17. November 2024

Warum will Landeshauptmann Doskozil das Gatterjagdverbot im Burgenland kippen?

Die Gatterjagd ist ein ganz seltsames Relikt aus der Feudalzeit. Weil es insbesondere dem Adel zu langweilig geworden war, in freier Wildbahn auf Tiere zu warten und alle heiligen Zeiten einmal zu schießen, kam die Idee auf, Wildtiere einfach in umzäunten Gehegen zu züchten und dort gleich abzuballern. Das Jagdgatter war geboren und ist uns bis heute erhalten geblieben.

Insbesondere im Burgenland ist die Gatterjagd Tradition des ehemaligen Adels, von Esterhazy über Mensdorff-Pouilly bis Draskovich. Im Jagdgatter von Mensdorff-Pouilly findet man Käfige, abgegrenzte Untergatter für neu heran gekarrte Wildtiere und eine Arena wie im Kolosseum.

Besonders gefragt sind die großen kapitalen Trophäenträger. Da man diese Tiere gut 15 Jahre lang füttern muss, bevor sie kapital werden, sind sie an Menschen gewöhnt. Kommen dann die zahlenden Jagdgäste zur Gatterjagd, dann muss eine “Wildnis” mit “wilden” Tieren vorgetäuscht werden: man hetzt also die Tiere mit Treiberkolonnen auf und ab, bis auch der verschlafendste Jagdgast die bestellten Tiere geschossen hat. Die Tiere erleiden stundenlang Todesangst und weil sie im vollen Galopp flüchten, wenn sie beschossen werden, gibt es zahllose Verletzungen.

Das Jagdgatter von Esterhazy bietet sogar eine Preisliste für Abschüsse im Internet, siehe https://martinballuch.com/die-gatterjagd-im-tiergarten-esterhazy-im-burgenland/. Kapitale Rothirsche kosten bis zu 22.000 Euro! Man muss nur das Formular ausfüllen, benötigt nicht einmal ein Gewehr, und ist schon dabei, wenn man das Geld im vorhinein überwiesen hat.

Der VGT hat von 2015-2017 viele dieser Gatterjagden dokumentiert, die Zuchtgatter für die Wildtiere aufgedeckt, von wo aus sie in das Jagdgatter zum Abschuss transferiert werden, und insgesamt 5 Gutachten vorgelegt, dass die Gatterjagd Tierquälerei ist und verboten werden muss. Am 15. Mai 2017 war es dann endlich soweit: das Gatterjagdverbot, § 170 (3) des Jagdgesetzes, trat in Kraft. Es sah eine Übergangsfrist bis zum 1. Februar 2023 für bestehende Jagdgatter vor.

Ab da war alles auf Schiene. Der Kompromiss mit der Jägerschaft war die lange Übergangsfrist. Dass die Gatterjagd in den Mistkübel der Geschichte zu wandern habe, war eigentlich allen Beteiligten klar. Diese Ansicht hatte auch die Große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.

Dann wechselte der Landeshauptmann. Hans-Peter Doskozil übernahm von Hans Niessl. Die SPÖ hatte die absolute Mehrheit und konnte allein regieren. Da brachte die Landesregierung überraschend und ohne Vorwarnung eine Änderung des Jagdgesetzes in Begutachtung. Das Gatterjagdverbot soll ersatzlos gestrichen werden:

Unfassbar! In 35 Jahren Tierschutzarbeit habe ich noch nie erlebt, dass ein mühsam jahrelang ausgehandelter Kompromiss, der bereits 3 1/2 (!) Jahre Gesetzeskraft hat, einfach so mir nichts dir nichts wieder entfernt werden soll. Ohne ersichtlichen Grund. Oder nicht?

Doskozil ist kein unbeschriebenes Blatt in der Gatterjagd. Als wir vom VGT die Gatterjagd von Mensdorff-Pouilly vom öffentlichen Grund außerhalb des Gatters filmen wollten, wurden wir durch eine Sperrzone überrascht, die ein gewisser Hans-Peter Doskozil, damals Landespolizeikommandant, erlassen hatte. Diese Sperrzone wurde von 7 polizeilichen Straßensperren überwacht, die keine Tierschützer_innen durchließen. Tierschutzkameras durften nur bis auf 200 m, später sogar 2 km, an das Jagdgatter heran kommen. Und das bei jeder einzelnen Jagd des Herrn Mensdorff-Pouilly. Wie erklärt sich das?

Mensdorff-Pouilly wurde dazu im Untersuchungsausschuss zum Tierschutzprozess mehrfach befragt. Er gab zu, mit Doskozil über das “Problem” Tierschutzaktivist_innen des VGT gesprochen zu haben:

Diese Sperrzone war allerdings rechtswidrig. Das jedenfalls hat nach eine Berufung des VGT das Landesverwaltungsgericht Eisenstadt entschieden:

Das Platzverbot bzw. diese Sperrzone war selektiv gegen Tierschutzaktivist_innen gerichtet und hatte keine objektive Begründung, die den Gesetzen entsprechen würde. Die wahre Begründung war ja nur, zu verhindern, dass Filmmaterial von der Gatterjagd an die Öffentlichkeit dringt. Und das hatte das Gericht rasch durchschaut, weil Doskozil keine vernünftige Begründung für seine Sperrzone vorbringen konnte. Doskozil hatte also nach einem Gespräch mit Mensdorff-Pouilly eine rechtswidrige Sperrzone verordnet, um eine Aufdeckung über die Tierquälerei bei der Gatterjagd von Mensdorff-Pouilly zu verhindern.

Nun, dann kam dennoch das Gatterjagdverbot. Trotz Doskozils Interventionen. Esterhazy lag zu dieser Zeit mit der Landesregierung in mehrfacher Hinsicht im Konflikt. Da ging es um die Umfahrung von Schützen im Gebirge, wo Esterhazy enteignet werden sollte. Da ging es um die Oper im Steinbruch, wo Esterhazy der Landesregierung den Pachtvertrag nicht verlängerte. Und dann ging es um das Schloss Esterhazy, das dem Land vermietet war und für dessen Renovierung Esterhazy 11 Millionen Euro von der Landesregierung haben wollte und zu klagen bereit war.

Plötzlich, die Einigung. Wer zieht dabei die Fäden? Doskozil:

Eine Einigung setzt ein Entgegenkommen von beiden Seiten voraus. Was bekam Esterhazy dafür, das Land doch nicht zu klagen? Da wird es schon Gegenleistungen gegeben haben. Auffällig ist nur, dass Esterhazy das größte Jagdgatter im Burgenland betreibt und das just derselbe Doskozil nun das Gatterjagdverbot aufheben will. Ohne offizielle Begründung. Ersatzlos. Einfach so. Nachdem es 3 1/2 Jahre bereits in Kraft war. Knapp vor Ende der Übergangsfrist für die bestehenden Jagdgatter, darunter jenes von Esterhazy.

Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Nur ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Vielleicht sollte es auch einen Untersuchungsausschuss Esterhazy und nicht nur Novomatic im Parlament geben?

6 Gedanken zu “Warum will Landeshauptmann Doskozil das Gatterjagdverbot im Burgenland kippen?

  1. Ich verstehe euch Tierschützer manchmal nicht.
    O.K. Schweine, die Ihr Leben lang kein Sonnenlicht sehen? Nachvollziehbar. Kühe, die nicht Mal mehr Hörner haben dürfen? Unterschreibe ich. Hühner im riesigen lichtlosen Gebäuden? Traurig. Schächten, während das arme Viech in seinem Blut gurgelt? Dagegen! Qualzuchten? Unnötig!

    OK. Jagd, Gatterjagd? Ja und! Das Tier darf an der frischen Luft Leben und wird, Pam Pam, erledigt, scho iss umi! Was ist das Problem? Die Wildnis ist schrecklicher, Bären beispielsweise fressen den noch lebendigen Leib, Wölfe und Hyänen zerreißen ihre Beute. Ich persönlich würde lieber, wenn ich ein Tier wäre, bei der Gatterjagd umkommen, anstatt in der Slowakei von einem Bären zerfetzt zu werden, oder als Maus von einer Katze zu Tode gequält zu werden.

    Ihr fordert unverhältnismäßig und seid verblendet. Es ist das eine, Tiere nicht unnötig zu quälen, das andere die Natur des Daseins, die nun Mal leidvoll ist, abschaffen zu wollen. Geburt, Alter, Krankheit und Tod sind Leiden und jedes Tier muss eben so oder so irgendwann kippen und es stirbt sich eben leichter durchs Gewehr als durch Krebs, Parasiten oder Bärenkrallen. Wölfe haben keinen Schlachtschussapparat und Menschen im Altersheim, gehen wollen, werden auch noch zwangsernährt. Der Jagdttod ist das angenehmste Ende, das es gibt.
    Du stehst auf der Wiese, ein kurzer stechender Schmerz aus heiterem Himmel, und du hast nicht einmal Zeit zu begreifen, was das bedeutet. Welches schönere Ende könnte es geben? Du wirst nicht einmal auf einen LKW verfrachtet und in einen Schlachthof getrieben.

    Ich frage mich auf jeden Fall, wie ein Träger eines Doktortitels zu solch unlogischen und und unverhältnismäßigen Ansichten kommt und seine Sache vertritt.

    Ihr wollt lieber, dass Tiere auf jämmerlichste Weise wie in folgenden Videos krepieren, anstatt ihnen ein schnelles Ende zu bereiten

    https://m.youtube.com/watch?v=puWOHsSdQmM

    https://m.youtube.com/watch?v=Fg9_ZnojxmU&pp

    Ich denke, die Mehrheit der Menschen mit Mitgefühl und Gewissen teilt meine Ansicht.

    Gatterjagd statt Tierfabrik!

    1. @Albert Hesse

      Ich bin immer wieder verblüfft, mit was für einer Leichtigkeit die Jägerschaft sich selbst als die humane Alternative zur Natur darstellt. Ich dachte als Jäger:in ist man so naturverbunden. Offenbar nicht, man ersetzt die Natur künstlich und glaubt, das sei besser. Gehts noch überheblicher?

      Herr Hesse, Ihre Überlegungen zuende gedacht bedeuten doch, dass man alle Beutegreifer abschafft und durch die ach so humanen menschlichen Jäger:innen ersetzt, richtig? Selbst die mäusejagenden Mauswiesel, offenbar. Da gibt es Personen, die vorschlagen, man manipuliert die Gene der Tiere, sodass sie alle vegan werden. Wow, das müsste Ihnen doch gefallen! Kein Tier tötet mehr ein anderes, alle vegan. Hoppala, außer der Mensch. Der bleibt Fleischfresser? Ihr Ernst? Müssten Sie denn nicht zumindest selbst vegan leben, bevor Sie es von Bär, Wolf, Luchs und letztlich auch Mauswiesel verlangen?

      Nein, werden Sie sagen. Es geht nicht um das Sterben, es geht um Leid. Naja, Herr Hesse, das stimmt aber jetzt nicht. Wenn Sie jetzt sterben müssten, würde Ihnen das sicher nicht gefallen, egal wie human und leidfrei. Ja, nach unserer Gesetzeslage ist der Mord, egal wie leidfrei, das allerschlimmste Verbrechen. Interessant, dass Sie dieselbe Tat, die bei Menschen das schlimmste Verbrechen ist, bei Tieren für ethisch irrelevant sehen. Ihr Ernst?

      Nein, seien wir uns ehrlich, Herr Hesse. Töten ist das Schlimmste, ein Leben zu nehmen ist das Schlimmste. Leid ist zweitrangig. Auch für Tiere. Die Gatterjagd ist ein völlig sinnbefreites Töten aus Spaß. Erzählen Sie mir nicht, es ginge um Ernährung. Weil Wildfleisch kann man auch aus Fleischgattern beziehen. Freilandhaltung, wow! Und der Tod durch den Schuss aus 5 m Entfernung in den Kopf. Sicherer, als auf ein in Todesangst flüchtendes Tier wie bei der Gatterjagd.

      Apropos Todesangst. Die haben Sie interessanter Weise ausgeklammert. Nix bumm und tot. Bei der Gatterjagd rennen die Tiere in Todesangst stundenlang auf und ab. Die Tiere wissen ja, dass sie eingesperrt sind und nicht entkommen können. Stundenlange Todesangst ist extremes Leid, meinen Sie nicht? Und bei der Gatterjagd werden ständig Tiere angeschossen. Ich habe eine Gatterjagd in NÖ erlebt, nach der 60 angeschossene Tiere im Gebüsch gelegen sind und über Tage hinweg gestorben. Nach jeder Gatterjagd, die ja eine Treibjagd ist, gehen Schützen mit Hunden durch das Gatter und erschießen die angeschossenen Opfer, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits stundenlang herum gelegen sind. Wenn sie sie finden. Bei Gatterjagden werden auch die Jagdhunde verletzt, in Salzburg hat einer der Betreiber von 8-9 verletzten oder toten Hunden pro Gatterjagdtag gesprochen.

      Und das, wie gesagt, völlig unnötig. Vollkommen unnötig. Die Gatterjagd dient nämlich nur der Lust am Totschießen. 75 % der Einnahmen bei Jagdgattern sind Abschussprämien und 25 % der Verkauf der Wildkörper. Beim Jagdgatter Esterhazy war die Preisliste online. Man muss tausende Euro hinlegen, um Trophäenträger zu erschießen. Und nur um die geht es. Alle anderen Tiere sind Beifang, sozusagen.

      Und das ist eben auch ein riesiges Problem bei der Gatterjagd: dass Menschen dort ihre niedrigen, primitiven, destruktiven, gewalttätigen Gelüste an wehrlosen Tieren ausleben. Ich denke, erstens, dass ein Land, dem Tierschutz wichtig ist, so etwas nicht tolerieren darf. Und zweitens, sollten solche Gelüste nicht gefördert sondern psychologisch behandelt werden. Meinen Sie nicht, Herr Hesse?

  2. Ja natürlich ganz Ihrer Meinung zu dem Thema, aber wiso hat hier niemand eine Maske auf wo Sie doch in einem ihrer letzten posts so für die Masken, speziell für Tierschützer, schwärmen? Jetzt wärs grad erlaubt, aber keiner hat eine auf, obwohl Sie gesagt haben jeder Mensch, besonders Tierschützer, sollte sich verhüllen. naja….Wie war das mit der angeklagten Anita noch mal? Anscheinend haben nicht einmal Tierschützer Lust drauf sich freiwillig zu maskieren, obwohl es doch derzeit absolut in wäre.

    1. @Alex Winter
      Ganz einfache Antwort: das Bild stammt aus dem Jahr 2016.
      Wir hatten letzten Donnerstag vor dem Eisenstädter Landtag die erste Demo zu diesem Thema und trugen selbstverständlich alle Schutzmasken. Sogar im Freien.

  3. Die Korruption nimmt auch in Österreich immer größere Ausmaße an, deshalb ja zum Untersuchungsausschuss (nicht Unterausschuss) Esterhazy, dem das halbe Burgenland gehört, ähnlich wie Mayr-Melnhof in Salzburg. Der Adel ist mächtig wie eh und je…

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