Die Frage nach mehr direkter Demokratie in Österreich wird schon lange diskutiert. Am 5. November 2012 gab es dazu eine spannende Veranstaltung im Parlament mit dem Thema „Direkte Demokratie versus Parlamentarismus“. Bernhard Ehrenzeller von der Uni St. Gallen stellte dabei die Praxis in der Schweiz vor, wo mehrmals pro Jahr an Abstimmungswochenenden jeweils einige Volksabstimmungen gleichzeitig über Gesetze, Sachfragen und sogar das Gemeindebudget durchgeführt werden. Manche Arten von neuen Bundesgesetzen unterliegen einem obligatorischen Referendum, für andere müssen innerhalb von 3 Monaten 50.000 Unterschriften gesammelt werden, um eine Volksabstimmung über dieses neue Gesetz zu erzwingen. Mit 100.000 Unterschriften kann im Rahmen einer Volksinitiative eine Abstimmung über neue Gesetzesvorschläge erreicht werden, denen in der Praxis das Parlament einen eigenen Kompromissvorschlag entgegenstellt, sodass diese Volksinitiative, selbst wenn sie scheitert, wie das meistens der Fall ist, die Regierung zu einer Reaktion und einer Verbesserung im Sinne der Initiative bringt.
Das Beispiel Schweiz zeigt Vorteile und Gefahren der direkten Demokratie. Einerseits kann das Volk direkt die politische Praxis in einem viel größeren Ausmaß als z.B. in Österreich mitbestimmen, andererseits gibt es dann Volksabstimmungen z.B. über den Bau von Minaretten, deren Ergebnis unter Umständen mit den Menschenrechten kollidieren kann. Ehrenzellers Resümee am Ende seines Vortrags im Österreichischen Parlament war aber klar: direkte Demokratie ist zu begrüßen, die Vorteile überwiegen, die Gefahren stellen sich als sehr gering heraus. Im Allgemeinen entscheide sich das Volk sehr vernünftig und tolerant.
Im Tierschutz wäre eine direkte Demokratie in Österreich zweifellos das Sprungbrett für Fortschritte, die in einer repräsentativen Demokratie mit dem großen Einfluss der Wirtschaft auf die Entscheidungen unerreichbar scheinen. Bei Tierversuchen z.B. will allen Umfragen zufolge die große Mehrheit in Österreich wesentlich drastischere Einschränkungen als im Rahmen der Debatte über das neue Tierversuchsgesetz zur Diskussion standen, so sprachen sich 70% der Menschen für ein Verbot von Versuchen an Hunden, Katzen und Affen aus.
Ähnlich die Situation in anderen Bereichen: ein Verbot von Vollspaltenböden in der Schweinehaltung, verpflichtende Stroheinstreu, Mehrflächenbuchten und ein Auslauf ins Freie wären klar mehrheitsfähig. Oder ein Verbot der Jagd auf ausgesetzte Zuchttiere wie Fasane, Rebhühner und Enten, oder ein Verbot der Gatterjagd. Und die Qualzuchtrassen bei Mastgeflügel, sowie die unerträglich hohen Besatzdichten dort, will auch die Mehrheit ändern. In Österreich wären wir im Tierschutz auch so gut aufgestellt, solche Volksabstimmungen realistisch zu erreichen und zu gewinnen. Vom Standpunkt des Tierschutzes aus ist also eine Stärkung der direkten Demokratie zu begrüßen.
Die Regierung hat nun ein sogenanntes „Demokratiepaket“ in Begutachtung geschickt, nach dem das direkt demokratische Mittel des Volksbegehrens gestärkt werden soll. Weiterhin würde es aber zahnlos bleiben, weil Volksbegehren, auch wenn sie von der Mehrheit des Volkes unterstützt würden, nicht umgesetzt werden müssen, und umgekehrt, Volksbegehren umgesetzt werden könnten, auch wenn sie keine Mehrheit hinter sich haben. Leut einer IFES-Umfrage, die kürzlich durchgeführt wurde, wollen 72% der Menschen in Österreich ein Gesetz, das es ihnen ermöglicht, unter gewissen Bedingungen eine Volksabstimmung zu erzwingen.
Deshalb gibt es jetzt eine u.a. vom VGT unterstützte Petition für des Ausbau der direkten Demokratie, die auch online unterschrieben werden kann, http://www.demokratie2013.at/. Die 4 dort geforderten Punkte lauten:
- Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit bekommen, Volksabstimmungen auszulösen.
- Die Spielregeln dafür sollen Bürgerinnen und Bürger mitgestalten. Eine repräsentativ oder nach dem Zufallsprinzip zusammengesetzte Gruppe (“Bürger_innenrat”) soll einen Vorschlag für Direkte Demokratie erarbeiten. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen sich auf einer Internetplattform an diesem Diskussionsprozess beteiligen können.
- Die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sollen die erforderlichen finanziellen und sonstigen Ressourcen für den Prozess des Bürger_innenrats bereitstellen.
- Das Parlament soll im Vorhinein verfassungsrechtlich absichern, dass die Bevölkerung in einer Volksabstimmung entscheidet, ob der Direkt-Demokratie-Vorschlag des Bürger_innenrats oder der Vorschlag des Parlaments in Kraft tritt oder ob alles beim Alten bleibt.
Ich stimme gegen TTIP
So wenig Demokratie ist auch möglich:
http://taz.de/Celler-Grundsatzurteil/!113453/
Mehr als zynisch:
http://taz.de/Kommentar-Schotterer-vor-Gericht/!89703/
Dies alles, egal wie sehr die Bürger mehrheitlich gegen Atomtransporte sind. Egal, wie sehr man uns theoretisch versprochen hat, dass wir das Recht haben, eine Meinung nicht nur zu haben, sondern auch zu äußern.
Von einer Bananenrepublik unterscheidet uns (leider) nur noch die Außentemperatur.