Unsere TerrorbekämpferInnen und SchützerInnen der Verfassung berichten Jahr für Jahr von den Gefahren, denen unsere demokratische Grundordnung ausgesetzt ist, in einem Schreiben, das „Verfassungsschutzbericht“ heißt und veröffentlicht wird. Die „staatsfeindlichen Gruppen“ setzen sich darin aus RechtsextremistInnen, LinksextremistInnen und „Militanten Tierrechtsgruppen“ zusammen.
Als Nachweis des Bedrohungspotenzials für unsere Verfassung werden Statistiken von Anzeigen angeführt, die im jeweiligen Berichtsjahr von den akribisch recherchierenden VerfassungsschützerInnen den extremistischen Lagern zugeordnet werden. Rechtsextremismus schlug dabei im Jahr 2011 mit 963 und im Jahr 2012 mit 920 Strafanzeigen zu Buche. Der Linksextremismus dagegen wirkt deutlich weniger bedrohlich: 138 Strafanzeigen 2011 und 198 im Jahr 2012. Die Anzeigen gegen „militante Tierschützer“ grundeln dagegen in beiden Jahren bei 16, siehe https://martinballuch.com/?p=3094, wobei es sich dabei ausschließlich um Bagatelldelikte handelt, die mit dem heimlichen Filmen von Tierfabriken in Zusammenhang stehen und (zu 25%!) das Herabwürdigen religiöser Lehren betreffen. Mangels strafrechtlicher Relevanz wird das Kapitel über Tierschutz seit 2 Jahren mit einer Liste von Verwaltungsübertretungen aufgefettet, die allerdings von 2011 zu 2012 von 89 auf 10 abgenommen haben. Ein überschaubares Drohpotential, sozusagen.
Abgeordneter Stefan Markowitz, zunächst BZÖ nun Team Stronach, brachte zusammen mit KollegInnen im Juli 2013 eine parlamentarische Anfrage bei der Innenministerin ein, siehe http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/J/J_15491/index.shtml. Er wollte wissen, wie es denn eigentlich mit Anzeigen wegen Tierquälerei stünde. Die Antwort kam jetzt im September:
Strafrechtliche Anzeigen wegen Tierquälerei wurden im Jahr 2011 insgesamt 751 eingebracht, im Jahr 2012 waren es sogar 788. Mehrheitlich traf es NÖ und die Steiermark, aber die Anzahl der Vorfälle in OÖ und Wien ist auch auffällig hoch. Die ORF-Sendung „heute konkret“ widmete dem Thema einen eigenen Beitrag: http://tvthek.orf.at/programs/4660549-heute-konkret/episodes/6708465-heute-konkret/6708469-Tierquaelerei
Die Fälle von strafrechtlicher Tierquälerei können also mit den Straftaten des Rechtsextremismus in Österreich durchaus mithalten. Und sie werden jährlich mehr. Das sei möglicherweise darauf zurückzuführen, meint man im Ministerium, dass die BürgerInnen aufmerksamer werden und Tierquälerei ernster nehmen. Das Ausmaß dieses Phänomens kommt also erst langsam ans Licht. Dabei geht es um handfeste Gewalttaten, wie das Verstümmeln der Genitalien von Pferden oder das Abschießen dieser Tiere mit Pfeilen. Wo bleibt also das Kapitel „Militante TierquälerInnen“ im Verfassungsschutzbericht? Doch mit einer Aufklärungsrate von unter 8% widmet man diesem Thema seitens der Exekutive bisher offenbar nicht sehr viel Aufmerksamkeit.
Abgeordneter Markowitz und KollegInnen wollten von der Innenministerin übrigens auch wissen, wie intensiv 2011 und 2012 gegen TierschützerInnen ermittelt worden ist, wie viele Anzeigen es gegen solche Personen gab und von wem diese kamen, ob z.B. von Privaten, Gewerbetreibenden, LandwirtInnen oder TiertransportunternehmerInnen. Doch dazu hüllte sich die Ministerin in Schweigen. Es würden keine entsprechenden Statistiken geführt, war die lapidare Antwort, das wäre ein zu hoher Verwaltungsaufwand. Woher stammen dann die Zahlen im Verfassungsschutzbericht?
Faktum bleibt, die strafrechtlichen Anzeigen wegen Tierquälerei übersteigen die Bagatell-Straftaten von TierschützerInnen beim Versuch, diese Tierquälereien aufzudecken, um das 50 (!) fache. Die verwaltungsstrafrechtlichen Anzeigen wegen Tierquälerei nach dem Tierschutzgesetz liegen übrigens noch einmal deutlich höher bei mehr als 5000. Ist es keine größere Bedrohung der demokratischen Grundordnung, wenn Tierquälereien in diesem Ausmaß durchgeführt werden und dagegen kaum ermittelt wird, als wenn TierschützerInnen beim Versuch, Tierquälereien zu filmen, Zäune verbiegen oder sich bei Kundgebungen mit Tiermasken kreuzigen lassen?
Es ist ein bewusst selektives Vorgehen seitens der Stasi – seit ich Stasi-Museum und -Gefängnis in Berlin besucht habe, sind mir die erschütternden Parallelen zu Österreichs Stasi, im Vorgehen gegen die Tierschutzszene (und anderen Beispielen), erst so richtig klar geworden. Zwar mögen sich die Methoden in ihrer Vehemenz doch (noch) unterscheiden, so heißt es, jetzt erst recht auf der Hut sein: denn wenn System und Gesetzeslage es zulassen, so finden sich auch immer Menschen die dann nur ihre “Pflicht” tun, egal in welcher Ausprägung.