Florian Gartler hatte auf einen Blogeintrag hier reagiert. Als Jäger kommentierte er jagdkritische Stellungnahmen von mir seinerseits kritisch. 2 Wochen später, am 7. März 2014, diskutierten wir öffentlich im afroasiatischen Institut der Uni Graz zusammen mit 70 ZuhörerInnen über die Jagd, siehe https://vgt.at/presse/news/2014/news20140310es.php.
Es gibt einige Auswüchse der Jagd, wie die Züchtung von Fasanen, Stockenten und Rebhühnern zum Abschuss, oder auch von Paarhufern in steirischen Wildgattern, deren Zeit langsam abläuft. Selbst unter der Jägerschaft wäre ein Verbot dieser Praktiken bald spruchreif. Beim VGT versuchen wir dazu nun einen ernsthaften Schritt, indem wir eine diesbezügliche Petition im steirischen Landtag einbringen, und sollte diese nicht durchgehen, 17.000 Unterschriften für eine Volksbefragung in der Steiermark sammeln wollen. Zu diesen und ähnlichen Fragen können wir mit Gartlers Zustimmung rechnen.
Zur Fütterung und Hege
Positiv überrascht war ich davon, dass mein Diskussionspartner die Jagd nicht mit der „Ernte der Früchte des Waldes begründete“. Karoline Schmidt hat dazu treffend in der Presse geschrieben: Für Uneingeweihte ist kaum vorstellbar, welche Mengen Futter seit Jahrzehnten in unseren Wäldern ausgelegt werden. Eine Überschlagsrechnung: Mehr als 150.000 Stück Rotwild leben in österreichischen Jagdrevieren. Etwa drei Viertel davon verbringen den Winter an einem Futtertrog. Was heißt Winter! Sieben, acht, oft neun Monate ist Fütterzeit, denn die Winterfütterung ist besonders im Frühling wichtig, weshalb die Jäger schon im Herbst damit beginnen. Fünf Kilogramm Futter pro Stück und Tag, gut 200 Tage lang, macht mehr als 100 Millionen Kilogramm Mais- und Grassilage, Rüben, Apfeltrester und Heu, die alljährlich dem Rotwild vorgelegt werden. […] Jagen, ohne zu füttern, gilt in Jägerkreisen fast schon als Raubbau. Die emotionale Grenze zwischen Jagd und Viehzucht ist da bereits gefallen. Damit einhergehend, und mit der zeitgleich vermehrt ablehnenden Einstellung der Gesellschaft zur Jagd an sich, zum Erlegen von Wild, hat sich auch der Gefühlswert des Begriffs „Jagdbeute“ verändert. […] Ernten hingegen kann man die Früchte der eigenen Hege. Der geerntete Hirsch ist in einer zunehmend antimilitaristischen Gesellschaft auch innerhalb der Jägerschaft lieber gesehen als der erbeutete. […] Jagderfolg ist jetzt nicht mehr Göttergeschenk oder Jagdglück, beruht nicht mehr auf Ausdauer, Kraft und List, sondern ist der Ertrag eines richtigen Hege- und Jagdmanagements.
Gartler wollte dagegen die Winterfütterung als ökologische Maßnahme zur Rettung von Wald und Wild begriffen wissen. Entgegen aller Evidenz seitens der FörsterInnen allerdings, siehe z.B. https://martinballuch.com/tatort-wald/. Auf vielen Seiten des Buches „Tatort Wald“ wurden Gartlers Argumente vorweggenommen, als Jagdpropaganda bezeichnet und auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen widerlegt: Nein, die Wanderer sind nicht das Problem für die Wildtiere, im Gegenteil, selbst lärmende Wandergruppen machen nachweislich Rehe und Hirsche nicht scheu, im Gegensatz zur Jagd, die sie sogar zu artwidrigen Verhaltensweisen drängt, wie z.B. der Nachtaktivität. Und wiederum nein, Rehe und Hirsche würden nicht aussterben, wenn man sie nicht mehr durch den Winter füttert. Sie sind evolutionär sehr gut an die kalte Jahreszeit angepasst, sie vermehren sich dann einfach durch den Nahrungsengpass der Wintermonate weniger. Und, ebenfalls nein, die Fütterung verhindert nicht den Waldverbiss, sie fördert ihn.
Der Tod in der Lawine und das Jagdritual
Bemerkenswert fand ich an der Diskussion aber auch, dass sich bei gewissen Fragen Gräben zwischen unser beider Auffassungen auftun. Gartler sprach davon, dass Wanderer Gemsen in lawinengefährdete Hänge verdrängen würden und meinte dann, er sei immer so tief erschüttert, wenn er im Frühjahr tote Gemsen aus dem Schnee ausapern sehe. Dagegen empfindet er die Streckenlegung nach einer Jagd, also das Auslegen der erschossenen Tierleichen im Feuerschein von Fackeln, als Ehrerbietung den Tieren gegenüber. Selbst einen der seltenen Auerhähne todzuschießen und sich dessen ausgestopften Körper als Trophäe an die Wand zu hängen, ist für ihn kein moralisches Problem.
Ich habe eine Menschenleiche nach einem Mord gesehen. Und ich habe einen Menschen gesehen, der in einer Lawine gestorben ist. Und das Entsetzen, das mich bei diesen Vorfällen gepackt hat, ist nicht vergleichbar. Der Lawinentod ist ein Risiko, das mit dem Ausleben der Autonomie einhergeht, er ist tragisch, aber kein Grund zur Verzweiflung. Auch ich war schon einmal in einer Lawine, und sollte ich auf diese Weise sterben, braucht man mich nicht zu bemitleiden. Dafür konnte ich frei in den Bergen leben. Ganz anders beim Mord, d.h. dem vorsätzlichen Töten. Das ist furchtbar, erschreckend, entsetzlich. Das darf nicht wieder passieren, da muss sich etwas ändern. Das sind meine Gefühle dabei, egal ob das Opfer ein Mensch oder eine Gemse war. Niemals könnte ich verstehen, warum es schlimmer sein soll, dass ein frei und autonom lebendes Wesen durch die Gefahren der Naturgewalten stirbt, denen es sich aussetzt, als durch die Gewalt eines Menschen mit aus der Zivilisation gespeisten, hochtechnisierten Waffen. Und diese Gewalt mit Ritualen und Trophäen zu zelebrieren, ist abstoßend. Ich stelle mir vor, ein Jäger schießt meinen Hund ab und hängt seinen Kopf bei sich an die Wand. Das wäre keine Ehrerbietung, sondern eine letzte Verhöhnung des Opfers!
Beim Link
https://vgt.at/presse/news/2014/news20140310es.php.
bitte hinten den Punkt entfernen.
Danke,
Bernd