22. November 2024

Nach Absitzen der Gefängnisstrafe unbegrenzt in Haft bleiben: die Maßnahme

Kürzlich wurde im Rathaus des Bezirks Neubau in Wien – sogar mit von der Veranstalterin, der Bezirksleitung, organisiertem, rein veganem Buffet! – das Buch „Staatsgewalt“ von Katharina Rueprecht und Bernd-Christian Funk, beide lautstarke KritikerInnen der Vorgänge beim Tierschutzprozess, diskutiert. 3 der in diesem Buch beschriebenen Problemfälle des Rechtsstaates haben auch direkt mit Tierschutz zu tun. Aber in dem Buch geht es auch um die sogenannte Maßnahme, d.h. die Verhängung unbegrenzter Haft über Personen, die man für gefährlich hält. Als Häftling in U-Haft wurde mir bewusst, dass die Insassen von Gefängnissen in der sozialen Leiter ganz unten angesiedelt sind. Sie haben nicht nur keine Lobby, es ist immer en vogue in der öffentlichen Diskussion verbal auf sie einzuschlagen. Muss gespart werden, dann kürzt man zuerst die finanzielle Wiedergutmachung bei unschuldig abgesessener Haft. Ist Herrn Strache wieder danach, öffentlich zu punkten, dann beklagt er den „Luxus“ in Österreichs Gefängnissen. Daher halte ich das Anreißen dieser Problematik in einem Buch für sehr wichtig und mutig. Freunde macht man sich dabei nicht.

In 2 Kapiteln wird über die Anwendung dieser Maßnahme berichtet. In einem Fall hat ein Mann seinen Psychiater in Emails und SMS beleidigt, weil er von ihm gegen seinen Willen Psychopharmaka verabreicht bekommen hatte. In der Anti-Psychiatrie-Szene in Wien, in der dieser Mann aktiv war, begrüßte man diesen Protest sehr. Doch ein Gericht sah das anders und verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von 6 Monaten wegen gefährlicher Drohung und Widerstand gegen die Staatsgewalt bei Festnahme und Verhör nach seiner angeblichen Drohung. Mit dem verhängnisvollen Satz „Der Beschuldigte ist zurechnungsfähig, hat aber die Anlasstaten unter dem Einfluss einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad begangen“ wurde die Maßnahme verhängt. Wäre der Beschuldigte als so geistig gestört eingestuft worden, dass er nicht zurechnungsfähig ist, dann wäre er gar nicht ins Gefängnis sondern in die Psychiatrie gekommen. Umgekehrt, ohne festgestellte Abartigkeit, wäre der Beschuldigte nach 6 Monaten entlassen worden. Aber mit der seltsamen Konstruktion, zwar geistig abnorm aber dennoch zurechnungsfähig zu sein, landete der Beschuldigte trotz lediglich 6 Monaten verhängter Strafhaft potentiell für immer (nach 10 Jahren kam er unter Auflagen heraus) im normalen Gefängnis, im Übrigen ohne je in irgendeiner Form gewalttätig geworden zu sein.

Der zweite im Buch geschilderte Fall betrifft einen Kleinkriminellen, der auf Anraten seiner Anwältin bei seinem Prozess psychische Probleme vortäuschte und dann tatsächlich zusätzlich zu 6 Monaten Strafhaft die Maßnahme verhängt bekam. Ihm wurden daraufhin mit Gewalt Psychopharmaka gespritzt, die ihn, wie er meinte, schwer schädigten, seine Libido nahmen und impotent machten. Deshalb wehrte er sich und dabei brachen ihm 4 Gefängniswärter das Rückgrat, als sie ihn festhielten, damit die Spritze verabreicht werden konnte. 2 Tage lang nach dem Vorfall warf man ihm, der mittlerweile völlig gelähmt war, vor, er würde nur simulieren, bis man ihn endlich ins Spital brachte und das wahre Ausmaß des Schadens feststellte. Jetzt sitzt er lebenslang im Rollstuhl – und wird trotzdem, wegen seiner angeblichen Gefährlichkeit, weit über seine längst abgesessene Strafhaft von 6 Monaten hinaus, bisher seit 9 Jahren im Gefängnis gehalten.

Der im Buch abgedruckte Antrag von Anwältin Karin Prusch zu seiner Enthaftung und Verlegung in ein Spital hat mich sehr berührt: Der Antragsteller hat sich richtigerweise in der Vergangenheit (vor Eintritt der Querschnittslähmung) gegen die Depotmedikation verwehrt, zumal er dadurch impotent wurde (und zudem an Gewicht zunahm), wobei der Antragsteller immer wieder in der Hoffnung war, dass er aus der Haft entlassen wird und wieder mit einer Frau intim werden könnte, vor welchem Hintergrund auch die ablehnende Haltung gegenüber der Verabreichung der Risperdalspritze herrührte. Aufgrund der bestehenden Querschnittssymptomatik beim Antragsteller wird es ihm für den Rest des Lebens nicht mehr möglich sein, mit einer Frau Geschlechtsverkehr auszuführen, vor welchem Hintergrund auch die ablehnende Haltung hinsichtlich der Risperdalspritze nicht mehr gegeben ist und der Antragsteller nunmehr bereits geraume Zeit eine Compliance zeigt, was die Medikamentenvorgaben seiner behandelnden Ärzte betrifft. […] Insgesamt hat sich die Gesamteinschätzung der Gefährlichkeit beim Antragsteller durch die Querschnittslähmung nunmehr dauerhaft verändert.

Unfassbarer Weise lehnte das Gericht den Antrag mit der Begründung ab, es bestehe eine Gefährdung des Pflegepersonals dieses Mannes, weil er „sich als Opfer der Justizwache fühlt, die er für seine Querschnittslähmung verantwortlich macht“. Grundsätzlich ist es gängige Praxis, Menschen nur dann aus der Maßnahme zu entlassen, wenn sie sich nicht nur Psychopharmaka freiwillig spritzen lassen, sondern diese Spritzen auch noch begrüßen und aktiv wollen – die sogenannte Compliance. Er würde sich zwar jetzt die Spritzen geben lassen, aber keine Einsicht in deren Notwendigkeit zeigen, meinte das Gericht.

Knapp vor Fertigstellung des Buches kam es bei dieser tragischen Geschichte noch zu einem weiteren Vorfall. Der betroffene Mann hatte einer Gefängnispsychologin geschrieben, dass er ihr „den Arsch absägen“ werde. Sie zeigte ihn daraufhin wegen gefährlicher Drohung an. Es kam zu einer Gerichtsverhandlung im Gefängnis ohne Anwalt, in der der Querschnittsgelähmte im Rollstuhl zu weiteren 5 Monaten Strafhaft verurteilt wurde. Und das, obwohl nach gängiger Judikatur eine gefährliche Drohung nur dann vorliegt, wenn sie objektiv geeignet erscheint, begründete Besorgnis beim Opfer hervorzurufen. „Arsch absägen“? Ein querschnittsgelähmter Mann? Der in einer Gefängniszelle sitzt? Die Unmenschlichkeit von Psychologin und Richter, in diesem Fall eine gefährliche Drohung zu sehen, obwohl dieser Mann ein derart hartes Schicksal tragen muss, wird mir immer unverständlich bleiben!

Der Mann sitzt also weiterhin im Rollstuhl im Gefängnis und wird dort den Rest seines Lebens verbringen müssen – statt 6 Monaten Strafhaft, die im Jahr 2004 gegen ihn bei völlig gesundem Körper wegen eines kleinen Eigentumsdelikts verhängt worden waren.

5 Gedanken zu “Nach Absitzen der Gefängnisstrafe unbegrenzt in Haft bleiben: die Maßnahme

  1. Das ist schon fragwürdig und ich glaube nicht dass das rechtlich hält. Erstens ist die Strafe unverhältnismäßig, zweitens ist bei uns lebenslänglich zeitlich begrenzt, ich glaube mit 15 Jahren, aber da bin ich mir nicht sicher. Wenn jemand so lange inhaftiert wird sitzt er also länger als lebenslänglich für kleine Delikte. Das alleine geht schon nicht. Eine Sicherheitsverwahrung kann es doch wohl auch nur bei schweren Delikten wie Mord, oder sexuellen Delikten geben. Sonst müsste man ja jeden der sich gegen die Polizei wehrt, oder jemandem droht, prophylaktisch lebenslang einsperren. Ich glaube auch nicht dass man jemanden gewaltsam zur Therapie zwingen darf und die Therapie muss ja auch die Folge einer Straftat sein. Wenn jemand “einen Eigentumsdelikt” begeht ist es egal ob er das macht weil er psychisch krank ist, oder nicht, denn ein Eigentumsdelikt ist an sich keine Gefahr für die Gesellschaft. So gesehen müsste man ja sonst jeden Alkoholiker und jeden Rauschgiftsüchtigen der stiehlt, oder jemanden beraubt gewaltsam zu einer Therapie zwingen.

    Da müsste sich einfach ein guter Anwalt finden der sich dieser Fälle annimmt. Ich bin sicher beim Gerichtshof für Menschenrechte würde man Österreich für dieses Vorgehen verurteilen.

  2. Unfassbar tragisch … ….. Habe es gestern gelesen und war noch heute damit beschäftigt, darüber und über die Welt nachzudenken. Massenschicksale rüttelt die Menschen auf, aber wirklich erreichen die einzelnen Schicksale. Ich werde heute eine Kerze anzünden für alle Opfer, damit meine ich wirklich alle, und für ein Aufwachen, Erweitern des Bewusstseins.

    Hat dieser verzagte Mensch eine Entschuldigung von seinen Verstümmlern bekommen … .. melden sich viele hohe Amtsträger, viele Hochwürden zu diesem Vorgehen, oder wirkt die Gruppenhypnose? Wissen die vielen worin Geschulten, dass mit Aggressionen antworten noch mehr Aggressionen entstehen? Auf beiden Seiten, und allen.

    Zwangsmedikation klingt nach ahnungsloser Dr. Hilflosigkeit. Überaus schade, dass geistig hochakrobatisches Verzeihen, u.v.v.m., nicht an allen Universitäten seit Jahrhunderten als Pflichtfach gelehrt wird. Juristisch kalte Wortklaubereien, Technik und Chemie, 1. Hälfte, ersetzen keine 2. Hälfte, gute Gespräche, neue Gedankengänge, (Liebe=Wissen), Einsichten, die die Menschen am allermeisten brauchen. Dass er allein in seiner Verstümmelung, Verzweiflung seinem enormen Hass (enttäuschte Liebe) einen – verbalen Ausdruck – verliehen hat, wen wundert´s? Die `Fachleute´? Sehr verwunderlich!, oder doch nicht in dieser Welt, dass (pharma) und andere Gelehrte, die anderen Menschen anordnen, was zu tun ist, nicht wissen, wie Wogen zu glätten sind, damit wirkliche, individuelle und kollektive Heilung stattfindet. Darüber weiß der Schamane mehr – weil er modern andere Dimensionen längst miteinbezieht und die Eigenverantwortung versteht und lehrt.

    Dass Strache beim Thema Gefängnis, das Ende der Kette der Ursachen im globalen Clan, wie andere auch nicht sieht, dass in Gefängnissen Leere, Öde, Alleinlassen, Strafe, Zwang, Geistlosigkeit, Dunkelheit Menschen, die auch sehr eben das zu lernen haben, was jede Universität seinen späteren Meinungsmachern als Pflichtfach mitgeben sollte, noch mehr (be) trüben, ist bedauerlich. Was als Facette sehr zu schätzen ist, Strache hatte den Mut, in einer Parlamentsrede 2009 die Grundursache, eine von mehreren auf “mechanistischer Ebene”, deutlich aufzuzeigen: Bankenkrisen, Gier und Giebelkreuz.

    Die Öde in Gefängnissen… – in stdl. Nachrichten… – in Massentierhaltungen… u.a. wird sich so schnell nicht ändern, wenn Universitäten nicht endlich bereit sind Emotion & Logik gleichzustellen,
    mit voller physikalischer Berechtigung. Viele, die sich damit nicht beschäftigen, nicht können oder nicht wollen, wissen nicht, dass von Affekten befreite, “gebündelte” Emotion Fernwirkungen auf den Raum ausüben und verschiedenste Ergebnisse, akausal-reale Konstellationen liefern kann! Akausal und paranormal bedeutet lediglich, es wird mit dem Einbeziehen der anderen Dimensionen logisch.

    Die Wechselwirkung funktioniert in beide Richtungen. Chemie u.a. wirkt auf Geist, aber Geist wirkt ebenso auf Materie(Energie). Das bedingt eine längst fällige Symbiose von Physik und Mystik, bzw. umgekehrt, an den Universitäten. Die Wissenschaft kennt die Tatsache ganz genau! Die experimentelle Beweislage ist längst gegeben! Das v o l l e Ausmaß verstehen gibt Stoff zum Denken und Umwandlungen für die nächsten Jahrhunderte u.m., bzw. die alten Sichtweisen von Raum, Zeit & Bewusstsein in Einem ändern sich von Grund auf. Jesus war sozusagen ein Wissenschaftler. Seine Botschaften komplexe “Formeln”, die es in sich haben. Trost für die einen, für die anderen die Forderung zum Aufwachen.

    Offiziell wird die Tatsache (like Flachland/Abbott) noch herkömmlich, noch blindlings, nicht erlaubt nicht anerkannt nicht weitergegeben unterdrückt verzerrt Vorurteile geschürt, “weil das Wachsen dieses Wissens eine immense Umwälzung im Denken und Fühlen in Allem, im Einzelnen und in Allen auslöst.” Na!

    Sisyphus erlösen. Ob Verantwortliche (auf dieser Ebene) zur, “Strafe”, Rechenschaft gezogen werden oder nicht, was ändert dieses in der Gesellschaft, die nächsten folgen doch!, und wissen es nicht besser. Für das Ganze und im Einzelnen kann es nur gutgehen, wenn sich im elementaren Verstehen etwas ändert. Die wissenschaftliche Anerkennung der Gleichstellung von Emotion-Logik wird der bedeutendste Schritt der Menschheit sein, das schafft kein Fußstapfen im Sand.

    P.s. Dieser Tage verlässt die Voyager 1 das Sonnensystem und fliegt in den interstellaren Raum, mit Relikten unserer “Kultur”. Eine fortgeschrittene Spezies wird darin leicht erkennen was fehlt.

  3. Ich sehe es eher so, dass die Menschen, die Psychopharmaka brauchen, diese vor allem deswegen benötigen, weil sie merken, dass die meisten Menschen um sie herum krank sind und Menschen, die noch einen gesunden Menschenverstand haben, ins Abseits drängen oder sie als “nicht normal” abstempeln.

    Die psychisch Kranken regieren über die Gesunden, und das macht diese Leute krank.

  4. Das klingt ja nach meinem Lieblinsfilm “einer flog über das Kuckucksnest”…….

    In der Konsumgesellschaft in der wir leben müssen auch psychisch kranke einen nutzen haben und die Wirtschaft ankurbeln in dem sie die Pharmaindustrie unterstützen, einfach nur abartig…..

    Nich zu vergessen, in Österreich gibt es fast eine Million Psychopharmaka Konsumenten……

    Die Gesellschaft ist ernsthaft krank geworden, aber mich wundert es nicht mehr, in diesem kranken System in dem wir leben….

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