28. März 2024

Medizinische Versuche an Menschen: Resultate werden genutzt!

Die USA schon wieder. Zwischen 1920 und 1975 wurden mehrere 10.000 Soldaten der US-Armee für Versuche benutzt, bei denen es um Chemiewaffen und mögliche Schutzmaßnahmen bzw. Heilung von dadurch entstandenen Schäden ging. Die Soldaten hatten – aus Patriotismus, insbesondere in der nach 1945 aufgeheizten Stimmung des kalten Krieges und der gefühlten Bedrohung durch Kommunismus und Sowjetunion, die angeblich Chemiewaffen entwickelt hatte – freiwillig zugestimmt, sich als Versuchsobjekte benutzen zu lassen, allerdings ohne zu wissen, genau wofür. Das war nämlich ein Militärgeheimnis. Im Edgewood Arsenal Programm wurden zwischen 1958-1975 insgesamt 7800 Soldaten Kampfgasen wie VX (740 Testobjekte), Sarin (246 Testobjekte) und hunderten anderen Wirkstoffen ausgesetzt. Selbst die CIA durfte dort Drogen an Soldaten erproben, z.B. BZ und LSD.

Viele dieser Soldaten wurden dadurch schwer gesundheitlich beeinträchtigt, manche lebenslang. Als 20 jährige Burschen, so sagen sie heute, wollten sie Helden für die Nation sein, jetzt bereuen sie längst, ohne Wissen, worauf sie sich einließen, und im Vertrauen auf die Integrität der Behörden ihres Staates, damals zugesagt zu haben. Einige der Betroffenen des Edgewood Arsenal Programms reichten 2009 eine Schadensersatzklage gegen die USA ein. Der zuständige Richter in Kalifornien wies Ende Juli 2013 diese Klage zurück. Das Urteil: den Versuchsveteranen steht keine zusätzliche Finanzhilfe des Staates zu, um die gesundheitlichen Langzeitfolgen, an denen sie noch laborieren, zu behandeln! Es gebe ein „Department of Veteran Affairs“, das sich nach dessen finanziellen Möglichkeiten den Problemen von Kriegsveteranen annimmt. Ob man jetzt durch eine Schusswunde im Krieg oder durch die Rolle als Versuchsobjekt bei Chemiewaffentests verletzt worden ist, mache keinen Unterschied. Es könne keine Sonderrolle für die Kläger geben.

Die Zeitschrift „New Scientist“, die in ihrer Ausgabe vom 3. August 2013 den Chef der damaligen MenschenexperimentatorInnen namens James Ketchum interviewt, äußert sich erstaunlich kritisch. Tierversuche werden dort ethisch nie hinterfragt, das Vorgehen von Überwachungsbehörden und des CIA sind sakrosankt. Doch diese Experimente an Menschen gehen selbst New Scientist zu weit. Zwar habe es eine Reihe von Medikamenten gegeben, die durch die Experimente entwickelt werden konnten und bis heute benutzt würden, wie z.B. Atropin, Pyridostigmin und Physostigmin, doch das Militär sei damals zu weit gegangen und habe die Menschen missbraucht. Aber, so wird beruhigt, heute sei das eh nicht mehr so.

Bleibt die Frage, ob die Ergebnisse dieser Menschenversuche zur Erweiterung des Wissens und für medizinische Zwecke heute weiter benutzt werden dürften, wo sie doch unethisch entstanden sind. Die Antwort der Chefredaktion des New Scientist ist klar: Ja. Unterstützt werden die JournalistInnen dabei von dem Bioethiker Jonathan Moreno von der Uni Pennsylvania in Philadelphia. Die Nutzung der Ergebnisse sei sogar ein Akt des Gedenkens an die Opfer. Der Fall liege ähnlich wie bei den Menschenversuchen der Nazis an Insassen der Konzentrationslager. Die Daten der Versuche im KZ Dachau über den Effekt von Unterkühlung z.B. seien bis heute die besten, die es dazu gebe. Man könne sie daher im Sinne der Menschheit nicht einfach verwerfen.

Interessant, die Position zu Menschenversuchen von Leuten, denen Tierversuche kein ethisches Problem sind. Dabei wird TierversuchskritikerInnen gerade von dieser Seite oft vorgehalten, sie würden Medikamente nutzen, die in deren Sinne unethisch entstanden sind. Jetzt hören wir aber aus demselben Mund, dass sogar durch brutale Menschenversuche in KZs erhaltene Medikamente oder Heilungsmethoden zu nutzen sind. Das sei ein Akt des Respekts den Opfern gegenüber. Die Soldaten, so schreibt New Scientist wörtlich, könnten Trost für ihr Opfer empfinden, wenn sie sich vor Augen halten, dass die Resultate der Experimente an ihnen intensiv publiziert wurden und bis heute der Menschheit dienen.

5 Gedanken zu “Medizinische Versuche an Menschen: Resultate werden genutzt!

  1. Wenn man alle Menschenversuche die bekannt sind aufzählt, sollte man auch diese erwähnen:

    Japaner haben schon vor dem 2. Weltkrieg Menschenversuche gemacht.
    Zu erwähnen wäre auch, dass es zu Kannibalismus kam.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsverbrechen_der_japanischen_Streitkr%C3%A4fte_im_Zweiten_Weltkrieg

    Angeblich gibt es auch in N-Korea Menschenversuche, was aber unbewiesen zu sein scheint.

    Interessant ist dieser wikipedia Artikel. Die Geschichte der Menschenversuche. Der Artikel enthält auch eine Erklärung, wieso Tierversuche gemacht wurden. Man höre und staune:

    “Will man unter medizinischen Menschenversuchen grundsätzlich nur wissenschaftlich geführte Experimente einordnen, so markiert nach heutiger Auffassung die Antike um 500 v. Chr. den historischen Ausgangspunkt. Medizinisches Leitbild der Antike war die Humoralpathologie des Hippokrates. Diese „Vier-Säfte-Lehre“ fand ihre Entsprechung in der Vier-Elemente-Lehre und manifestierte sich für viele Jahrhunderte im kulturellen Überbau sowohl der Griechen als auch der Römer. Demnach entsprachen sich auch alle Lebewesen in der Natur einander. So kam es, dass die Untersuchungsergebnisse von Krankheitsverläufen bei Tieren analog auf den Menschen übertragen wurden. Lange Zeit sah man daher keine Notwendigkeit für Experimente am Menschen und beschränkte sich auf Tierversuche und Nekropsien. ”

    Danach kam man auf Menschenversuche:

    “Erst mit Aristoteles ist die Auffassung überliefert, dass auch Untersuchungen am lebenden Menschen zum Verständnis von Krankheiten nötig seien, da sich der tote Leib so sehr ändere, dass die Ergebnisse nicht auf Lebendige übertragbar seien. Die ersten systematischen Vivisektionen begannen wahrscheinlich im hellenistischen Alexandria zum Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr.
    Vier Jahrhunderte später klagten römische Historiker die zwei alexandrinischen Wissenschaftler Herophilus und Eristratus an, sie hätten bis zu 600 Menschen bei lebendigem Leibe seziert.”

    Vieles von dem was Menschen tun, hat seinen Ursprung in ganz alten Vorstellungen, die aber meist gar nicht mehr bewusst sind. Ich glaube, dass Tierversuche bis heute gemacht werden, hat in diesem alten Denken seinen Ursprung.

    Heute macht man allerdings beides. Tier- und Menschenversuche.

    Jeder der für Tier- oder Menschenversuche ist, sollte sich einmal fragen ob er selbst bereit wäre sich für andere foltern zu lassen.

  2. In dem Artikel wird der frewillige und der erzwungene Test an Menschen vermischt.

    Alle Medikamente werden an Menschen getestet. Anders geht es ja auch gar nicht. Heute werden dazu “Freiwillige” verwendet, indem man deren finanzielle Notlage ausnützt und indem man sie über die möglichen Folgen nicht aufklärt. Auch Kinder werden herangezogen. Man braucht gar kein KZ, hat man herausgefunden. Es geht auch so ganz gut. Es gibt in Indien eine Ethikkommission, deren Vertreter vor Journalisten (die sich als Interessenten ausgaben) erklärte: “Es gibt eine Ethikkommission, weil es eine Ethikkommisiion geben muss!”. Also quasi auf dem Papier. Zwar real existierend, aber nicht arbeitend. War vor kurzem im dt. Fernsehen zu sehen. Oder es melden sich auch manchmal Europäer die unbedingt Geld brauchen. Vor nicht allzu langer Zeit war ein großer Wirbel, weil einige Testpersonen bei meinem Medikamententest in Europa, oder den USA schwer erkrankten. Vielleicht erinnert sich jemand daran? Ich hab vergessen wo das war.

    Nach diesen Tests werden die Medikamente dann am Patienten getestet.

    In der Zwischenzeit vergehen Jahre und viele Patienten die auf diese Medikamente warten, sterben inzwischen.

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