ich wohnte damals dort am Waldrand und die Vorstellung war ungeheuer faszinierend für mich, dass hier, im selben Wald, ein echter, wilder Bär hauste.

Der Ötscherbär blieb unauffällig, räumte nur ab und zu einen Bienenstock aus. Doch dann gab es Zuwachs und bis in die Mitte der 1990er Jahre lebten bereits 30 Bären zwischen Hochschwab und Ötscher im steirisch-niederösterreichischen Grenzgebiet. 1994, glaube ich, erschossen JägerInnen 2 Bären kurz hintereinander mit der Ausrede, sie hätten sich bedroht gefühlt. Niemand nahm ihnen das ab und es gab wütende Proteste gegen dieses Vorgehen. Die JägerInnen lernten schnell und innerhalb weniger Jahre waren alle 30 Bären „verschwunden“, ohne dass irgendjemand öffentlich zugegeben hätte, einen von ihnen getötet zu haben. 2 der Bären fand man 10 Jahre später, nach dem Tod zweier Jäger, ausgestopft in deren Keller.

Ich wanderte in diesen Bärenjahren sehr viel in dieser Gegend und hatte im Sommer 1997 das große Glück einen Bären im Türnsee auf der Hochtürnach im Hochschwab schwimmen gehen zu sehen. Als der Bär weg war, folgte ich seinen Spuren und saß noch viele Stunden stumm da in stiller Begeisterung. Ich dachte damals, Bären seien, auch bei selbstregulierter Populationsdichte, als Raubtiere so selten und scheu, dass ich hier ein ganz außergewöhnliches Ereignis hatte erleben dürfen. Stutzig machte mich zwar, dass bei kaiserlichen Hofjagden im Wienerwald Anfang des 18. Jahrhunderts an einem Tag 130 Bären erlegt worden waren, aber ich ging davon aus, dass man diese Bären zuerst in weitem Umkreis eingefangen hatte.

Doch dann wanderte ich in den Südkarpaten mit dem Zelt und musste meine Ansicht vollständig revidieren. In den Südkarpaten, einer Berggegend in Rumänien der Größe der österreichischen Alpen zwischen Schneeberg in Niederösterreich und Osttirol, leben 5500 Bären! Praktisch jedes kleine Nebental ist von einer weiblichen Bärin besetzt, die männlichen Bären scheinen überlappend etwas größere Territorien zu haben. Bären leben eben hauptsächlich vegetarisch und haben deshalb sehr hohe Populationsdichten, im Gegensatz zu Raubtieren, die große Territorien brauchen. Wenn man in den Südkarpaten abseits von Wegen durch die Waldwildnis streift, sieht man praktisch jeden Tag die Spuren von Bären. Und 2 Mal pro Woche im Schnitt trifft man die Bären auch höchstpersönlich, öfter jedenfalls, als Rehe, Hirsche oder Gemsen.

Ich habe nun mittlerweile über 20 Bärenbegegnungen hinter mir. Meistens handelte es sich nur um ganz kurze Momente, weil die Bären sofort flüchteten, wenn sie mich wahrnahmen, mit Ausnahme von der Dunkelheit, wenn sich die Bären offensichtlich wesentlich sicherer fühlen und weniger schreckhaft reagieren. Dabei sah ich die Bären zuweilen in größerer Entfernung, aber auch bis zu 5 m Nähe. Die Braunbären in Europa sind verhältnismäßig klein. Der Größte hatte die Schulterhöhe eines Esels, die Kleinsten waren 3 Bärenkinder mit Mama und sicher erst wenige Monate alt. Oft saß ich mit meinem Hund viele Stunden still im Wald, um Bären beobachten zu können.

An einem einzigen See im April konnten wir 23 Bärenspuren im Schnee finden. Wenn die Bären gerade erst aus ihrer Winterruhe erwachen, sind sie scheinbar recht aktiv. Deutlich drücken sich ihre großen Sohlen im weichen Waldboden oder im Gatsch ab. Die Hinterfüße haben fast eine menschliche Form, die Hände sind dagegen ganz rund. Die Krallen haben eine besondere Länge und sind immer ganz deutlich zu sehen.

Oft findet man auch Kratzbäume mit Spuren der Bärenkrallen.

Jeden Tag dürften sich die Bären Schlafnester bauen, jedenfalls konnte ich schon zahlreiche solcher Nester finden, auch, nachdem ich die Bärenspuren bis dorthin verfolgt hatte. Selbst mit unserer menschlichen Nase kann man Bären deutlich riechen, wenn sie noch vor recht Kurzem hier geschlafen haben.

Bärenkot ist ziemlich unverkennbar – abgesehen davon, dass mein Hund ihn mit Leidenschaft isst! Er ist zwar variabel in Größe, Farbe und Form, je nachdem ob der Bär z.B. Heidelbeeren oder Aas gegessen hat, aber kein anderes Tier des Waldes produziert einen vergleichbaren Darminhalt. Geht man aufmerksam durch den Wald, findet man diese Häufchen täglich mehrmals im Bärenland.

Es wird nicht empfohlen, Hunde in Bärengegenden frei laufen zu lassen. Dem kann ich absolut gar nichts abgewinnen. Einmal hat mein Hund einen großen Bären vertrieben, der mitten in der Nacht direkt auf unser Zelt zugegangen ist und nur noch 10 m entfernt war. Ein anderes Mal hat der Hund eine Bärin mit 3 Kindern aus nächster Nähe verbellt, ohne dass diese auch nur irgendwie reagiert hätte. Sie zog ruhig und gemächlich von dannen, positionierte sich dabei aber zwischen den Hund und ihren Nachwuchs. Meistens aber reagiert mein Hund bei Bärenbegegnungen sehr vorsichtig. Auf die Idee, den Bären hinterher zu jagen, kommt er jedenfalls nicht.

5500 Bären in einem Gebiet der Größe der österreichischen Alpen zwischen Osttirol und Niederösterreich, das genauso dicht besiedelt und forst- sowie almwirtschaftlich genutzt wird, wie die Berge hierzulande! Da soll mir niemand sagen, die wenigen Bären, die bei uns heute noch ab und zu auftauchen, könnten irgendein Problem darstellen. Wieder ist es ausschließlich die Jägerschaft und ihr fanatischer Jagdeifer, die eine Wiederansiedlung der Bären verhindern. Man fragt sich, wie lange wir uns noch von dieser winzigen Minderheit lustgetriebener EgoistInnen auf der Nase herum trampeln und unsere Natur zerstören lassen!

PS: Die Fotos hier wurden alle von mir aufgenommen und zeigen tatsächlich wilde Bären, denen ich in der freien Natur begegnet bin.

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