„Haben Sie kein Vertrauen in den Rechtsstaat?“, fragt mich die Richterin im Tierschutzprozess. Wenn sie die Verteidigung über hätte, dann würde sie sich zurücklehnen und dem Rechtsstaat vertrauen, sagte sie.
Ein scheinbar unendliches Vertrauen in den Rechtsstaat hat auch Ex-Innenminister Otto Schily in Deutschland, seitdem er politisch auf der Regierungsseite steht. Je mehr Überwachung, je mehr Anti-Terror Gesetze, je strengere Terrorismusprävention, desto sicherer seien wir alle, sagt er öffentlich, und scheint nicht im Geringsten daran zu denken, dass eine derartige Macht auch missbraucht werden kann. Wer ist gefährlicher, der Terrorismus oder ein Amok laufender Staat? Also mir hat der Staat mehr angetan, Terroropfer hat es in Österreich seit vielen Jahren nicht mehr gegeben.
In einem persönlichen Gespräch von immerhin 90 Minuten gab mir auch ein ehemaliger Bundeskanzler den väterlichen Rat, im Tierschutzprozess dem Rechtsstaat zu vertrauen. Wenn nichts dran ist, dann wird das alles rauskommen und zur größten Blamage der Polizei und Justiz werden, waren seine Worte. Ich hoffe er hat Recht. Allerdings weiß ich nicht, ob wir uns heute in diese Richtung bewegen würden, wenn ich und andere nicht schon seit Jahren verdeckte ErmittlerInnen aufdecken, Kronzeugen widerlegen, linguistische Gutachterclowns entlarven und die dunklen Machenschaften der SOKO gegen den Tierschutz an das Licht der Öffentlichkeit bringen. Hätte das unser Rechtsstaat ohne unsere Hilfe zustande gebracht?
Und vorgestern kam es wieder, das „ich habe Vertrauen in den Rechtsstaat“. Diesmal im Journal Panorama auf Ö1, aus dem Mund des Justizsprechers der ÖVP, im Zusammenhang mit dem Tierschutzprozess. Was sagen Sie dazu, wurde er gefragt, dass die Protokolle der verdeckten Ermittlerin vertuscht hätten werden sollen und nicht im Akt sind? Er weiß davon nichts Genaues, aber er hat Vertrauen in den Rechtsstaat, sagte er. Was meint er, warum die Staatsanwaltschaften Linz und Wien Selbstanzeigen im Wortlaut des Wr. Neustädter Strafantrags mangels Anfangsverdacht niederlegen, aber das Justizministerium auf Basis derselben Vorwürfe eine Weisung zur Anklage gibt? Er weiß dazu nichts Genaues, aber er hat Vertrauen in den Rechtsstaat, sagte er.
Wo kommt dieses Urvertrauen eigentlich her? Sind diese Personen, die es haben, politisch so naiv und historisch so unbeleckt oder ist ihr Mantra nur reine Propaganda? Wer am Machthebel sitzt will Vertrauen in die Mächtigen verbreiten.
Historisch gab es doch wirklich unzählige Fälle von politischen Prozessen, bei denen nichts mit rechten Dingen zugegangen ist. Auch in der österreichischen Rechtsgeschichte. Beispiel: die Jakobinerprozesse unter Kaiser Franz II. Wie im Tierschutzprozess wurde dort die Gesinnung angeklagt und tatsächlich brutal verurteilt. Oder die Operation Spring erst kürzlich. Vertrauen in den Rechtsstaat?
Der Polizist Karl-Heinz Kurras erschießt den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 auf offener Straße in Berlin während einer Demonstration gegen den Schah von Persien und wird glatt freigesprochen. Dabei, so wissen wir heute, war er Stasispitzel und seine Tat deshalb offensichtlich politisch motiviert. Zugegeben, das war Deutschland – Vertrauen in den Rechtsstaat?
Das große Verfahren gegen die South African Student Organisation in Südafrika, ein reiner Gesinnungsprozess, viele Jahre Gefängnis als Ergebnis. Ein ordentliches Gericht, ein Schuldspruch, der in allen Instanzen hält. Vertrauen in den Rechtsstaat?
Beim Tierschutzprozess weiß ich gar nicht, wo ich Anfangen soll, die vielen Skandale und Skandälchen aufzuzählen. Keine Akteneinsicht, U-Haft mit erlogenen Begründungen, verdeckte Ermittlerin vertuscht, tierschutzsympathisierende UVS-Richterin verfolgt, SOKO löst Steuerverfahren gegen den VGT mit dem Ziel des Entzugs der Gemeinnützigkeit aus, ein Tierschutzgütesiegel wird zur Schutzgelderpressung usw. Vertrauen in den Rechtsstaat?
Wie immer, wenn Menschen Macht bekommen, ist ein gerüttelt Maß an Misstrauen notwendig. Macht korrumpiert und absolute Macht korrumpiert absolut. Diese Lehre müssen wir aus der Vergangenheit ziehen. Und da sich bei Polizei und Justiz sehr viel Macht konzentriert, müssen Polizei und Justiz viel stärker kontrolliert und überwacht werden, als sonst irgendwer. Ein blindes Vertrauen in den Rechtsstaat ist sehr gefährlich. Was wir brauchen ist das Gegenteil: ein sehr großes Misstrauen in den Rechtsstaat und eine erhöhte Wachsamkeit, speziell bei politischen Verfahren.
ÖVP-Justizsprecher Donnerbauer weiß nichts vom Tierschutzprozess aber vertraut dem Rechtsstaat. Vielleicht weiß er auch nichts von der Regierungspolitik aber vertraut unseren PolitikerInnen? Am besten man weiß überhaupt nichts und vertraut allen BürgerInnen? Nein, weit gefehlt. Dieses naive Vertrauen endet schlagartig, wenn es um die BürgerInnen geht. Da ist man plötzlich für so viel Überwachung und Terrorprävention, wie nur möglich. JedeR ist verdächtig. Dabei sind die epochalen Verbrechen der Menschheitsgeschichte immer von Regierungen und politisch Mächtigen, aber nie von einfachen BürgerInnen ausgegangen.
ich habe einen guten Freund, der beruflich und privat im Ausland lebt. Dem habe ich über diverse Probleme, die die Justiz derzeit quälen berichtet, und daß das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit gelitten hat in der Bevölkerung (Testamentsaffäre als Beispiel)
Seine lapidare Antwort: “war bei mir nie vorhanden”
Das mag zynisch klingen, war wohl auch so gemeint. Aber Vertrauen ohne Kontrolle ist schlicht Dummheit.
Vertrauen in den Rechtsstaat haben viele Österreicher nicht mehr. Man denke nur an die Verbliebenen des Unfalls von Kaprun (ausgerechnet am 11.11.2000) und an den Gutachter, den man psychiatrisieren ließ. Man sieht so viele Fälle und kennt so viele Menschen, die von der sogenannten österreichischen “Justiz” geschasst worden sind – das würde Bücher füllen! Auf meinen Blogs
http://chronologieeinerentmuendigung.blogspot.com/
http://justizaustria.blogspot.com/ ist mehr darüber zu lesen. Da fällt mir eine Verhandlung wegen Denunzierung auf http://www.peterpilz.at ein. Der Anwalt Dr. Noll hat der Richterin im Minirock Mag. Katja Bruzek (Januar 2008, LG Strafsachen Wien) das Urteil wörtlich DIKTIERT! Dass die Justiz eine Farce ist, weiß ich seit 1998, als ich vom Jugendgerichtshof einen Beschluss erhielt (Besuchsrecht) wo in Punkt 4 genau das Gegenteil zu Punkt 1 stand. Herr Dr. Balluch, ich glaube, Sie sind ZU INTELLIGENT für diese Bananenrepublik. In Österreich benötigt es Schleimer, Duckmäuser und Dümmlinge. Intelligente Menschen machen diesen Verbrechern bei der “Justiz” Angst.
sehr guter Artikel !
Lieber Herr Balluch,
es gibt nicht nur Mächtige, sondern auch viele einfache Bürger, die ein blindes, naives Urvertrauen in den Rechtsstaat besitzen. Zumindest für Deutschland geht man davon aus, daß dies auch damit zu tun haben dürfte, daß der Rechtsstaat hierzulande viel älter ist als die Demokratie. Das scheint so tief verwurzelt zu sein, daß viele Menschen selbst dann noch vom Rechtsstaat faseln, wenn – wie in Ihrem Falle – Prozesse à la russe geführt werden.
Historisch gesehen, kann ich mir vorstellen, daß für Österreich ähnliches gilt.
Das Ganze erst recht für Angehörige von Establishment und Elite. Denn im Gegensatz zu Aktivisten wie Ihnen werden diese Leute in ihrem Leben eher positive Erfahrungen mit Polizei und Justiz gehabt haben. Wer sich anpaßt und Karriere macht, hat weniger Erfahrungen mit Willkür und Machtmißbrauch als jemand, der unbequeme Forderungen stellt.
So erkläre zumindest ich mir das.
Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Erfolg für das kommende Jahr und hoffe, daß diese fürchterliche Farce endlich ein Ende findet. Auf mehr kann man wohl nicht hoffen.
Vertrauen ist gut Kontrolle ist besser – sagt schon ein altes Sprichwort. Wer vertrauenswürdig ist wird ja derzeit auch bestens durch Wikileak aufgedeckt.
Das hätten die mit der Macht gerne, dass man ihnen vertraut, dann könnten sie weiter manipulieren ohne dabei gestört zu werden.
Gottseidank werden aber die Informanten aus den Reihen der “Mächtigen und solche die es gerne werden möchten” immer häufiger.
Daher der Wunsch für das Jahr 2011 – Gnadenlose Aufdeckung
“Haben Sie kein Vertrauen in den Rechtsstaat ?”
fragt die Richterin.
Im vorliegenden Zusammenhang kann ich
diese Frage eigentlich nur als zynische Verarschung
interpretieren !!!
Vertrauen in den Rechtsstaat hätte ich dann,
wenn diese schwammigen 278er-Paragraphen
niemals in Kraft getreten wären und somit
dieser Irrsinns-Prozess niemals begonnen hätte !
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Liebe Angeklagte,
ich wünsche Euch ein baldiges Prozess-Ende
mit Freisprüchen –
und in weiterer Folge wünsche ich Euch,
dass ihr mit Euren (vermutlich unvermeidlichen)
seelischen Traumata und finanziellen Schäden klarkommt !
Montag 27.12.2010 23:30 Uhr
Fernsehsender RTL
Sendung “30 Minuten Deutschland”
Reportage zum Thema Justizirrtümer
Video: http://rtl-now.rtl.de/30minuten.php?film_id=33793&player=1&season=0&na=1
“Justitia ist blind! Denn sie soll den Fakten, so wie sie wirklich sind, auf den Grund gehen und im Gerichtssaal für ein gerechtes Urteil sorgen. Allerdings sind auch Justitias Stellvertreter häufig mit Blindheit geschlagen. Anders lassen sich Justizirrtümer kaum erklären. Was im Zivilrecht schon ärgerlich und oft auch mit hohen wirtschaftlichen Verlusten verbunden ist kann im Strafrecht dazu führen, dass jemand Jahrzehnte unschuldig für die Tat eines anderen im Gefängnis ist. Oft genug sind falsche Gutachten der entscheidende Faktor. […]”
Mehr unter http://www.rtl.de/fernsehprogramm (Montag, 27.12.2010 / 23:30 30 Minuten Deutschland / Alle Infos)
Der Gründer des Vereins für die Opfer von Fehlurteilen schätzt, dass in Deutschland bis zu
sieben Prozent der Verurteilten unschuldig sind. Das klingt nicht nur äußerst beunruhigend …
Und so wie sich die Justiz in Österreich präsentiert, wird die Situation hier wohl um keinen Deut rosiger sein.
In einem der gezeigten Fälle wurde ein Mann wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt und verurteilt. Nach 18 Monaten kam er frei, da sich der tatsächliche Täter der Polizei gestellt hatte. In seiner Gefängniszeit wurde er von Zellengenossen schwer misshandelt (sie wollten sehen wie ein Mensch stirbt) und als er
entlassen wurde war seine Wohnung aufgelassen und mit ihr sein ganzes Hab und Gut. Die Behörden gaben sich gleichmütig, bezahlten ihm eine Haftentschädigung von Euro 11,- pro Tag und der Fall war für den Staat erledigt. Der Betroffene stand dann seelisch und körperlich ramponiert vor den Scherben seiner Existenz.
Bei allen Justizopfern lief alles in etwa nach dem selben Schema ab: Brutale Festnahme, voreingenommene Untersuchungsrichter, Überbewertung von belastenden Zeugen und das Ignorieren von entlastenden Zeugen bzw. entlastendem Material, sowie schlussendlich eine Verurteilung aufgrund von Indizien.
Die Qintessenz aus dieser Reportage:
Im Falle einer Festnahme auf keinen Fall eine Aussage bei der Polizei tätigen, so ein Rechtsanwalt. So unschuldig kann niemand sein, dass einem das Gesagte nicht nachteilig ausgelegt werden kann. Sich einen fähigen Anwalt nehmen und alle Möglichkeiten der Strafprozessordnung ausschöpfen, denn die Wiederaufnahme eines Verfahrens nach einer rechtmäßigen Verurteilung zu einem späteren Zeitpunkt ist dann nahezu aussichtslos.
Das blinde Vertrauen auf den Rechtsstaat hat etwas vom kindlichen Vertrauen auf die Existenz des Christkinds.
Der Rechtsstaat stellt einen Rechtsweg zur Verfügung, den man beschreiten kann, wenn man sich von der ersten Instanz falsch be/verurteilt fühlt. Verzichtet man auf den Rechtsweg, gibt man dem falschen Urteil der ersten Instanz recht und nimmt freiwillig eine Strafe auf sich, die man nicht verdient hat, weil man nicht einmal den Tatbestand erfüllt (hat).
Ich habe selten einen so schwachsinnigen Rat gehört, einfach nichts zu tun. Der Rechtsweg funktioniert genau nur durch das Mitwirken der Angeklagten. Er stellt sicher, dass das falsche Urteil überprüft werden kann.
Liebe Angeklagte des VGT, bleibt weiterhin aktiv und rührt so lange weiter den Sumpf auf, bis endlich die vor dem Richter stehen, die nachweislich Kompetenzen überschritten, Flaschaussagen getätigt und weiß ich was noch getan haben. Viel Erfolg auch 2011!
Der gute Rat, doch dem Rechtsstaat zu vertrauen kann nur von naiven Menschen oder falschen Freunden kommen. Vertrauen und Rechtsstaat passen mittlerweile zusammen wie die sprichwörtliche Faust aufs Aug.
ÖVP-Justizsprecher Donnerbauer wird mit Sicherheit ganz genau wissen was sich rund um den Tierschutzprozess abspielt, ansonsten müßte er wohl wegen mangelnden Engagements seinen Posten räumen. Er wird sich schon alleine aus parteitaktischen Gründen für den Tierschutprozess interessieren (müssen), alleine schon deswegen, weil sich die Justizsprecher der gegnerischen Parteien (Hannes Jarolim/SPÖ und Albert Steinhauser/Grüne) diesbezüglich sehr engagiert zeigen.
Aber was ist schon wirklich von einer vor Arroganz strotzenden ÖVP anderes zu erwarten: als ein nach außen hin gespieltes Desinteresse. Einer Partei, welche sich am liebsten wieder in Schuschniggs Zeiten wiederfinden würde …
In Deutschland gibt es den Begiff des “Wutbürgers”, in Österreich sind wir davon nicht mehr weit entfernt.