Der Verwaltungsgerichtshof soll über den Liegebereich der Schweine entscheiden: ist das das vorzeitige Ende des Vollspaltenbodens?
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, war es in Wahrheit ein langer Kampf, diese Bestimmung, nämlich Punkt 2.1 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung, endlich in den Gesetzestext zu reklamieren. Seit 1. September 2022 steht dort wörtlich: „Buchten müssen so gebaut sein, dass die Schweine Zugang zu einem physisch […] angenehmen Liegebereich haben, der […] so viel Platz bietet, dass alle Schweine gleichzeitig [darauf] liegen können.“ Der von mir jetzt angezeigte Betrieb im Bezirk Leibnitz könnte ein Präzedenzfall werden, der letztlich vom Verwaltungsgerichtshof entschieden wird. Pocht dieser auf die Umsetzung der Bestimmung, dann ist der Vollspaltenboden viel früher als 2040 Geschichte.
Mein Argument: Da ein Vollspaltenboden überhaupt keinen eigenen Liegebereich bietet, geschweige denn einen physisch angenehmen, müsste diese Haltungsform damit doch ausgeschlossen sein. Nirgends in dieser Verordnung steht, dass ein Vollspaltenboden erlaubt ist. Es steht nur da, wie breit und in welchem Abstand Spalten ausgeführt sein müssen, wenn es sie gibt. Dass sie den gesamten Buchtenboden überdecken, wird nirgends explizit erlaubt aber auch nicht explizit verboten. Doch die neue Bestimmung verbietet den Vollspaltenboden eindeutig implizit. Wenn der Gesetzgeber von physisch angenehmem Liegebereich spricht, dann kann er nicht gemeint haben, dass man keinen eigenen Liegebereich vorsieht, oder dass man die Schweine einfach auf steinharten, scharfkantigen Betonspalten liegen lässt. Wozu sollte der Gesetzgeber von einem Liegebereich sprechen, auf dem alle Tiere gleichzeitig liegen können, wenn es auch die Option gäbe, nur die gleichförmige Bucht ohne eigenen Liegebereich zu verwenden? Da können die Sprecher von Styriabrid und von der Bezirkskammer in der Kleinen Zeitung noch so Ausreden suchen. Die Frage bleibt: wo ist auf Vollspaltenboden der für alle Schweine vorgeschriebene, physisch angenehme Liegebereich, auf dem alle Tiere gleichzeitig Platz haben?
Die Bestimmung, dass es einen physisch angenehmen Liegebereich geben muss, steht bereits in der EU Richtlinie von 2008. Allerdings ursprünglich auf englisch. Und da hat man, offenbar unter Einfluss der Schweineindustrie, einfach vorsätzlich falsch übersetzt. Statt einem physisch angenehmen Liegebereich, wurde in der deutschen Version der Richtlinie nur ein größenmäßig angemessener Liegebereich gefordert. Die Tierschutzorganisationen haben daraufhin die EU gedrängt, diesen „Übersetzungsfehler“ richtig zu stellen. Nachdem das tatsächlich geschehen war, übernahm das Tierschutzministerium 2017 aber nur die Hälfte der neuen Version. Seit damals steht in der Verordnung zur Schweinehaltung, dass es einen „größenmäßig angenehmen“ Liegebereich geben müsse, was auch immer das ist. Das Tierschutzministerium sagte dem VGT damals klar, dass die Schweinbranche auf diese falsche Formulierung gedrängt hatte. Seit 1. September 2022 gilt jetzt allerdings die richtige Version, nachdem auch die Volksanwaltschaft diesbezüglich einen Missstand festgestellt hatte. Jetzt steht fest: alle Schweine brauchen – und hätten schon seit 2008 gebraucht! – einen physisch angenehmen Liegebereich. Sollte die Behörde allerdings Ausreden erfinden, warum das nicht umgesetzt werden müsse, dann hat die steirische Tierschutzombudsperson Dr. Barbara Fiala-Köck die Möglichkeit, diesen Fall bis vor den Verwaltungsgerichtshof zu bringen. Eine Grundsatzentscheidung dieses Höchstgerichts könnte den Schweine-Vollspaltenboden lange vor 2040 in den Mistkübel der Geschichte verbannen.
Ja, wir haben ein Verbot des Vollspaltenbodens, aber erst ab 2040 und für manche Betriebe sogar erst ab 2053, und der neue Mindeststandard ist noch nicht festgelegt. Dieses Verfahren, wenn es bis zum Verwaltungsgerichtshof geht, könnte hier im Sinne der Schweine frühzeitig Fakten schaffen. Das müsste auch das sogenannte Dänische System oder Vollspaltenboden 2.0 umfassen, das ab 2023 für Neu- und Umbauten vorgeschrieben wird. Diese Haltungsform sollte sich nie in Österreich etablieren!
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Die dazugehörige veterinärmedizinische Stellungnahme von einem pensionierten Amtstierarzt: