29. März 2024

Ist das wirklich das Ende des Tierschutzprozesses?

Kaum war das „nicht schuldig“ gesprochen, gestern am letzten Tag des Tierschutzprozesses, schossen mir die Tränen in die Augen. Was haben wir in diesem Gerichtssaal und im Gefängnis, das direkt mit dem Gerichtsgebäude verbunden ist, alles durchgemacht! Die ersten Tage und Nächte in einer engen Zelle mit einem Räuber zusammen, das fahle Scheinwerferlicht im Hof, das seltsam überirdische Gekreische der Häftlinge, wenn sie alle gleichzeitig durch die engmaschigen Fenstergitter miteinander sprechen wollen. Und dann die 14 Monate Prozess, oft 3 Tage pro Woche und zuweilen bis weit nach Mitternacht, in diesem Großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wr. Neustadt. Der Tiefpunkt war für mich der Tag, an dem der offensichtlich gekaufte linguistische Gutachter einfach so behauptete, ich sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ der Autor zahlreicher Bekennerschreiben, seine Argumente dafür unfassbar hirnlos und leicht durchschaubar waren, aber die Richterin mich nicht zu Wort kommen und das Gutachten kritisieren ließ, mich sogar, im Gegenteil, damit bedrohte, in meiner Abwesenheit zu verhandeln.

Wie anders jetzt die letzten 3 Prozesstage mit einem verständigen Richter, einer sympathisierenden Presse und jeweils einem klaren Freispruch. Und nun war ich das letzte Mal in diesem Saal, die Türen werden abgeschlossen. Vor 8 Jahren hat der fanatische Staatsanwalt, der jetzt im Berufungsverfahren zum Glück gar nicht mehr anwesend war, diese Ermittlungen begonnen. Dann war er in der Nacht bei meiner Hausdurchsuchung vor fast genau 6 Jahren dabei. Er saß unten in einem Auto und ließ sich live mittels Videokamera die Bilder liefern, wie mich vermummte WEGA-Beamte mit gezogenen Schusswaffen nackt aus dem Bett zerren, meine Wohnung 6 Stunden lang auf den Kopf stellen und mich letztlich ins Gefängnis bringen. Man führte mich ihm vor – da sah ich ihn zum ersten Mal – seine Augen zuckten vor Nervosität und er zischte, dass er alle Beweise gegen mich hätte. Ich fragte noch, wovon er rede, und er sagte, ich hätte Brandanschläge begangen und weiß der Himmel was noch.

Jetzt ist dieses Tollhaus geschlossen, der Prozess vorbei. Ich bin wirklich erleichtert – weil an eine erneute Berufung kann wohl niemand so recht glauben. Aber am 26. Juni 2014 beginnt für mich im Justizpalast am Schmerlingplatz 1 in Wien das Nachspiel. Balluch gegen die Republik Österreich, meine zivilrechtliche Schadensersatzklage für € 600.000. Werde ich bei den dortigen RichterInnen auf Verständnis stoßen?

Was bleibt unterm Strich von diesem Prozess? Die Aufarbeitung wird noch einige Zeit dauern. Eigentlich sollte es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben, um aufzudecken, wer hinter diesen ganzen Machenschaften gestanden ist. Aber ich fürchte da können wir lange warten.

Unmittelbar interessant ist die Frage, ob der Freispruch wegen Nötigung durch Ankündigung einer legalen Kampagne einen Präzedenzfall liefert, der eine neue Ära des Kampagnenrechts einläutet. Vor einigen Jahrzehnten galten noch Gewerkschaftsstreiks als Nötigung, dann wurde das Streikrecht erkämpft. Nun hätte eine zivilgesellschaftliche Kampagne eine Nötigung sein sollen, und der Richter hat dem eine klare Absage erteilt. Können wir also ab sofort davon ausgehen, dass unsere Kampagnen nicht mehr als Nötigung anklagbar sind, dass wir also ein verbrieftes Kampagnenrecht haben? Das wäre immerhin ein Fortschritt: § 278a reformiert und die Nötigung entschärft. Eine gute Entwicklung Richtung lebendiger Demokratie.

Für die letzten 3 Prozesstage sind übrigens sehr interessante Protokolle bereits online:

Tierschutzprozess 2.0: Verhandlung gegen Jürgen Faulmann

Tierschutzprozess 2.0: Verhandlung gegen 3 AktivistInnen der BAT

Tierschutzprozess 2.0: Verhandlung gegen Mag. Felix Hnat

4 Gedanken zu “Ist das wirklich das Ende des Tierschutzprozesses?

  1. Tiefe Dankbarkeit erfüllt mich, wenn ich sehe, wie Herr DDr. Balluch genau das tut, was wir alle tun müssten … uns mehr für die Tiere und die Gerechtigkeit einsetzen. Wir “normale” Menschen finden es mutig und richtig, dass jemand auch in unserem Namen den Kampf gegen die korrupte und perverse Gesellschaft aufnimmt und austrägt, und mein Flehen geht in die Richtung: “Bitte machen Sie weiter, bitte seien Sie weiterhin ein unbequemer Aufrührer und Aufzeiger, bitte lassen Sie nicht entmutigen! Und bitte seien Sie ein wenig nachsichtig mit dem kraftlosen Volk, das im besten Fall gerade noch vegan lebt und eine monatliche Kleinspende abdrückt.” Sie wissen gar nicht, WIE dringend wir Sie brauchen! Danke für alles!

  2. Mein Respekt für den Rechtsstaat Österreich hat ENDLICH gute Nahrung bekommen. Bin sehr erleichtert und freue mich mit allen Freigesprochenen!

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