28. März 2024

Eine Anklage gegen eine ganze soziale Bewegung

Bei Beginn dieses Verfahrens haben SOKO und Staatsanwalt ihre Rechnung ohne die WirtInnen gemacht. Aus den Aussagen der Pressesprecher von Staatsanwaltschaft, Landesgericht und Innenministerium, sowie von Mitgliedern der SOKO, insbesondere als Reaktion auf objektive Medienberichte, war das deutlich zu entnehmen. Normalerweise wenn Polizei und Staatsanwaltschaft Leute überfallen und in U-Haft nehmen, reagieren diese verschreckt und werden isoliert. Sie suchen nicht die Öffentlichkeit und die Medien. Wenn dann noch, wie im Tierschutzfall, Staatsanwaltschaft und Innenministerium unisono Lügen über die Beschuldigten verbreiten, behaupten, man müsse sie mit weiß der Himmel was für schweren Verbrechen in Zusammenhang bringen und sie seien dringend verdächtig, dann werden diese Beschuldigten meistens von den Boulevardmedien zerrissen und die Polizei über den Klee gelobt. Nicht aber im Tierschutzfall.

Beim Angriff auf den Tierschutz gab es sofort eine breite Solidarität in der gesamten Tierschutzbewegung, gegen die derartige Verleumdungen nichts ausrichten konnten. Und diese Tierschutz- und Tierrechtsbewegung ist ziemlich tief in der Gesellschaft verankert und hat ein hohes Ansehen. Aber auch viele PolitikerInnen etablierter Parteien reagierten nicht panisch, sondern objektiv und wohlüberlegt. Insgesamt haben mich 7 Abgeordnete zum Nationalrat von der SPÖ und den Grünen im Gefängnis besucht. Die Grünen stellten mich und eine der Beschuldigten sogar für die damalige Nationalratswahl auf ihre Liste. Die Medien reagierten zuerst zurückhaltend vorsichtig und dann immer offensiver kritisch. Alle U-Häftlinge wurden intensiv von außen unterstützt, hatten laufend Besuche und erhielten jeweils weit über 300 Briefe aus dem In- und Ausland in ihre Zellen.

Schließlich mussten die Beschuldigten aus der U-Haft entlassen werden und das Ausmaß dieses Angriffs auf die Zivilgesellschaft wurde zunehmend klarer. Spontan kauften mir SympathisantInnen nach meiner Entlassung ein Fahrrad, ein Handy, einen Laptop, zwei Armbanduhren und einiges mehr und steckten mir Geld zu. Eine mir unbekannte Person hatte sogar so viel Verständnis für meine Situation, dass sie mir ihre Wohnung zur Verfügung stellte, um dort für eine Zeit unterzukommen, um mich vor polizeilicher Verfolgung sicher zu fühlen, aber auch um vom Trauma des Polizeiüberfalls in meiner ursprünglichen Wohnung Abstand zu gewinnen. Obwohl ich in dieser Wohnung geboren worden bin und 44 Jahre gelebt habe, habe ich sie seit dem Polizeiüberfall nie wieder betreten!

Jetzt im Prozess ist es auch deutlich zu spüren, dass diese Anklage gegen eine ganze soziale Bewegung gerichtet ist. Immer wieder gibt es Demonstrationen vor dem Gericht, sehr viele Sympathiebekundungen und eine breite Unterstützung im Gerichtssaal.

Als Beispiel die Geschehnisse im Gerichtssaal gestern. Zunächst ließen die DemonstrantInnen auf der Straße Luftballons mit einem Poster von ALF, der katzenfressenden Comicfigur, aufsteigen. ALF ist natürlich auch das „Synonym“, das die angebliche kriminelle Organisation benützen soll. Dann wurde laut Musik gespielt, sodass der Staatsanwalt mitten während des Verfahrens aufsprang und beantragte, die Musik leiser zu drehen. Das Verfahren wurde unterbrochen und der Präsident des Landesgerichts eingeschaltet. Als das Verfahren weitergeführt wurde, hang ein Poster „STOPP STAATSTERROR GEGEN TIERSCHUTZ“ am Richterpult mitten im Gerichtssaal.

Antirepressionsplakat am Richterpult

Die anwesenden BeamtInnen des Landesgerichts hatten das eindeutig bemerkt aber ignoriert. Erst als Staatsanwalt und Richterin bereits auf ihren Stühlen saßen fiel es dem Staatsanwalt auf und er flüsterte es der Richterin ins Ohr. Diese sprang auf wie von der Tarantel gestochen, ging um ihr Pult bis vor das Plakat, las es laut vor und entfernte es dann. Lautes Johlen im Saal. Ein Zuschauer wurde von ihr dann als Störer identifiziert und sie wies die Polizei an, diesen Mann zu entfernen. Beim Gehen schrie er „dieser Prozess ist ein Witz!“. Daraufhin begannen 30-40 Personen im Saal wiederholt „Wir sind alle 278a!“ zu skandieren. Die Richterin wurde daraufhin sehr laut und schrie, der Saal solle ab Reihe vier geräumt werden. Da das aber angesichts nur zwei anwesender PolizistInnen irgendwie irreal schien, rief sie die Mittagspause aus.

Ich werde oft gefragt, was ich von diesen Störungen halte. Natürlich bin ich für ein faires, rechtsstaatliches Verfahren. Dazu gehört, dass das Verfahren ohne Störungen aus dem Zuschauerraum abläuft, aber auch, dass es fair und objektiv geführt wird, und dass die Lügen der Staatsanwaltschaft und der SOKO aufgedeckt werden können und dass bei einer Anklage ohne jede Substanz, wie in diesem Fall, das Verfahren sofort eingestellt wird und die Schuldigen wegen Amtsmissbrauch vor Gericht gebracht werden. §3 der Strafprozessordnung StPO normiert, dass sowohl der Staatsanwalt als auch die Polizei neutral vorgehen müssen und entlastendes wie belastendes Material gleichberechtigt nebeneinander vorlegen und objektiv präsentieren. Dieses Gesetz wurde in diesem Verfahren so oft, so offensichtlich und so weitgehend gebrochen, wie das nur möglich ist. Wir haben diesen Tatbestand mehrmals angezeigt, aber die Justiz hat einen Schulterschluss praktiziert und die Anzeigen nicht verfolgt. Wenn §3 StPO irgendeinen Sinn hat, dann muss er in unserem Fall anwendbar sein. Dass er aber nicht angewendet wird, beweist, dass dieses Verfahren überhaupt nicht fair ist. Von Rechtsstaatlichkeit kann hier keine Rede sein. Unter diesen Umständen sind Ausbrüche obiger Art im Gerichtssaal mehr als verständlich.

Ich soll mich darüber erregen, dass jemand ruft, dieser Prozess ist ein Witz? Ich fürchte, er hat aber recht. Dieser Prozess ist tatsächlich ein Witz. Ein Witz allerdings, mit sehr ernsten Konsequenzen für die Demokratie und die Zivilgesellschaft. Das Ganze ist ein grenzenloser Justizskandal und ich werde nicht müde werden, ihn anzuprangern!

13 Gedanken zu “Eine Anklage gegen eine ganze soziale Bewegung

  1. Hallo Herr Balluch,
    ich habe gestern ORF 2 gesehen. Ich bin entsetzt über die österreichische Staatsanwaltschaft und Justiz. Frage: Wer rüttelt die schlafmüpfigen Deutschen auf? Tierschutz sollte parteiübergreifend aktiviert werden, damit er mehr Erfolg zeigt! Alles bitte nicht einschüchtern lassen!
    Wolfgang, München

  2. Wieso ist die Richterin nicht zu sehen? Wir wollen doch sehen wer in eurem Staat die Korruption und den Terror gegen Bürger unterstützt.

  3. Sehr geehrter Herr DDr. Balluch,
    ich hoffe Sie lassen sich nicht entmutigen. Auch viele Leute aus meinem Bekanntenkreis stehen hinter Ihnen!
    mfg
    Tanja Reiterer, Graz

  4. “Wir haben diesen Tatbestand mehrmals angezeigt, aber die Justiz hat einen Schulterschluss praktiziert und die Anzeigen nicht verfolgt.”

    Welche Überraschung in unserem Korruptistan. Gilt halt in solchen Fällen ganz stark die Unschuldsvermutung. Und manchmal winkt ein kleiner Wink von weiter oben an die weisungsgebundene Behörde Staatsanwaltschaft. Geht alles, solange der Wähler immer wieder brav sein Kreuzerl am angestammten Platz macht. Wie heißt’s so schön? “Erst kommt das Fressen und dann die Moral.” Ich geh jetzt mal speib’n….

  5. Kurz habe ich darüber nachgedacht, ob es denn überhaupt zulässig wäre, dass diese Verhandlung von Zuschauern gestört wird – aber nur kurz, ganz, ganz kurz …

    Dieser Prozess ist tatsächlich ein Witz, allerdings einer bei dem einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

  6. Immerhin hat nun auch die Presse klare Worte für diese rechtsstaatliche Farce gefunden: http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/leitartikel/559636/index.do?from=suche.intern.portal

    Es geht hier wirklich um noch mehr als den Tierschutz. Das ist anscheinend ein Probelauf für willkürliches Verfolgen von unbequemen KritikerInnen.

    Völlig beliebig sind vor allem die Grenzen zwischen Taten, die von den Strafverfolgungsbehörden als strafwürdig eingestuft werden und solchen, die als normal legale Aktivitäten gelten gelassen werden. Genau diese Unklarheit führt zur totalen Ohnmacht von StaatsbürgerInnen, denn so wird es gefährlich Kritik zu äußern, da ja alle völlig beliebig verfolgt werden können, wenn niemand im Vorhinein sagen kann wofür Leute verfolgt werden dürfen…

  7. “Wir haben diesen Tatbestand mehrmals angezeigt, aber die Justiz hat einen Schulterschluss praktiziert und die Anzeigen nicht verfolgt.”

    Welche Überraschung in unserem Korruptistan. Gilt halt in solchen Fällen ganz stark die Unschuldsvermutung. Und manchmal winkt ein kleiner Wink von weiter oben an die weisungsgebundene Behörde Staatsanwaltschaft. Geht alles, solange der Wähler immer wieder brav sein Kreuzerl am angestammten Platz macht. Wie heißt’s so schön? “Erst kommt das Fressen und dann die Moral.” Ich geh jetzt mal speib’n….

  8. Immerhin hat nun auch die Presse klare Worte für diese rechtsstaatliche Farce gefunden: http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/leitartikel/559636/index.do?from=suche.intern.portal

    Es geht hier wirklich um noch mehr als den Tierschutz. Das ist anscheinend ein Probelauf für willkürliches Verfolgen von unbequemen KritikerInnen.

    Völlig beliebig sind vor allem die Grenzen zwischen Taten, die von den Strafverfolgungsbehörden als strafwürdig eingestuft werden und solchen, die als normal legale Aktivitäten gelten gelassen werden. Genau diese Unklarheit führt zur totalen Ohnmacht von StaatsbürgerInnen, denn so wird es gefährlich Kritik zu äußern, da ja alle völlig beliebig verfolgt werden können, wenn niemand im Vorhinein sagen kann wofür Leute verfolgt werden dürfen…

  9. Ich hoffe, Ihnen ist es ein geringer Trost, dass so viele Menschen (ich auch) hinter Ihnen stehen und Sie für Ihr Durchhaltevermögen in dieser ganzen Affäre bewundern.

    Ich hoffe für Sie und die anderen beteiligten Tierschützer, dass dieses “Verfahren” bald eingestellt wird.

  10. Die Vorgehensweise der Soko ist ja wirklich ein Skandal. Die in einigen Fällen beteiligten Kinder müssen ja schwer traumatisiert sein. Und natürlich auch die Erwachsenen. Die Situation stellt sich vom Erleben her ja so dar wie ein echter Überfall. Mein vollstes Bedauern dafür.

  11. Kurz habe ich darüber nachgedacht, ob es denn überhaupt zulässig wäre, dass diese Verhandlung von Zuschauern gestört wird – aber nur kurz, ganz, ganz kurz …

    Dieser Prozess ist tatsächlich ein Witz, allerdings einer bei dem einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

  12. “Wir haben diesen Tatbestand mehrmals angezeigt, aber die Justiz hat einen Schulterschluss praktiziert und die Anzeigen nicht verfolgt.”

    Welche Überraschung in unserem Korruptistan. Gilt halt in solchen Fällen ganz stark die Unschuldsvermutung. Und manchmal winkt ein kleiner Wink von weiter oben an die weisungsgebundene Behörde Staatsanwaltschaft. Geht alles, solange der Wähler immer wieder brav sein Kreuzerl am angestammten Platz macht. Wie heißt’s so schön? “Erst kommt das Fressen und dann die Moral.” Ich geh jetzt mal speib’n….

  13. Sehr geehrter Herr DDr. Balluch,
    ich hoffe Sie lassen sich nicht entmutigen. Auch viele Leute aus meinem Bekanntenkreis stehen hinter Ihnen!
    mfg
    Tanja Reiterer, Graz

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