Eigentlich hatte ich das ja schon angekündigt: https://martinballuch.com/?p=691
Am Montag dem 12. September 2011 erschienen 40 TierschützerInnen wie aus dem Nichts um Punkt 6 Uhr früh vor dem Landwirtschaftsministerium und schlossen vor den Augen eines dort anwesenden Portiers und zweier Polizisten 5 große Eingangstore des Haupteingangs und ketteten sich innerhalb von mitgebrachten Stahlrohren daran fest. Zusätzlich wurden zwei sogenannte Tripods, also 6 m hohe Dreibeine, davor aufgestellt, sodass auch die Einfahrten versperrt wurden. Oben an diesen Dreibeinen hingen ebenfalls Aktivisten, dazwischen war ein Transparent aufgespannt: „Herr Berlakovich, Schweine-Kastenstände sind rechtswidrige Tierquälerei!“ In weniger als 60 Sekunden war alles an seinem Platz und weder der Portier noch die Polizisten kamen überhaupt dazu, einzugreifen.
Zunächst erschien viel Polizei und beratschlagte, dann setzte man auf Zeit und unternahm nichts. Wir schickten unterdessen unsere Presseaussendungen aus und hatten einige Fernsehteams vor Ort. Viele weitere TierschützerInnen kamen vorbei und unterstützen uns, sogar Personen, die vorher noch nie aktiv waren, aber im Internet von der Aktion gelesen hatten. Insgesamt waren wohl an die 100 TierschützerInnen auf die eine oder andere Weise dabei.
Unsere Forderung war klar. Landwirtschaftsminister Berlakovich trat bisher nur als Sprachrohr der Schweineindustrie auf und hatte eine Entscheidung über ein Kastenstandverbot verzögert. Wir wollten also, dass er ein sinnvolles Angebot zur Einschränkung oder zum Verbot von Kastenständen während der Säugezeit, den sogenannten Abferkelgittern für die Mutterschweine, veröffentlicht, damit die Verhandlungen darüber mit Minister Stöger eingeleitet werden können.
Nach einigen Stunden wurde mir vom Generalsekretär des Landwirtschaftsministeriums ein Gespräch angeboten. In der Anwesenheit seines Bodyguards erklärte er mir, dass Berlakovich Gesundheitsminister Stöger ein ernst zu nehmendes Angebot zur Abschaffung von Kastenständen gemacht habe, dass es nur noch um die Anzahl der Tage im Kastenstand ginge und wie lange die Übergangsfristen wären. Ich rief umgehend im Gesundheitsministerium an und erhielt die Auskunft, dass seit dem Gespräch Ende Juli, an dem ich ja selbst teilgenommen hatte, nichts Neues geschehen sei. Wir blieben also vor Ort. Ein Landwirtschaftsministerium, das gegen eine 80% Mehrheit Kastenstände für tiergerecht hält, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Belastung der Tiere sowie die Erfahrungen mit alternativen Systemen in freien Buchten ignoriert und den Umstand, dass laut Volksanwaltschaft die Kastenstandhaltung dem Tierschutzgesetz widerspricht und dadurch ein Verfassungsbruch vorliegt (die Schweinehaltungsverordnung widerspricht dem Tierschutzgesetz), keines Kommentars für würdig hält, soll geschlossen bleiben. So ein Ministerium brauchen wir nicht!
Nach 12 Stunden Blockade, um 18 Uhr, kamen zwei Beamte des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Wien zu mir und sagten, wenn wir nicht in 5 Minuten gehen würden, werde man uns räumen. Chef dieses LVT ist mittlerweile Herr Erich Zwettler, jener SOKO-Tierschutz-Chef, der vor Gericht gelogen hatte. Darüber wollten die beiden nicht reden und gingen, erbost über mein Nichtreagieren, wieder davon.
Kurz darauf erschienen gut 100 PolizeibeamtInnen auf der Bildfläche und kreisten uns ein. Ein WEGA-Trupp rüttelte am ersten Dreibein, bis auch diesen BeamtInnen klar wurde, dass das sehr gefährlich war. Diese Gebilde sind sehr fragil und ein Einstürzen führt dazu, dass der oben hängende Aktivist aus 6 m Höhe auf den Beton fällt. Also wurden mehrere Feuerwehrautos mit langen Leitern gerufen. Mit den Körben am Ende dieser Leitern wurden die Dreibeine angehoben und die Aktivisten sozusagen „herunter gepflückt“. Die Feuerwehrmänner waren übrigens durchgehend sehr nett und freundlich, niemals gewalttätig.
Dann ging die WEGA daran zu versuchen, die AktivistInnen aus den Stahlrohren zu schneiden. Die Hände der AktivistInnen waren mit Ketten in den Rohren zusammengesperrt, das Rohr konnte man aber nicht zerschneiden, weil man die AktivistInnen sonst verletzen würde. Auch mit einer Flex ließ sich nichts machen, weil die Stahlrohre davon sehr heiß würden. Also musste die WEGA jene 8 TierschützerInnen in ihren Stahlrohren angekettet sitzen lassen, denen sie nicht die Arme aus den Ketten ziehen oder die Ketten im Rohr mit engen Scheren losschneiden konnten.
Dann wurden Tretgitter um die angeketteten Personen gezogen und von Polizei bewacht. Später in der Nacht intervenierte die Menschenrechts- und Tierschutzsprecherin der Grünen, Christiane Brunner, beim Einsatzleiter und konnte erreichen, dass die 8 angeketteten Personen versorgt und für die Nacht eine Vertrauensperson neben sich haben durften. Dennoch ist es sehr mühsam, unter direkter Polizeibewachung so lange angekettet zu bleiben. Um 12:30 Uhr am nächsten Tag, nach 30 ½ Stunden Blockade, machten sich die 8 Personen freiwillig los.
Plötzlich wurden sie von der Polizei umstellt und mit der Festnahme bedroht. 3 der AktivistInnen gelang die Flucht, die restlichen 5 wurden in die Rossauer Lände geführt und eingesperrt. Mehr als 30 Personen protestierten spontan vor dem Gebäude. Die 5 verweigerten jede Auskunft über ihre Identität, gaben also weder Namen noch Wohnadresse bekannt, und beantworteten auch die Fragen beim Verhör durch die Terrorismusbekämpfer vom LVT nicht. Ein Tierschutzanwalt leistete ihnen Beistand. Warum ein Amt für Terrorbekämpfung Personen befragt, die sich bei einer Demo an eine Tür gekettet haben, blieb unbeantwortet. Aufgrund des beträchtlichen öffentlichen Drucks – zahlreiche Medien fragten bei der Polizei über den Verbleib der TierschützerInnen nach – wurden die 5 nach 9 Stunden Haft freigelassen, ohne dass die Polizei ihre Identität erfahren hatte.
Es ist schaurig und gruselig, in einem Land zu leben, in dem ein Beamter, der vor Gericht lügt, zum Chef einer so mächtigen Behörde befördert wird.
Ich habe die Aktion mit Spannung verfolgt. Meine Hochachtung vor diesem gelebten Idealismus.
Was den Herrn Zwettler und seinen LVT anbelangt: Aufgrund eines kleinen Verwaltungsvergehens wurde hier offensichtlich versucht Tierschützer unverhältnismäßig hart zu behandeln und einzuschüchtern um den Tierschutzprozess auf einer anderen Ebene fort zu führen.