26. April 2024

Endlich Freigehege für Tierversuchs-SchimpansInnen

Der 6. September 2011 war ein ganz besonderer Tag, auch wenn die Medien nicht wirklich intensiv davon berichteten. Aber 39 SchimpansInnen, die noch vor 10 Jahren in einem Tierversuchslabor in Orth an der Donau 30 km östlich von Wien jeweils isoliert in einem 5 m² Käfig hausen mussten, konnten insgesamt 11 Außengehege mit je 2500 m² betreten. Erstmals Sonnenschein, Gras, Wind, Regen, echte Bäume. Ein unfassbarer Moment. 2 berührende Filme finden sich hier:

http://www.gut-aiderbichl.com/page.headline.php?cid=148&redir=

In den 1970er und frühen 1980er Jahren baute die Firma Immuno in Orth an der Donau ein neues Zentrum für Primaten-Tierversuche auf – mit in der Wildnis gefangenen SchimpansInnen. Dieser Handel lief über den österreichischen Wildfänger Sitter in Sierra Leone in Westafrika. Üblicherweise wurden dabei die Mütter erschossen und die Kinder, die z.T jünger als 1 Jahr alt waren, mitgenommen und in zugenagelten Kisten per Flugzeug nach Wien verfrachtet. Für einen Schimpansen zahlte Immuno damals 460.000 Schilling, über 50 SchimpansInnen waren es zuletzt. Seit 28. April 1982 waren diese Entführungen illegal, was das Tierversuchslabor aber nicht hinderte, damit fortzufahren.

Anfänglich waren die SchimpansInnen in Käfigen mit 1,2 m Länge und 70 cm Breite, später wurden „moderne“ Käfige mit etwas weniger als 5 m² Bodenfläche eingeführt. Auf diese „großen“ Käfige war man so stolz, dass damit an die Öffentlichkeit gegangen wurde. Eine Automatik ermöglichte die Käfigwände zusammen zu quetschen, sodass die SchimpansInnen bequem mit Hepatitits oder HIV infiziert werden konnten. Jahrzehntelang forschte man so nach Mitteln gegen Gelbsucht und AIDS, fand aber jedenfalls durch diese Tierversuche nichts.

Schließlich 1997 anerkannte man, dass mit Tierversuchen an Menschenaffen keine Erkenntnisse über AIDS erhalten werden können und man die diesbezüglichen Experimente wurden offiziell beendet. Ende 1999, mittlerweile hatte die Firma Baxter das Versuchslabor übernommen, wurden alle Tierversuche an Menschenaffen eingestellt. Im Jahr 2002 übersiedelten die Tiere, manche davon seit 1976 im Tierversuchslabor, einige wurden dort noch in den 1980er Jahren geboren, in den Safaripark Gänserndorf, der aber bald darauf in Konkurs ging. Die halbfertigen Schimpansengehege blieben in diesem Zustand, der Bau der Außengehege war noch nicht einmal begonnen worden.

Zwar erreichten wir im Dezember 2004 einen Parlamentsbeschluss für ein generelles Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen, das dann 2006 in Kraft trat, aber das half den in Gänserndorf gestrandeten 46 ehemaligen VersuchsschimpansInnen nichts. Alle möglichen Finanzierungsvarianten wurden durchgespielt, aber keine Tierschutzorganisation wagte sich an diese finanziell riskante Unternehmung und weder das Land noch der Bund oder die Firma Baxter waren bereit, ausreichende Garantien zu leisten. Zuletzt sprang Michael Aufhauser vom Gut Aiderbichl ein. Im heurigen Sommer wurden endlich die Freigehege gebaut und am 6. September 2011 von den SchimpansInnen erstmals betreten. Leider konnten nur mehr 39 der 46 SchimpansInnen, die noch das Tierversuchslabor verlassen hatten, diesen Moment erleben.

Ist das nicht ein Zeichen, dass sich doch langsam aber sicher etwas in unserer Gesellschaft verändert? Vor 30 Jahren hätte man „überflüssige“ VersuchsschimpansInnen wahrscheinlich einfach für andere Tierversuche eingesetzt, vor 20 Jahren hätte man sie stillschweigend euthanasiert, vor 10 war man bereit, sie in die Rehabilitation zu schicken, allerdings mit zu wenig Geld, und heute, endlich, können sie resozialisiert werden und in geräumigen Freigehegen leben. Ich war selbst 105 Tage in eine 6 m² große Zelle gesperrt und hatte ebenso in dieser Zeit keinen Zugang zu Pflanzen, Regen, Bäumen oder Gras. Natürlich ist das nichts im Vergleich zu dem, was diese Wesen durchmachen mussten, aber ein klein wenig kann ich nachvollziehen, was es für ein umwerfendes Gefühl sein muss, nach langer Zeit erstmals in ein Freigehege gehen zu dürfen. Diese Tiere werden nie wieder in der Wildnis selbstbestimmt autonom leben können, dieser Zug ist abgefahren. Aber was sie jetzt bekommen ist das Beste, was man sich für sie hätte wünschen können. Vor 20 Jahren hätten wir dieses Ergebnis unserer Proteste in den kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten!

Ein Gedanke zu “Endlich Freigehege für Tierversuchs-SchimpansInnen

  1. Diese berührenden Bilder gehen einem wirklich nahe und machen bewusst, welche Verbrechen hier gegen unschuldige Lebewesen begangen wurden bzw. noch immer gegen viele andere begangen werden. Bei den ersten Szenen im Video dachte ich an einen Animationsfilm, so menschenähnlich ist das Verhalten der Schimpansen.

    Nachdem der LH Pröll schon Ghandi zitiert hat (“Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran ermessen, wie sie die Tiere behandelt”), sollte er seinen großen Sprüchen gleich Taten folgen lassen und in seinem geliebten NÖ in Sachen Tierschutz nach dem Rechten sehen, zu tun gebe es dort ja mehr als genug.

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