26. April 2024

Singvogelfang – eine merkwürdige Tradition

Das Hauptproblem im Tierschutz, so scheint mir, sind die Altlasten, also die althergebrachten Traditionen oder die etablierten Umgangsformen mit Tieren, die alle zu einer Zeit entstanden sind, zu der Tierschutz ein Fremdwort war. Abstrus erscheinen dann die Bemühungen zu begründen, dass genau diese Form der Tierquälerei eh nicht so schlimm wäre oder sogar für die betroffenen Tiere das Beste.

Ein solcher Fall ist der Singvogelfang, den es entgegen landläufiger Meinung auch in Österreich noch gibt, genauer im oberösterreichischen Salzkammergut. Als „Jagd des kleinen Mannes“ aus dem 17. Jahrhundert über uns gekommen, wird heute an dieser Tradition festgehalten, als ginge es um Sein oder Nichtsein. Und dann kommen die Argumente der sich selbst als „Vogelfreunde“ bezeichnenden Vogelfänger, dass die gefangenen Vögel es über den Winter viel besser in winzigen Käfigen hätten, als in der Freiheit nach mühsamer Reise im warmen Süden. Und natürlich würde der Fang in einer Falle keine Angst auslösen sondern förmlich das Vogelherz erfreuen, ja, ein Vogelfänger erklärte mir sogar, dass die Vögel schon auf ihn warten, bis er endlich ab Mitte September seine Fallen aufstellt, um sich dann mit Inbrunst freiwillig in seine Schlagfallen zu werfen. Dass zumindest sehr viele der gefangenen Vögel lebenslang gefangen bleiben, sei es als Lockvögel oder auf der Autobahn an TouristInnen verkauft oder eben artenschutzwidrig in den Händen ihrer Fänger, ist ein anderes Kapitel.

Jedem Menschen, der sich diesen Vogelfang anschaut, wird eigentlich sofort klar, dass es sich um eine Tierquälerei handelt, die nicht vernünftig zu rechtfertigen ist. Aber Traditionen werden eben um jeden Preis verteidigt, auch um den der Vernunft. Die zuständigen PolitikerInnen sagen dann meistens, dass die paar Vögel doch nur nebensächlich wären und dass es viel schlimmere Probleme gebe, auch im Tierschutz. Selbst für den Tierschutzsprecher der SPÖ ist der Singvogelfang im oberösterreichischen Salzkammergut ein Tabu.

Gestern war ich wieder mit einer Gruppe von TierschützerInnen im Salzkammergut wandern und traf oberhalb von Bad Goisern auf einem 1032 m hohen Gipfel um 8 Uhr früh einen Vogelfänger an, einen ganz jungen Burschen. Er hatte 8 Lockvögel in winzigen Käfigen an die umliegenden Bäume gehängt und mehr als 50 offene Schlagfallen rundherum aufgespannt. Zwei Wildvögel waren an diesem Morgen bereits in seine Fallen gegangen, ein tiefroter Gimpel und ein gelber Fichtenkreuzschnabel. Die beiden waren in kleinen Behältern in seinem Rucksack verstaut. Ich sah ihnen in die Augen und empfand großes Mitleid. Gerade noch waren die beiden in Freiheit, genossen die strahlende Morgensonne mit einem fröhlichen Lied, und plötzlich schlug die Falle zu und quetschte sie zwischen den mit einem Netz verspannten Metallbügeln ein, bis sie die derben Hände des Fängers in die Behälter verfrachteten. Was für eine Todesangst müssen diese Tiere jetzt erleben! Ich fürchte, sie werden nie wieder in Freiheit kommen. Und wozu das alles? Wozu auf diese Weise ein Leben zerstören? Kann je eine Tradition so viel wert sein, wie die Leben dieser kleinen Singvögel?

Der Vogelfänger gestern rief mit seinem Telefon zuerst zwei andere Vogelfänger und dann zwei Polizeibeamte „zu Hilfe“. Dass wir seine Tätigkeit filmten schien ihn sehr zu stören. Der erste Polizeibeamte, der am Tatort ankam, sprach mich gleich mit meinem Namen an und erklärte mir, dass er den Vogelfänger und seine Fallen für eine behördlich genehmigte Veranstaltung halte. Wir TierschützerInnen würden diese behördlich genehmigte Veranstaltung stören und müssten daher des Platzes verwiesen werden. Sollten wir nicht Folge leisten, würden wir festgenommen. Und das auf einem Gipfel mitten im Wald der Bundesforste, in dem es die Wegefreiheit gibt! Wir sind trotz dieser Drohung nicht weggegangen. Gegangen ist dann der Vogelfänger, der offenbar seiner Tätigkeit lieber im Geheimen nachgeht, wenn keine Kamera die Todesangstschreie seiner Opfer dokumentiert.

Die Polizei war zwar freundlich zu uns – eine direkte Konsequenz des gewonnenen Tierschutzprozesses – aber sie sieht auch hier ihre Rolle darin, den Status Quo der sinnlosen Tierquälerei gegen die legitime und legale Aufdeckungs, Dokumentations- und Öffentlichkeitsarbeit des Tierschutzes aufrecht zu erhalten, indem sie letztere aktiv behindert. Wir werden uns davon aber nicht aufhalten lassen. Die nächsten Wanderungen im Salzkammergut mit gezückten Kameras sind bereits geplant.

Ein Gedanke zu “Singvogelfang – eine merkwürdige Tradition

  1. Jedes Jahr zur Herbstzeit das selbe Drama und offenbar kein Ende in Sicht – trotzdem danke an die Tierschützer. Auch ein Beweis dafür, dass diese Art von Tradition jene Regionen im Gehirn verkümmern läßt welche für Vernunft und Mitgefühl zuständig sind, oder auch: ein Sinnbild partieller Verblödung.

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