19. März 2024

Es ist soweit: erste Verurteilung wegen Filmens in einer Stallung

Tierschutzaktivität besteht zu einem ganz wesentlichen Teil darin, Zustände im Umgang mit Tieren aus Tierversuchslabors, Tiertransportern, Schlachthöfen und eben auch Tierfabriken an die Öffentlichkeit zu bringen. Und kaum ist etwas der Tierindustrie ein größerer Dorn im Auge. Deshalb gibt es schon seit geraumer Zeit Versuche, diese Aktivität zu kriminalisieren. Zu Zeiten des großen Tierschutzprozesses in Österreich (2008-2011) war davon noch keine Rede, da hat man Tierschützer_innen noch dadurch kriminalisiert, dass man ihnen Brandstiftungen oder Nötigungen im Rahmen einer großen kriminellen Organisation andichten wollte. Ich selbst war damals mit einem Polizeispitzel, einer sich verdeckt als Tierschützerin ausgebenden Polizistin, in einer Tierfabrik um zu filmen. Verfolgt wurde ich dafür nicht. Als aber die Kriminalisierung misslang und wir alle freigesprochen wurden, verlagert man die Angriffe auf eine andere Ebene. Jetzt führt man Gesetze ein, die das Filmen in Tierfabriken unter Strafe stellen. Auf der Ebene der Verwaltungsstrafe ist das bereits in den von der ÖVP dominierten Bundesländern mit hohem Tierfabriksanteil, nämlich Nieder- und Oberösterreich, durchgeführt worden. Es gibt hier explizite Verbote, in Stallungen zu filmen, mit Strafdrohung bis € 1000. Und sogar bundesweit hat man ein solches Verbot, allerdings nur für Schweinefabriken, in der “Schweinegesundheitsverordnung”, eingeführt. Angeblich ist nämlich die Schweinegesundheit bedroht, wenn man in Schweinefabriken filmt.

Bisher sind diese Gesetze noch nie zur Anwendung gekommen. Sie sind auch funkelnagelneu. Aber das hat sich nun geändert. Die erste Verurteilung liegt vor. Im Sommer letzten Jahres waren Aktivist_innen des Vereins RespekTiere bei einem Hof im Bezirk Braunau in Oberösterreich. Sie waren darauf aufmerksam gemacht worden, dass dort Tiere auf grausame Weise gehalten werden sollen. Sie sind am hellichten Tag zu diesem Hof gegangen, durch den eine öffentliche Gemeindestraße führt:

StallungSatellitenbild

Vor Ort trafen sie auf den Landwirt und ließen sich die Tiere zeigen. Diese wurden heimlich fotografiert. Besonders entsetzlich war dabei der Umstand, dass offenbar hunderte Wachteln in engen Käfigbatterien gehalten wurden, um ihre Eier zu verkaufen. Das war also eine Legebatterie, nur mit Wachteln statt Hühnern, wie sie in Österreich seit 2005 (!) verboten ist. RespekTiere kam einige Tage später unter einem Vorwand wieder und ließ sich erneut die Tiere zeigen und nahm erneut Fotos und Filme auf. Schließlich machten sie die Zustände öffentlich und erstatteten Anzeige.

Soweit so gut. Doch der Landwirt hat dieses Filmen nach dem neuen, in OÖ gültigen Filmverbot angezeigt. Die Bezirkshauptmannschaft hat alle einvernommen und ein Urteil erlassen: Strafe € 440.

StraferkenntnisAggagTom1

Die BH verheimlicht nicht, dass das Gesetz eingeführt wurde, um Landwirt_innen vor dem Tierschutz zu “schützen”:

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Der Landwirt hat in seiner Zeugenaussage die Situation so beschrieben:

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Das Urteil begründet die BH nun in erster Linie mit Bezug auf den Bericht vom Vorfall auf der Homepage von RespekTiere:

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Dagegen wird nun Berufung zum Landesverwaltungsgericht OÖ erhoben, und, wenn es sein muss, zu den Höchstgerichten. Warum sollten landwirtschaftliche Stallungen einen Sonderstatus bekommen? Wenn eine Person in die Gartenhütte einer anderen geht, ist das nicht verboten, die Besitzer_innen können nur zivilrechtlich dagegen vorgehen. Ist die Gartenhütte aber ein Tierstall, dann schaut alles ganz anders aus, dann gibt es einen Sonderschutz. Und dieser soll nun auch noch ins Strafrecht festgeschrieben werden, mit Androhung einer Gefängnisstrafe im Falle des Zuwiderhandelns, siehe https://martinballuch.com/kanzler-kurz-will-tierschuetzerinnen-einsperren-und-ihre-filme-aus-tierfabriken-vernichten-lassen/

Der Bericht von RespekTiere über den Hof: http://www.respektiere.at/newsletter/fb_index.php?uid=7539&nid=752

6 Gedanken zu “Es ist soweit: erste Verurteilung wegen Filmens in einer Stallung

  1. Braunau ist in OÖ, also LVwG OÖ, nicht Sbg. Und es ist nicht das Filmen sondern das unbefugte Betreten verboten. D.h. im ersten Fall war es schon mal nicht unbefugt.

  2. Eine Frechheit!
    Jeder wird heutzutage fast ständig und nahezu überall gefilmt/überwacht usw. Alles rechtens und zu “unserem” Schutz.
    Wer sorgt für den Schutz jener, die ihn tatsächlich benötigen?? Wenn die sogenannten Kontrollbehörden versagen, sollten sich diese und der Staat ob dieses Versagens eher schämen anstatt dann noch gegen jene vorzugehen, die das Verbrechen an Lebewesen aufdecken, die sich selbst nicht wehren und ihr Leid kundtun können!
    Wo ist da die Gerechtigkeit? Hier wird klar mit 2erlei Maß gemessen und nur im Interesse der Täter und der Wirtschaft!
    Eine echte Schande!

    Ich, als Bürgerin dieses Staates will darüber informiert werden, wenn es zu solchen Missständen kommt!
    Im humanitären Bereichen nennt sich diese Tätigkeit übrigens Investigativjournalismus…

    Das Aufdecken eines Verbrechens als Verbrechen zu bezeichnen ist schlicht lächerlich!

    Danke an all jene, die sich trotz der neuen Gesetze nicht davon abbringen lassen, aufzudecken!

  3. Es muss ein Weg gefunden werden, Tierschutz in der Massentierhaltung durchzusetzen, ihr seid die Vorreiter- dafür gebührt euch der Dank jedes denkenden und mitfühlenden Menschens- und somit auch hoffentlich der Mehrheit der Mitbürger!!!!!!

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