17. November 2024

I write what I like (Steve Biko)

Nach zwei Wochen Tierschutzprozess, nach Ende meiner fast 25 stündigen Einvernahme, muss allen ProzessbeobachterInnen klar geworden sein, was die Vorwürfe gegen mich sind: Es geht einzig und allein um Meinungsäußerungen in Internetforen! Das ist ein untrügliches Zeichen eines politischen Prozesses, wenn den Angeklagten ausschließlich eine angeblich radikal-subversive Gesinnung vorgeworfen wird.

Der Tierschutzprozess erinnert mich in vielen Details an den Prozess gegen Steve Biko in den 1970er Jahren in Südafrika. Steve Biko, heute völlig zu Unrecht fast schon vergessen, war ein studentischer Aktivist für die Black Consciousness Bewegung der SchwarzafrikanerInnen im damals weiß dominierten Südafrika. Unermüdlich agitierte er gegen die Apartheid. Dafür erhielt er Redeverbote und wurde permanent von der Polizei observiert und unter Druck gesetzt. Nicht ganz unähnlich der Situation bei uns, wo auch ich an der Uni Wien ein Redeverbot habe, und wo man staatlicherseits versucht, unsere Vorträge an Schulen zu torpedieren und wo man uns zunehmend scharf observiert und bespitzelt hat. Zwischen Oktober 2009 und Jänner 2010 war die Polizei 35 Mal bei mir zu Hause, um zu fragen, ob ich da wäre! Eine typische Form der Ausübung von Psychoterror, wie sie für Polizeistaaten üblich ist.

Steve Biko wurde letztendlich vor Gericht gestellt. Ihm wurden zahlreiche Auszüge seiner Reden und Schriften vorgehalten. Immer ging es darum, dass er radikal sei, dass seine Aussagen implizit zu Gewalt ausrufen würden, dass er eine Gefahr für die Sicherheit der Gesellschaft darstellen würde. So ging es in seinem Verfahren zentral um die Frage, ob die Aussage von ihm, man müsse das System der Rassentrennung konfrontieren, ihm unbekannte Personen zu Straftaten motiviert hätte.

Genauso im Fall des Tierschutzprozesses. Zahlreiche Meinungsäußerungen von Internetdiskussionen wurden – aus dem Zusammenhang gerissen – mir vorgelegt. Steve Biko hat nie zu Gewalt aufgerufen. Ich auch nicht. Beiden wurde uns in unseren Verfahren vorgeworfen, wir würden das implizit tun, wir würden indirekt unbekannte Personen für unsere politische Sache zu Straftaten motivieren. Steve Biko wurde, so weit ich weiß, der Verschwörung angeklagt. Bei uns ist es §278a, Bildung einer kriminellen Organisation mit dem Ziel, Politik und Wirtschaft zu beeinflussen. Beides ähnlich vage Vorwürfe, die politisch instrumentalisierbar sind.

Steve Biko wurde freigesprochen. Ob sich die Justiz in unserem Fall auch dazu durchringen kann, ist noch nicht klar. Klar ist aber leider, wie immer bei politischen Prozessen, dass mit dem Urteil am Ende des Prozesses die politische Verfolgung und der politische Konflikt noch lange nicht zu Ende sind. Steve Biko wurde auch nach seinem Freispruch wiederholt von der Polizei festgenommen, lange verhört und drangsaliert. 1977 schließlich wurde er in der Polizeizelle so schwer misshandelt, dass er einige Tage später an seinen Verletzungen verstarb. Seine Geschichte wurde von einem seiner Freunde 1978 in Buchform veröffentlicht, im Jahr 1987 entstand auch der Film „Cry Freedom“ über sein Leben und seinen Tod.

Steve Bikos Schriften wurden gesammelt unter dem Titel „I write what I like“ herausgegeben. Angesichts der Vorwürfe gegen mich in diesem Verfahren, scheint mir dieser Titel auch für meinen Fall passend. In einem Email, das mir vor Gericht vorgelegt wurde, soll ich geschrieben haben, dass ich mit anderen im geschützten Rahmen radikale Gedankengänge durchdiskutieren will. Was das heiße, wurde ich gefragt, worüber wir da diskutiert hätten. Meiner Auffassung von Grundrechten zu Folge geht das den Staat nichts an, was ich für Gedankengänge habe und worüber ich mit meinen FreundInnen diskutiere. Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention schützt meine Privatsphäre, Artikel 10 meine freie Meinungsäußerung.

In diesem Verfahren sollen mir meine Rechte genommen werden. Man möchte mich durch psychischen und physischen Terror dazu bringen, nicht mehr zu sagen, was ich denke, bzw. nicht mehr zu denken, was ich denken will. „Freiheit“, sagt Konstantin Wecker in seinem Lied Willi, „Freiheit haßt koa Angst hobn, vor nix und neamands“. Ich lasse mir meine Freiheit nicht nehmen.

Und deshalb habe ich eine Botschaft an jene, die diesen politischen Prozess gegen mich ausgelöst haben: I write what I like!

33 Gedanken zu “I write what I like (Steve Biko)

  1. Pingback: aspirateurs
  2. Die offizielle Begründung für das Redeverbot von Martin Balluch an der Uni Wien ist: Er sei ein Sicherheitsrisiko.

  3. “wo auch ich an der Uni Wien ein Redeverbot habe”

    Gibt’s dafür eine offizielle Erklärung von seiten der Universität?

    Jan

  4. Es ist einfach unglaublich, mit welcher Skrupellosigkeit und Verlogenheit der §278a “missbraucht” wird, um auf absolut inakzeptabele und meines Erachtens sogar demokratiefeindliche Weise, die “radikale” Tierschutzszene in Österreich in die Knie zu zwingen!

    Wenn es gegen einzelne Personen konkrete beweisbare Vorwürfe gibt (Sachbeschädigungen, Nötigungen etc.), dann sollen und müssen diese Personen dafür auch durchaus entsprechend unseren gesetzlichen Regelungen bestraft werden. Aber nur einen “Schauprozess” gegen ein paar besonders exponierte TierschützerInnen zu führen, ist weder einer modernen Demokratie würdig noch moralsich-ethisch vertretbar! Es sieht leider tatsächtlich so aus, als ob sich Österreich immer mehr in Richtung einer “Bananenrepublik” entwickeln würde…

    Im übrigen möchte ich meine Sympathie und meine Hochachtung für Menschen wie Dr. Martin BALLUCH ausdrücken, die es auf sich nehmen, für den Tierschutz und die Tierrechte gravierende persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen! Es liegt leider noch sehr vieles im Argen und ich kann nur hoffen, dass diese Farce eines Prozesses möglichst bald – und natürlich möglichst mit lauter Freisprüchen – enden möge.

  5. Peter Gabriel
    You can blow out a candle
    But you can’t blow out a fire
    Once the flames begin to catch
    The wind will blow it higher
    Oh Biko, Biko, because Biko
    Yihla Moja, Yihla Moja
    -The man is dead
    And the eyes of the world are
    watching now
    watching now

  6. Peter Gabriel
    You can blow out a candle
    But you can’t blow out a fire
    Once the flames begin to catch
    The wind will blow it higher
    Oh Biko, Biko, because Biko
    Yihla Moja, Yihla Moja
    -The man is dead
    And the eyes of the world are
    watching now
    watching now

  7. Es ist einfach unglaublich, mit welcher Skrupellosigkeit und Verlogenheit der §278a “missbraucht” wird, um auf absolut inakzeptabele und meines Erachtens sogar demokratiefeindliche Weise, die “radikale” Tierschutzszene in Österreich in die Knie zu zwingen!

    Wenn es gegen einzelne Personen konkrete beweisbare Vorwürfe gibt (Sachbeschädigungen, Nötigungen etc.), dann sollen und müssen diese Personen dafür auch durchaus entsprechend unseren gesetzlichen Regelungen bestraft werden. Aber nur einen “Schauprozess” gegen ein paar besonders exponierte TierschützerInnen zu führen, ist weder einer modernen Demokratie würdig noch moralsich-ethisch vertretbar! Es sieht leider tatsächtlich so aus, als ob sich Österreich immer mehr in Richtung einer “Bananenrepublik” entwickeln würde…

    Im übrigen möchte ich meine Sympathie und meine Hochachtung für Menschen wie Dr. Martin BALLUCH ausdrücken, die es auf sich nehmen, für den Tierschutz und die Tierrechte gravierende persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen! Es liegt leider noch sehr vieles im Argen und ich kann nur hoffen, dass diese Farce eines Prozesses möglichst bald – und natürlich möglichst mit lauter Freisprüchen – enden möge.

  8. Wer glaubt da noch an Gerechtigkeit?

    Wir dürfen uns nicht mehr für blöd verkaufen lassen und müssen einfordern, dass alle Machtpositionen sich wechselnden unabhängigen Gremien aus der Bevölkerung gegenüber verantworten müssen. Auch Richter dürfen nicht mehr über dem Gesetz stehen und ihren Freibrief zu willkürlichen Entscheidungen misbrauchen können.

    Sonja Arleth zeigt am laufenden Band sehr deutlich, dass Sie befangen ist. Dennoch gibt es in Österreich keine Chance ihre offensichtlich unseriösen Entscheidungen nach sachlichen Maßstäben überprüfen und korrigieren zu lassen. Leider ist auch der Instanzenweg nicht darauf ausgelegt völlig wahnwitzige Entscheidungen zu korrigieren, sondern zielt nur auf die Behebung von rein prozeduralen Prozessfehlern ab. Wenn die Richterin also nicht allzu dämlich ist und sich trotz aller Befangenheit nicht dazu hinreißen lässt selbst die Verfahrensregeln zu übergehen, dann kann ihr Urteil in der Praxis niemals neutral in Frage gestellt werden.

    Und lasst uns nicht vergessen, dass auch die im Operation Spring verfahren verurteilten immer noch ihre viele Jahre langen Haftstrafen absitzen müssen obwohl allgemein anerkannt ist, dass dieser Fall eine menschenrechtswidrige Farce war. So funktioniert der österreichische “Rechtsstaat” im Moment also.

    Machen wir uns nichts vor.

    Es ist dringend nötig, dass wir uns für ein Ende der Willkür einsetzen und keine Ausflüchte mehr zulassen. Hören wir vor allem endlich damit auf ewig die selben Parteien für ihre Vergehen durch unsere Wahlstimmen zu belohnen!

    Diese Leute hatten mehr als genug Gelegenheit sinnvolle Arbeit zu verrichten. Sie haben es nicht getan. Wir müssen entsprechend Konsequenzen ziehen und eine Abkehr von diesem Wahnsinn mit tragen anstatt ängstlich ihren hohlen Versprechen zu lauschen und unsinnigen Maßnahmen zuzustimmen.

    Wir brauchen neue Wege. Nehmen wir sie selbst in die Hand, denn andere tun es offensichtlich nicht!

  9. Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich,
    dann bekämpfen sie dich und dann – gewinnst du.

    Mahatma Gandhi

    Halte durch. Wir sind bereits in der vorletzten Phase angelangt. Lasst euch nicht unterkriegen.

  10. Dieser Prozess ist unfassbar! “Radikale” Tierschützer werden mit jahrelangen Gefängnisstrafen bedroht. Wann geht man endlich gegen radikale Tierquäler vor??
    Ich rede mit vielen Menschen über diesen Prozess und kann versichern, dass die Sympathien auf Seite der Angeklagten liegen.

  11. wie im alten rom

    egoisten in hohen positionen, vergessen gern was es heist im namen der zahlenden staatsbürger zu handeln. hat irgend jemand von euch mitbestimmen können, wer jezt im EU rat und ausschuss sizt? von dort kommt der §278. ein geschenk der reichen, bezahlt von lohnsklaven.

    danke an busch/obama für die weiterführung der 911 lügen.

  12. Ich bin erst durch den, wie ich finde sehr guten, Film “Cry Freedom” mit Denzel Washington als Steve Biko auf das Schicksal dieses tollen Mannes aufmerksam geworden.
    Ich hätte niemals gedacht, daß so was heutzutage in Österreich möglich ist.

    Laß Dich nicht unterkriegen!

  13. Peter Gabriel
    You can blow out a candle
    But you can’t blow out a fire
    Once the flames begin to catch
    The wind will blow it higher
    Oh Biko, Biko, because Biko
    Yihla Moja, Yihla Moja
    -The man is dead
    And the eyes of the world are
    watching now
    watching now

  14. Auch ich glaube das Endziel ist den Tierschutz einzuschüchtern, in der Öffentlichkeit zu verunglimpfen und zu schädigen.
    Nicht umsonst besitzt Österreich das beste Tierschutzgesetz.
    Das ist wohl einigen ein gewaltiger Dorn im Auge.
    Hoffentlich erreichen die Sanktionen nicht ihr Ziel und der Tierschutz lebt weiter.

  15. Die ganzen Prozessprotokolle lesen sich für mich auch wie ein Buch, nur dass das leider ein Tatsachenbericht wäre.
    Und vielleicht wird diese Tragödie auch mal verfilmt, ich hoffe mit gutem Ausgang!
    Bin sehr bestürzt über das Ganze, man fühlt sich wie in einem schlechten Film oder in einer verkehrten Welt, anders kann i das gar net beschreiben.
    Martin und Co, ihr seid meine Helden (klingt wahrscheinlich kitschig), wünsche euch alles alles Gute und viel Kraft und Energie in dieser Zeit!
    Ich glaub daran, dass jeder irgendwann das kriegt was er verdient, und für euch kann das nur die Freiheit bedeuten!!!

  16. ich hab dich/euch immer bewundert und hoffe so sehr, daß du dich nicht unterkriegen lässt und für die Gerechtigkeit weiter kämpfst.

  17. Meine Erkenntnis aus der Tierschützer-Hatz: Euer Tun ist unsagbar wertvoll.

    Und wenn wir schon bei Konstantin Wecker sind …

    Die weiße Rose:
    “Denn die aufrecht gehn, sind in jedem System nur historisch hoch angesehn.”
    http://www.lyriks.de/songtext/konstantin-wecker/die-wei-rose-232009

    Ach, du mein schauriges Vaterland:
    “Und jetzt würgt uns eine Demokratie,
    deren Recht so verdächtig gerecht ist,
    deren Ordnung hysterisch wie noch nie
    alles prügelt, was offen und echt ist.”
    http://www.lyriks.de/songtext/konstantin-wecker/ach-du-mein-schauriges-vaterland-231964

    Konstantin Wecker – Ballade vom Puff, das Freiheit heißt :
    “Kommen Sie in das Puff, das Freiheit heißt,
    die Kloake der Illusionen!
    Wer brav ins Töpfchen der Wahrheit scheißt,
    hat freies Essen und Wohnen.”
    http://www.lyriks.de/songtext/konstantin-wecker/ballade-vom-puff-das-freiheit-hei-231975

  18. Grundlegende Menschenrechte dürfen wir uns nicht nehmen lassen ! Es wäre so wichtig dass jedeR “ZweiflerIn” nur einen Tag dieses öffentlichen Prozesses beiwohnt um sich selbst ein Bild davon zu machen, was unser derzeitiges Rechtssystem unter “Recht auf ein faires Verfahren” versteht ! Einstimmig von x-MedienvertreterInnen und/oder ZuseherInnen die ebenfalls dabei waren kamen kopfschüttelnd heraus und meistens hörte man immer den gleichen Satz : “… so etwas habe ich noch nie erlebt ! “.
    Das so ein absurder Prozess überhaupt möglich ist lässt mich sehr an unseren Rechtsstaat zweifeln ! Heute sind´s die TierschützerInnen, morgen die Scheidungsväter und übermorgen vielleicht ein Fanclub eines Schachklubs !
    Nichts desto trotz wird sich der Tierscjutz nie und nimmer mundtod machen lassen !!!

  19. Sehr geehrter Hr. Balluch.

    Ich bin entsetzt über den Zustand unserer Justiz (Ortstafeln/Verfassung/Staatsanwälte, Tierschützerprozess), und wünsche Ihnen und den Mitangeklagten daß Recht und Gesetz in Ihrem Fall doch noch zum Zuge kommen. An eine Systemänderung auf lange Sicht mag ich nicht mehr hoffen.

    Ich hoffe es geht Ihnen den Umständen entsprechend gut, und wenn Sie sich in Ihrem Blog hie und da auch über ihr Befinden äußern sollten, so werde ich auch dies mit Interesse (und hoffentlich mehr beruhigt als sorgenvoll) verfolgen.

    Bei allem Engagement denken Sie bitte auch an sich und ihre Gesundheit, denn dieses Land braucht Leute wie Sie.

    Mit lieben Grüßen: Jan

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