28. März 2024

Im Wald

Schlaf, mein Kind, an den großen Wurzeln der 600 jährigen Tanne. Der alte Baum hat so viel gesehen, in seinem Leben! Die Jahrhunderte sind gekommen und wieder gegangen, er hat allem Unbill getrotzt. Jetzt gibt er uns ab, von seiner Weisheit und Ruhe. Nirgendwo schlafe ich besser, als draußen zwischen diesen Bäumen. Die Riesen geben mir Sicherheit. Ich fühle mich geborgen. Meiner Waldfee soll es ähnlich gehen.

Vergessen ist die Hektik des Alltags. Der Wald hat uns wieder. Ich spüre förmlich, wie der Sauerstoff aus den Blättern und Nadeln strömt, mir direkt in die Nase. Kreuz und quer liegen hier die verstorbenen Bäume, über Jahrzehnte hinweg. Langsam versinken sie im Waldboden und geben ihre Kraft über den Humus an die nächste Generation weiter.

Wo einer der alten Riesen fällt, wachsen sofort die jungen Buchen nach. Oft sind sie 50 Jahre und mehr in Erwartungshaltung erstarrt. Jetzt geht es rauf ans Licht!

Es bringt mich ins innere Gleichgewicht, hier zwischen Alt und Jung, allen Altersstufen, zu stehen. Der Kreislauf des Lebens, ein Kommen und Gehen. Und jeder Baum verschieden, der eine gebogen, der andere breit und gerade, mit Moos in allen Schattierungen.

Der Wald hat im Regen eine ganz eigene Atmosphäre. Plötzlich dampfen die Bäume, die Nebelschwaden ziehen, dazwischen ein Schattenspiel. Ich möchte mich herlegen und einrollen, die Nässe spüren und das Tropfen von den Blättern hören. Den Buchenstamm entlang rauscht das Wasser, während es unter dem Regendach der Fichte trocken bleibt.

Unter der Erdoberfläche sind alle Bäume hier miteinander verbunden. Ein Netzwerk von Pilzen vermittelt zwischen den Wurzelspitzen. Parasitenbefall wird genauso gemeldet, wie Nährstoffe im Bedarfsfall übergeben. Der Wald ist ein dicht verwachsenes Gebilde von Lebewesen, die einander stützen.

Es gibt keinen besseren Ort, um Lebensenergie zu tanken und mit dem wahren Ich in Kontakt zu treten, die Wirklichkeit in sich aufzunehmen. Selbst in einer Welt voll Leid und Schmerz wirkt das tief beruhigend. Es ist schon gut so, wie es ist.

2 Gedanken zu “Im Wald

  1. Es ist gut wenn junge Menschen den Wald, seine Ausstrahlung, seine Vitalität in möglichst unverdorbener Weise kennenlernen können.
    Damit sie eine Chance haben, eine Beziehung zu sich selbst, zu unserer Welt und zu dem was wir alle benötigen, aufzubauen:
    Natur ohne Hass und menschengemachtes Leid, ohne sinnlose Hektik, ohne sinnlose Gewalt, dafür mit Liebe, Ruhe und Empathie. Ich mag dieses Wort nicht besonders, weil es so oft auf blankes Mitgefühl reduziert wird – aber es steht für so unendlich vieles, wie Mitgefühl, wahrnehmen dessen, was um uns herum geschieht, was mit anderen Lebewesen geschieht, Teilhabe am Essentiellen des Lebens.

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