29. März 2024

Und doch geht etwas weiter im Tierschutz

Noch 2009 eine Legebatterie - heute leer!
Noch 2009 eine Legebatterie – heute leer!

Was für eine intensive Kampagne das war, im Jahr 2012, um Tierversuche kontrollierbar zu machen und die Möglichkeit einzuführen, entsprechende Anträge aus rein tierschutzethischen Gründen abzulehnen! Aber wie klein schien uns der Erfolg dieser Kampagne. Oder das Jahr davor, die Kampagne gegen die Kastenstandhaltung von Mutterschweinen: 21 (!) Jahre Übergangsfrist. Doch die 3 Jahre Kampagnenstille davor, 2008-2011, erzwungen durch eine brutale Repression, spricht Bände. Warum sonst, wenn nicht aufgrund unserer Erfolge, hätte man uns kriminalisieren wollen? Davor hatten wir u.a. das Pelzfarmverbot, das Verbot von Wildtieren im Zirkus und insbesondere das Legebatterieverbot erreicht.

All das klingt nach nur kleinen Schritten, wenn man das Problem der Tierausbeutung im Großen betrachtet. Gibt es nicht noch immer an allen Ecken und Enden unseres Landes Tierfabriken? Sind Tiere, §285a ABGB hin oder her, nicht noch immer Sachen vor dem Gesetz? Gibt es nicht noch immer unbegrenzt Tierversuche, als sei Ethik ein Fremdwort? Und wenn Hühner in Hallen statt darin auch noch in Käfige gestopft werden, um als Eierlegemaschinen missbraucht zu werden – soll das ein Erfolg sein?

Und doch geht etwas weiter im Tierschutz. Vorige Woche war ich beruflich in Ungarn. Am Weg dorthin passierte ich im Burgenland eine Stelle, die mich an alte Zeiten erinnerte. Ich bog von der Autobahn ab und fand wie im Schlaf den richtigen Ort. Hier, genau hier, saß ich vor – jetzt sinds schon 16! – Jahren auf dem Dach einer Pelzfarm. Hier hatte ich immer wieder gegen Pelze demonstriert. Hier waren tausende Nerze in winzige Käfige gepfercht, um zu Pelzkrägen zu werden. Und hier ist jetzt einfach nur eine grüne Wiese. Pelzfarmen gibt es bei uns schon seit 15 Jahren nicht mehr!

Kürzlich besuchte ich auch einige ehemalige Legebatterien, die wir gefilmt und an die Öffentlichkeit gebracht hatten, oder die einfach in der Landschaft standen, schier unendlich lange Hallen, ein entsetzlicher Gestank, und furchtbares Tierleid hinter den fensterlosen Wänden. Und eine nach der anderen dieser Legebatterien steht jetzt leer. Im Dunkeln wirken sie wie riesige Mahnmale an eine längst vergangene Zeit grausamer Tierqual. Andere Hallen waren zu Bodenhaltungen umgebaut worden, z.T. hatte man dafür neue Hallen neben die leeren alten gestellt. Die meisten dieser BetreiberInnen habe ich nie gesehen, nie mit ihnen kommuniziert. Und dennoch mussten sie wegen uns umbauen, zumindest die Spitze der Grausamkeit etwas abschwächen. Ist das nicht irgendwie beeindruckend, dass wir eine solche Wirkung entfalten konnten?

Kürzlich sah ich auch einen Zirkus wieder, gegen den wir von 1996 bis 2002 sehr häufig protestiert hatten. Damals gab es dort Wildtiere aller Art, früher noch Löwen und Bären, später nur noch Elefanten. Heute versucht der Zirkus mit Pferden und Kamelen die Menschen anzulocken. Kein Fortschritt? Ich denke schon. Weder die Pferde noch die Kamele stecken in engen Raubtierwägen, wie das die Löwen und Bären des Zirkus seinerzeit noch mussten, sondern auf einer Art Koppel. Sicher nicht ideal, auch diese Tiere werden dressiert und dem ständigen Transport ausgesetzt, man verstehe mich nicht falsch. Aber davon zu sprechen, wir hätten nichts erreicht, scheint mir angesichts dieser Veränderungen etwas realitätsfern. Wir haben alle Zirkusse dazu gebracht, auf ihre Shows mit exotischen, gefährlichen und wilden Tieren verzichten zu müssen. Und das wirkt sich jeden Tag quer durchs ganze Land aus.

Und heute die Konferenz zu Kriterienkatalogen für die ethische Evaluierung von Tierversuchsanträgen an der Vet Med Uni in Wien. Hätten wir Anfang 2012 nicht die Idee eines solchen Katalogs als unsere Hauptforderung zum neuen Tierversuchsgesetz entwickelt, hätte es diese internationale Konferenz heute nicht gegeben, würden sich die WissenschaftlerInnen am Messerli-Institut nicht darüber den Kopf zerbrechen, welche Kriterien ab 2016 in diesem Katalog stehen werden, und würden die TierexperimentatorInnen nicht versuchen, durch ihren politischen Einfluss doch noch das (aus ihrer Sicht) Schlimmste zu verhindern und den Katalog zu entschärfen. In gewissem Sinn ist das gesamte Messerli-Institut mit 3 Professuren und etwa 40 Angestellten, das mir heute gezeigt wurde, ein einziger Tierschutzerfolg, behandelt es doch, professionell und akademisch, alle möglichen Fragen zur Mensch-Tier-Beziehung, inklusive unserer kognitiven Ähnlichkeit und der Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen. Ach ja, und die heutige, vom Messerli-Institut organisierte wissenschaftliche Konferenz war vollständig vegan, also nicht nur das Mittagessen, sondern auch die Kuchen in den Pausen und die (Soja-)Milch zum Kaffee. Nichtvegane Alternativen, wie Kuhmilch, standen nicht zur Auswahl.

Vielleicht ist das nur Wunschdenken, und ich möchte einfach, dass die letzten 28 Jahre meines Lebens nicht ganz sinnlos waren, aber mir scheint schon, dass da etwas weitergegangen ist, im Tierschutz.

6 Gedanken zu “Und doch geht etwas weiter im Tierschutz

  1. Martin, ich freue mich mit dir!
    Und ich verneige mich!
    Viel Erfolg weiterhin und im Rahmen meiner schlichten Möglichkeiten werde auch ich weiterhin mitmachen!

  2. Tut mir leid wenn ich deine Freude trüben muss, aber es ist Wunschdenken.
    Die Produzenten sind in Länder abgewandert mit weniger strengen Tierhaltungsbestimmungen.
    Das Leid der Tiere ist nur ein paar Kilometer weiter gewandert.

  3. Tierschutz ist mir wichtig, stand aber nie im Zentrum meines Engagements. Hätte ich in Sachen Entwicklungshilfe auch nur halb so viel bewirkt wie du/Sie in Sachen Tierschutz, wäre ich sehr zufrieden mit meinen letzten 28 (in meinem Fall 36) Jahren.

  4. 🙂 🙂 🙂

    schön auch einmal die positiven dinge revue passieren lassen – das konzentrieren auf die täglichen abscheulichkeiten die so passieren lassen einen diese oft einfach übersehen. dabei können sie doch so viel neue kraft geben!

  5. Ein schöner Artikel !
    Wie alle anderen auch. Doch irgendwie ist dieser Artikel etwas Besonderes. Wie ein kurzes Rasten auf einer anstrengenden Bergwanderung, eine Rundumschau, ein Resumee. Da ist neben finsteren Tälern auch Licht zu sehen. Das langezogene Gebäude auf dem Foto ist unheimlich. Der weitere Verlauf des Artikels umso schöner.

Schreibe einen Kommentar zu Ernestine Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert