28. März 2024

Ist eine Schweinebefreiung eine Tierquälerei?

Am letzten Prozesstag im Beweisverfahren ging es um die Frage, ob eine Schweinebefreiung aus einer intensiven Massentierhaltung eine Tierquälerei ist. Vielleicht assoziiert jemand mit Schweinebefreiung die Situation, dass die Schweine wochen- oder monatelang in der Wildnis um ihr Überleben kämpfen müssen, obwohl sie nie gelernt haben, für sich selbst zu sorgen. Darum ging es aber überhaupt nicht. Tatsächlich hatte jemand einfach die Türen der Schweinefabrik geöffnet und die Schweine konnten auf die umliegenden Wiesen gehen, aber auch jederzeit wieder zurück in ihre Buchten. Zusätzlich hatten sie Zugang zu einem Bereich, in dem die Nahrung gelagert wurde und dort rissen ein paar besonders neugierige Schweine die Nahrungssäcke auf und aßen, was sie kriegen konnten. Abgesehen davon gab es einen Fluss ganz in der Nähe und Gras zum Weiden. Das Wetter war auch so warm und angenehm, dass von dieser Seite nichts für die Tiere zu befürchten war. Die Tierquälerei, die der Staatsanwalt dem angeblichen Täter vorwarf, war ganz anders gelagert.

Die Schweine sind, nachdem die Türen offen waren, ins Freie gegangen. Dort trafen sie auf Schweine aus anderen Buchten. Der Betriebstierarzt – natürlich durch persönliche finanzielle Interessen mit der Schweinefabrik verbunden – hatte nach der Befreiung angegeben, dass einige der Schweine Kratzer von den Hufen anderer Schweine gehabt hätten, weil sie sich gegenseitig aufgeritten seien oder sich sonstwie gekratzt hätten. Diesen Schweinen habe er prophylaktisch – also nicht zur Behandlung von Wunden sondern zur Vermeidung möglicher zukünftiger Infektionen – ein entsprechendes Medikament verabreicht. Diese Behauptung, Medikamente verabreicht zu haben, konnte auch nicht objektiviert werden, sondern war lediglich eine Behauptung dieses Tierarztes der Schweinefabrik.

Auf der Basis dieser Aussagen wurde die Anklage der Tierquälerei konstruiert. Es sei ein anhaltendes Leiden und es seien nicht nur kurzzeitige Schmerzen gewesen, die die Schweine dadurch erduldet hätten.

Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen:

  • Da sind Schweine in einer Tierfabrik, die gerade einmal 0,5 m² pro Tier an Platz geboten bekommen und dadurch geistig verkümmern und psychisch durchdrehen. Sie können plötzlich ins Freie, die Sonne und den Wind spüren, frisches Wasser trinken, Gras essen und so weit laufen, wie sie wollen.
  • Da sind Schweine, die müssen lebenslang auf hartem Betonboden leben und es öffnet ihnen jemand die Türe und sie können hinaus, zum ersten Mal Gras unter den Hufen spüren, eine weiche Erde, Wasser oder Waldboden.
  • Da sind Schweine, die vegetieren auf Vollspaltenböden dahin, nie auch nur einmal in der Lage, ihre Hufe auf einen ebenen Boden zu setzen, und sie können plötzlich nach draußen und ihre wunden Gelenke finden Erleichterung.
  • Da sind Schweine, die müssen ständig den Geruch von Kot und Urin einatmen, weil sie über den Exkrementen ihrer ArtgenossInnen leben, und die können plötzlich an die frische Luft, tief durchatmen und den Wind auf der Haut spüren.
  • Da sind Schweine, die leben in einer völlig reizarmen Umgebung, in strukturlosen Buchten ohne Beschäftigungsmöglichkeit, denen jemand die Tür öffnet, sodass sie plötzlich die Natur in ihrer ganzen Komplexität erleben dürfen, Gräser, Blumen, Bäume, Insekten.

Da sind also Schweine, die leben in einer Weise, die ihnen keine Lebensqualität bietet, und jemand öffnet die Tür und sie können einmal, wenigstens, die Natur erleben. Wenigstens für kurze Zeit wird ihnen Lebensqualität und eine Unterbrechung der Stereotypie geboten. Und was sagt der Staatsanwalt? Es war Tierquälerei, weil sich vielleicht einige dabei gegenseitig aufgeritten sind! Was für eine Lächerlichkeit!

Hat der Fabriksbesitzer, übrigens ein ÖVP-Funktionär, sie wieder in die Tierfabrik zurücktreiben müssen? Mitnichten! Diese eigentliche Tierquälerei ist dem Besitzer anzulasten, weil er hätte ganz einfach den befreiten Schweinen eine Freilandhaltung bieten können. Ein mobiler Zaun um das Gelände wäre kein Problem gewesen und es gibt kleine Unterstände zu kaufen, die man rasch dorthin hätte schaffen können. Das ergab jedenfalls die Befragung des Sachverständigen.

Die Tierfabrik selbst ist eine Tierquälerei, und das Zurücktreiben der freien Schweine in die Tierfabrik das tierquälerische Handeln, nicht die Befreiung.

Am Ende der Befragung machte die Richterin auf mich nicht den Eindruck, als ob sie irgendjemanden wegen Tierquälerei verurteilen werde. Aber wir werden ja sehen, obwohl ja weder dem VGT noch mir diese Schweinebefreiung vorgeworfen wird.

6 Gedanken zu “Ist eine Schweinebefreiung eine Tierquälerei?

  1. Auf den Mist darf man ja nichteinmal eingehen. Gequälte Tiere durch die Befreiung weiter quälen und mehr Schuld bekommen als der Halter. Das man den Befreier auch noch wegen Tierquälerei anzeigen darf, ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Als gebe es keine anderen rechtlichen Möglichkeiten wie Schadenersatz oder was weiß ich, ich bin kein Jurist.

    Wie wenn die FPÖ sich gegen ihre Ausgrenzung wehrt und bei jedem Wahlkampf das Thema vorgibt, ist es auch, sobald man als Tierschützer den Vorwurf der Tierquälerei ausgesetzt ist.

    Wenn der Schweinehalter die Tiere nicht gesetzteswidrig hält und man keinen Gnadenhof für sie hat und das Geld, sie dem Halter abzukaufen, darf man nicht erwarten, dass die Tiere draußenbleiben und/oder es zu keinen Verletzungen und Notschlachtungen kommt. Wenn er aber gesetzteswidrig handelt, muss es andere Wege geben, als eine Befreiung. Wenn eine Anzeige nichts genützt hat, wird eine Befreiung der Schweine auch keine Veränderung bewirken.
    Nicht, dass die paar Stunden unter der Sonne den Schweinen nicht gefallen hätte. Trotzdem muss man fast hoffen, sie merken sich das Erlebnis nicht ihr restliches Leben in Gefangenschaft. Die Deprischweine jedenfalls wären danach noch unglücklicher. Die Schweine, die das Leben positiver sehen, werden wohl denken: “Wenigstens habe ich einmal Gras gerochen.” Natürlich ohne Worte, nur als Erinnerung von Eindrücken und Gefühlen, denke ich.

    Unsere Schweine übrigens, wurden immer sorgsam in ihren Buchten/Gruppen gehalten, da bekannt war, dass sich zumindest die Anführer gegenseitig umbringen. Das habe ich sogar mal wo gesehen.

    Wenn man schon weiß, dass man sich dem Vorwurf der Tierquälerei aussetzt wenn man den Tieren ein kurzfristiges Erlebnis bietet und der Tierschutzszene, in der heutigen Gesellschaft leider, einen langfristigen Schaden zufügt, sollte man es dabei belassen, professionelle unanfechtbare Videos zu machen und diese veröffentlichen. Ich weiß jetzt aber nicht, wie das mit den Seuchenschutzbestimmungen ist, die auch den Haltern helfen.

    Apropos Video:
    Im Film sah ich zwei lustige Beispiele solcher Tierbefreiungen. Einmal wollten Kühe nicht sofort aus dem gewohnten Bereich ausbrechen ein anderes Mal haben die Laboraffen den Befreier getötet und einen Zombievirus verteilt. Manchmal ist ein gutes Herz nicht brauchbarer als Sachverstand.

    @Diana:
    1. Leute so zu behandeln ist wie Todesstrafe. Es macht dich nicht besser und ändert die Situation nicht. Es kommen immer Leute nach, die vor deiner Strafe keine Angst haben.

    2. Woher nimmt sich der Mensch dieses Recht: Wie der Löwe denkt auch der Mensch nicht darüber nach, was er tut um zu essen und was er essen soll. Hauptsache es schmeckt. Der Unterschied ist nur, das der Löwe einen wichtige Platz in der Natur ausfüllt und der Mensch die Fähigkeit zu Denken hat, und diese dafür benutzt völlig dämlich zu sein und zu glauben er sei kein Tier, sich aber wie eines verhält.

    @Pegasus: Warum kommt der Züchter nicht auf die Idee?
    In einer Welt, wo jeder wachsen soll um wirtschaftlich zu bleiben, erleben die Bauern schon lange, was es heißt zu wachsen, wenn der Raum begrenzt ist. Entweder er kauft neues Land dazu und ruiniert den Bauern, der das Land vorher hatte, oder er nutzt seine Fläche effizienter. Dazu kommt der Wettbewerb und dass die Abnehmer (Genossenschaften, Handel) die Preise drücken. Alle spielen so lange mit, bis sie aufgeben müssen. Besonders in der Landwirtschaft, bestimmen die alten, mit oft alten Werten, bis zu ihrem Tod mit. Es gibt kaum noch Menschen, die den ersten Weltkrieg erlebt haben, aber die hatten meist andere Sorgen und Tiere waren für sie immer schon im Stall (je nach Region) und Hunde an der Kette. Die paar Birkenstock-Alternativlinge waren höchstens Spinner und für die Meisten ist es am wichtigsten, was die Gesellschaft (smehrheit) von ihnen hält. Dazu kommt, das meistens die Risikobereitschaft mit dem Alter abnimmt. Noch heute glauben die meisten Menschen, dass Fleischkonsum für das überleben bzw. die Gesundheit unverzichtbar ist.
    Sparen ist eine Tugend, Luxus ist Verschwendung. Und das Schneeberg.Landschwein ist ein Luxus und mit Glück hat es wenig zu tun, sondern eher mit dem Unglück, dass die Menschen keine Vegetarier werden wollen.

    Die “Linken Demonstrations-Arbeits-Verweigerer” genießen übrigens auch nicht den allerbesten Rückhalt in der Gesellschaft.
    Was also können wir tun? Wir müssen so leben, dass die Fleischesser uns beneiden. Und sie müssen das sehen. Das, und was sie mit ihrem Verhalten anrichten. Bis ihnen der Appetit vergeht bzw. auf Neues kommt. Dazu gehört noch ein haufen Transparenz in der Politik.

    Soda, lange genug gemotzt. Ich verzichte auf Vollständigkeit, das hier ist Martins Blog.

  2. Auf diese Idee der Umkehrung kam ja der Staatsanwalt, nicht die Tierärzte.
    Es ist völlig unverständlich warum ein Züchter nicht auf die Idee der natürlichen Tierhaltung kommt? So viele Kilo mehr kann das ja nicht bewirken, aber dafür gäbe es ja auch eine viele höhere Qualität für alle. Zum Glück gibt es ja das Schneeberg.Landschwein, das angeblich ‘mit artgerechter Tierhaltung und althergebrachter regionaler Fütterung eine besondere Qualität’ bringt. Gleich nebenan gehts doch!?

  3. Das ist eine kranke Welt.Ich würde diese Richterin und andere Ankläger für den Rest ihres erbärmlichen Lebens in so eine Bucht einpferchen und sie in ihrem eigenen Kot liegend dort “vergessen”. Was anderes haben sie nicht verdient. Woher nimmt sich der Mensch überhaupt das Recht über andere Lebewesen zu herrschen, sie zu töten,
    versklaven, ausbeuten, essen. Nur weil er es kann.
    Der Mensch ist die fieseste Spezies die jemals diesen Planeten bewohnt hat, ich schäme mich einer zu sein.

  4. Was ist das was Massentierzüchter machen?
    Video vom Schweinestall Entenfellner, der Vorträge über Schweinehaltung abhält, im Internet für jeden zu besichtigen.
    Meine Verdacht – leider keine Beweise – in anderen Ställen gehts nicht anders zu. Dafür kann man zu Dumpingpreisen Schweinefleisch kaufen. Welche Qualität zu diesen Preisen angeboten wird kann sich ein halbwegs gebildeter Mensch machen.
    Wenn ihm das egal ist und er dieses Qualfleisch (Streßhormone, eitrige Wunden, Gentechnik, Dioxin usw.) konsumiert, dann dürfen wir mit unseren Krankenkassabeiträgen die daraus entstehenden Krankheiten finanzieren.
    marianne jellasitz

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