17. November 2024

Warum haben Sie sich nicht distanziert?

Eine der häufigsten Fragen in diesem an Seltsamkeiten kaum zu überbietenden Prozess ist, warum sich diese oder jene Person, oder dieser Verein, nicht von verschiedenen Straftaten öffentlich distanziert hätte. Nach Sicht der Richterin würde das offenbar eine kriminelle Mitschuld belegen, z.B. im Sinne der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation. Als guter Bürger bzw. gute Bürgerin sollte man offenbar beim Auftreten einer Sachbeschädigung sofort auf Distanz zum Tierschutz gehen und die jeweilige Kampagne einstellen. Auch in einem kürzlichen Artikel von Akin steht ein ähnlicher Vorwurf gegen mich:
http://akin.mediaweb.at/2010/06/06klenk.htm

Also zunächst einmal frage ich, wann sich jemals, jemals, der politische Gegner des Tierschutzes von den Gewalttaten gegen den Tierschutz distanziert hat. Käme z.B. ein Zirkus auf die Idee, sich in einer Presseerklärung von der Gewalt eines anderen Zirkus gegen Tierschutz-DemonstrantInnen zu distanzieren? Es gab sehr oft derartige Gewaltangriffe, oft mit schwer verletzten Personen. Nicht einmal der Zirkus, von dem diese Gewaltattacken ausgingen, hat sich von so einem Angriff je distanziert.

Oder die ÖVP. Im Jahr 2004 gab es eine sehr intensive Kampagne für ein Verbot von Legebatterien und da die ÖVP als einzige Partei hartnäckig an den Legebatterien festhalten wollte, nutzten wir die Landtagswahlen zu dieser Zeit, um in öffentlichen Kundgebungen diesen Standpunkt der ÖVP als Wählerinformation zu verbreiten. Auf einer derartigen legalen Kundgebung anlässlich der Landtagswahlen in Kärnten hielt ich eine Rede, als plötzlich der damalige Agrarsprecher der ÖVP, Robert Lutschounig, zu mir stürzte, mir ins Gesicht schlug und das Transparent hinter mir zerriss. Er gab die Attacke zu und zahlte 700 Euro Wiedergutmachung. Hat sich jemals irgendwer aus der ÖVP bemüßigt gefühlt, sich von dieser Gewalttat ihres Agrarsprechers zu distanzieren? Nein!

Ich hätte noch viele weitere Beispiele. Die Besitzer von Pelzgeschäften haben mehrmals Tierschützer geschlagen, dem VGT wurden die Schlösser verklebt und die Autos mit Lack übergossen. Bei Kundgebungen vor Kleider Bauer wurden sowohl in Wien als auch in Graz und Innsbruck friedliche DemonstrantInnen von nachweislich bezahlten Schlägern angegriffen und verletzt. Gab es da jemals eine Distanzierung seitens der Besitzer von Kleider Bauer oder der von Pelzgeschäften? Nein!

Lassen Sie mich raten: In allen diesen Fällen hatten diese Personen bzw. Firmen und Parteien eine klammheimliche Freude an unserem Schaden. Hätte eine SOKO unsere politischen Gegner damals abgehört, möchte ich nicht wissen was für Hassparolen dabei zutage getreten wären!

Letztes Wochenende war ich auf der Buchmesse in Leipzig. Auf meiner Bahnfahrt dorthin hatte ich einen Aufenthalt in Dresden und las dabei eine kleine Ausstellung am Bahnhof über heftige Proteste dort vor der Wende Ende 1989. Damals fuhren Züge mit Flüchtlingen aus Prag durch den Bahnhof Dresden nach Westdeutschland, und zig Tausende Menschen wollten aufspringen oder eigene Züge für die Ausreise erzwingen. Man stürmte den Bahnhof. Die Polizei schritt mit Wasserwerfern und Schlagstöcken ein. Einige DemonstrantInnen reagierten mit Gewalt, warfen mit Steinen und zündeten ein Polizeiauto an.

Was macht – laut Richterin – ein guter Bürger bzw. eine gute Bürgerin in so einem Fall? Heimgehen und mit der Demonstration aufhören? Sich dann noch in einer Presseaussendung von diesen Taten zu distanzieren und am Ende vielleicht gar der Stasi Hinweise auf die TäterInnen zu geben?

Ich denke, dass nicht einmal die Richterin in diesem Fall so handeln oder das von anderen erwarten würde. Das Anliegen ist zu wichtig, man würde sich daher weiter friedlich engagieren und diejenigen, die Gewalttaten setzen, vielleicht emotional verstehen, aber versuchen zu beruhigen und wieder in den gewaltfreien Widerstand einzugliedern, weil das  viel sinnvoller und effektiver ist. Man würde versuchen, die Gewalttaten in der Masse friedlicher Aktionen untergehen zu lassen, sodass sie im Verhältnis irrelevant werden und weder der Behörde noch den Medien als Ausrede dienen können, die gesamte Bewegung als radikal oder kriminell zu verunglimpfen.

Genauso im Tierschutz. Das Thema ist zu wichtig, man kann nicht einfach aufhören mit einer Kampagne, weil irgendwer eine Straftat gesetzt hat. Man sieht sich aber auch nicht in der Rolle, gegen diese Straftaten vorzugehen. Man setzt sich also umso mehr friedlich und gewaltfrei ein, um die Straftaten verhältnismäßig irrelevant werden zu lassen, sodass sie nicht zur Verunglimpfung oder Kriminalisierung der ganzen Bewegung herangezogen werden können.

Leider geschah damals in der DDR, was heute in Österreich im Tierschutz geschieht: Die Bewegung wurde kriminalisiert und die Auffälligsten der friedlichen und gewaltfreien DemonstrantInnen wurden polizeilich verfolgt, in U-Haft genommen und vor Gericht gestellt. In beiden Fällen hat man ihnen eine ideelle Mitschuld an den Sachbeschädigungen Unbekannter angelastet und sie mit einer langjährigen Gefängnisstrafe bedroht.

In der DDR kam kurz darauf die Wende. Ich hoffe, das geschieht auch in unserem Fall.

Ein Gedanke zu “Warum haben Sie sich nicht distanziert?

  1. Es ist höchste Zeit Machtmonopole aufzulösen. Offenbar sind viel zu wenige Menschen reif genug um solche machtpositionen zu bekleiden ohne ihre Ämter für die fragwürdigsten Machenschaften zu missbrauchen.

    Ich wünde allen, die dabei helfen hier wichtige zivilgesellschaftliche Bewegungen einzuschüchtern und Mundtot zu machen, dass sie selbst bald erfahren wie ihr Handeln wirkt, wenn sie in der Rolle jener stecken, die das über sich ergehen lassen müssen. Dann sind sie bestimmt die am wenigsten duldsamen, die sich besonders schnell zu Gewalt hinreißen lassen, denn sie nutzen sie ja sogar schon in ihrer überlegeneren Position.

    Angst davor nicht genug zu bekommen ist keine Entschuldigung für Ruchlosigkeit. Niemand hat das Recht andere zu missbrauchen, bloß weil er dazu in der Lage ist.

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