Den Waldgürtel von Süden nach Norden entlang der Westseite Wiens nennt man den Wienerwald. Ein grüner Rettungsanker in einer Millionenstadt. Er erstreckt sich von Wien gute 45 km nach Südwesten und erreicht mit dem Schöpfl auf 893 m seinen höchsten Punkt. Die imposanten Westwände des Peilsteins sind seit über 100 Jahren ein beliebtes Klettergebiet. Man findet da und dort auch uralten Baumbestand, hauptsächlich allerdings nur noch im ehemals kaiserlichen Jagdgebiet. Die über 100.000 Hektar Wald sind heute UNESCO-Biosphärenpark. Doch das war nicht immer so.
Nach dem Rückzug der Kälte am Ende der Eiszeit, vor vielleicht 12.000 Jahren, entstanden, begannen die menschliche Rodungstätigkeit und die richtige Besiedlung erst unter den Babenbergern im 12. Jahrhundert. Der Wald blieb aber wild und bedrohlich, ein Niemandsland, das von allen, die es wagten, genutzt werden konnte. Erst ab dem 17. Jahrhundert sollte sich das rapide ändern. Die Industrie verlangte als Energiequelle für ihre Maschinen ein Brennmaterial und so wurden die Wälder großflächig abgeholzt und ab dem 18. Jahrhundert zu Holzkohle verarbeitet. Zwar zerstörte man auf diese Weise fast alle Urwälder des Wienerwalds, aber die Rodung geschah unter der Kontrolle eines kaiserlichen Waldamtes, das auf die Erhaltung des Waldbestandes Bedacht nahm. Nach der Revolution 1848 ging der Waldbesitz vom Kaiser auf die nö Landesregierung über. Zur gleichen Zeit erstarkten Industriebürgertum und Geldadel, die sich mit ihrem Kapital große Ländereien anschafften. Einerseits sollte das zur der Aristokratie nachgemachten Freizeitbeschäftigung dieser neuen bürgerlichen Elite dienen, der Jagd, die rasch zur Ausrottung der großen Raubtiere führte, und andererseits dachte man kapitalistisch und wollte den Holzbestand in kurzer Zeit in Profit umwandeln. Am 12. April 1870 wurde schließlich in einem Deal mit der Landesregierung gesetzlich ermöglicht, den gesamten Wienerwald an einen Wiener Finanzier zu verscherbeln, der auch gleich die Berechtigung zur Totalrodung erhielt. Das Ende des Wienerwalds schien gekommen.
Es gab keine kritische Zivilgesellschaft zu dieser Zeit, keine Demokratie in Österreich. Die neue Verfassung von 1867 ließ zwar in gewissem Rahmen eine politische Beteiligung kritischer BürgerInnen zu, doch wer sollte sich dazu bereitfinden? Die Friedensbewegung, sowie praktisch alle anderen sozialen Themen, wurden von großbürgerlichen oder adeligen Einzelpersonen in ihrem Kreis vorangetrieben, eine die Masse der Bevölkerung ansprechende Kampagne gab es nicht. Da trat Josef Schöffel auf den Plan. Interne Informationen über das neue Gesetz und den Verkauf des Wienerwalds verarbeitete er in einen Artikel und bot diesen dem Chefredakteur des Wiener Tagblattes an, das ihn am 20. April 1870 veröffentlichte. In seinem Buch „Erinnerungen aus meinem Leben“ von 1905 berichtet Schöffel was weiter geschah: Ich ließ nun dem ersten Artikel jede Woche zweimal einen von mir mit vollem Namen gezeichneten Artikel im Wiener Tagblatt folgen, in welchem ich die Maßregeln der obersten Forstverwaltung rücksichtslos kritisierte und auf die verhängnisvollen Folgen hinwies, welche die allgemeine Entwaldung und besonders die des Wienerwaldes auf das Klima, die Fruchtbarkeit und die Gesundheitsverhältnisse der Stadt und des Landes nach sich ziehen müsse.
Das entfachte eine öffentliche Entrüstung, die den Wiener Gemeinderat und den Reichsforstverein jeweils dazu brachte, mittels eigenen Kommissionen die Rodungsfortschritte vor Ort zu begutachten. Doch die Verantwortlichen schlugen zurück, versuchten Schöffel öffentlich zu diffamieren und, als das nicht gelang, zu kriminalisieren. 5 Mal wurde Schöffel wegen Ehrenbeleidigung angeklagt, doch jedes Mal versandete das Verfahren. Man bot ihm 50.000 Gulden, wenn er den Mund hielte, und es gab Morddrohungen. Schöffel ließ aber nicht locker und schließlich mussten 1872, nach 3 jähriger Kampagne, das Gesetz zurückgezogen und die Kahlschläge auf öffentlichen Druck eingestellt werden. Der Mann aber, der Schöffel mit internen Informationen versorgt hatte, Legstattverwalter Schuster, wurde ausgeforscht und seines Amtes enthoben. Für Josef Schöffel dagegen gibt es heute in Purkersdorf und Mödling 4 Denkmäler, und in Währing und Penzing sind eine Gasse und ein Platz, in Mödling sogar ein Stadtteil und ein Park, nach ihm benannt.
Wirklich ein sehr gut geschriebener Artikel. Ich kann mich da Malina nur anschließen.
danke, superspannender beitrag!