Man könnte die Ansicht vertreten, dass das Entwenden von 17 Rebhühnern aus dem „Besitz“ von Alfons Mensdorff-Pouilly im Südburgenland eine kriminelle Handlung war. Es könnte sich um dauernde Sachentziehung oder gar um Einbruchsdiebstahl gehandelt haben. Interessant dabei die Medienreaktionen. Ich mag etwas übersehen haben, aber überall wurde nur neutral oder sogar positiv davon berichtet. Niemand verdammte die Aktion als Selbstjustiz oder kriminell oder radikal oder gar extremistisch. Irr ich mich oder wäre das vor dem Tierschutzprozess noch anders gewesen? Selbst Klaus Hackländer, der in der Tierschutzcausa die Befreiung von Nerzen aus einer Pelzfarm als Tierquälerei bezeichnet hatte, muss mir wohl zustimmen, dass es für die Tiere besser ist, in einer geräumigen Voliere im Tierschutzhaus zu leben, als in der Massentierhaltung bei Alfons Mensdorff-Pouilly, um dort letztlich als Abschussbelustigung zu enden.
Doch ich habe hohe ethische Ansprüche und ich bekenne mich zu Rechtsstaat und Demokratie. Ist diese Aktion damit in Einklang zu bringen?
Ethisch gesehen, keine Frage. Hier befinden sich leidensfähige Lebewesen in einer tierquälerischen Situation und sind akut mit dem Tod bedroht. In so einem Fall ist Nothilfe gerechtfertigt, wenn man, wie ich, die Ansicht teilt, dass diese Tiere eigenständige Persönlichkeiten sind, und keine Sachen, die einem „Besitzer“ gehören, der das Recht hätte, ohne Rücksicht über ihr Schicksal zu bestimmen. Auch die „Underground Railroad“ im Falle der menschlichen Sklaverei wird heute wohl von niemandem als unethisch empfunden.
Demokratiepolitisch sieht die Sache zunächst anders aus. Hier besteht die Pflicht, sich an demokratisch entstandene Gesetze zu halten und die Sanktionen bei Übertretungen der Exekutive zu überlassen. Außer, ja außer diese Gesetze sind nicht demokratisch zustande gekommen, entsprechen nicht der Mehrheitsmeinung, die sich aus undemokratischen Gründen nicht durchsetzen konnte, oder sie sind bereits illegal, aber die Exekutive handelt aus undemokratischen Gründen, z.B. aufgrund des politischen Einflusses des Täters, nicht. Und genau diese Situation ist hier gegeben.
Die Mehrheit der BürgerInnen ist eindeutig gegen das Züchten von Tieren für die Jagd, aber diese Mehrheit kann sich nicht durchsetzen, weil die Mächtigen das einfach verhindern. Hier mangelt es an Waffengleichheit, die Jägerschaft, und insbesondere deren Elite, hat direkten Zugang zur politischen Entscheidungsebene, wir sind davon ausgeschlossen. Eine strafgesetzwidrige Aktion des Zivilen Ungehorsams ist dann als letzte Maßnahme im Rahmen einer umfassenden Kampagne gerechtfertigt.
Wesentliche Aspekte der Haltung und Nutzung der Rebhühner durch Mensdorff-Pouilly sind illegal, aber unsere Anzeigen fruchten nichts. Nach unserem Rechtssystem dürfen in einem solchen Fall die BürgerInnen ein geringeres Rechtsgut opfern, um ein höheres Rechtsgut zu retten. Tierschutz ist Staatsziel im Verfassungsrang, der Schutz der Tiere vor Tierquälerei daher ein sehr hohes Rechtsgut. Dagegen ist der finanzielle Verlust von Mensdorff-Pouilly durch den Sachwert der 17 Rebhühner minimal. Die Aktion war also auch juristisch gedeckt.
Und nicht zuletzt diente sie in symbolischer Weise dazu, die Frage der Nutzung von Tieren als Schießbudenfiguren öffentlich und offen zur Diskussion zu stellen. Es ist dieser Aspekt, die Förderung des demokratischen Konflikts, der die Aktion im Sinne der Demokratie begründbar macht.
Aber in Wahrheit geht es natürlich um das Schicksal der 17 Individuen. Eigentlich nur mehr 15, weil wir diejenigen mitgenommen haben, denen es physisch am schlechtesten gegangen ist, und 2 sind noch vor ihrer Rettung verstorben. Aber die restlichen haben sich erholt und fühlen sich, wie ich bei meinem letzten Besuch sehen konnte, pudelwohl. Was auch immer Aktionen für eine politische Bedeutung haben, der direkte Kontakt zu jenen Lebewesen, um deren Rettung und Wohlbefinden es letztlich geht, ist immer jener, der uns sicher sein lässt, auf der richtigen Seite zu stehen und das Richtige getan zu haben!