19. April 2024

Zur Einvernahme des Führers der verdeckten Ermittlerin

Einen ganzen Tag lang wurde gestern der sogenannte „Führer“ der verdeckten Ermittlerin, Herr Chefinspektor Stefan Wappel, einvernommen. Es gab – berechtigterweise – ein großes Medieninteresse. Doch die Richterin scheint die Kontrolle der Öffentlichkeit nicht zu schätzen. So aggressiv war sie ja schon lange nicht mehr. Und die Medien hat sie ganz explizit kritisiert. Dabei ist die Kontrolle der Gerichte durch die Öffentlichkeit zentrales Verfassungsrecht!

Erstaunlicherweise war sie verwundert, dass die Einvernahme von Herrn Wappel so lange gedauert hat. Dabei war doch klar, dass es viele Fragen zu klären gibt. Wie kritisch diese Befragung war, merkte man an den Antworten von Herrn Wappel, die sehr danach ausgesehen haben, als sei Herr Wappel vorher intensiv gebrieft worden. Entweder Wappel sagte, er wisse das nicht oder erinnere sich nicht, oder Wappel wiederholte sein Mantra, es sei alles nur zur Gefahrenabwehr gewesen. Warum hat sein Spitzel aber über 100 Identitäten von TierschützerInnen festgestellt? Zur Gefahrenabwehr muss man Namen wissen? Namen helfen nur dazu, nach einer Straftat die TäterInnen auszuforschen. Aber genau für diese Aufgabe hätte der Spitzel eine Genehmigung gebraucht, die nicht vorhanden war. Wozu wurden zumindest 3 Mal Trinkflaschen gestohlen, um DNA-Spuren von AktivistInnen abzunehmen? Wie könnte so etwas der Gefahrenabwehr dienen? Oder das Passwort zum Fadinger-Archiv, das der Spitzel erhalten und an den Führer weitergegeben hat. Wie sonst ist die SOKO zu den alten Fadinger-Forumseinträgen gekommen, die bis heute den Schwerpunkt der Anklage bilden? Hat das der Gefahrenabwehr gedient?

Mit anderen Worten: trotz allen Leugnens wurde bei der Befragung klar, dass diese verdeckte Ermittlung eine genehmigungspflichtige Ermittlung nach der Strafprozessordnung gewesen ist. Da aber keine Genehmigung vorlag, wurde diese Ermittlung illegal durchgeführt. Kein Wunder, dass die SOKO dauernd widerrechtlich die Akteneinsicht verweigert, wenn sie ihre illegalen Machenschaften vertuschen muss. Wen wundert hier noch das große Medieninteresse?

Für die Angeklagten des VGT und mich, alle nur wegen §278a vor Gericht, ist diese Einvernahme Goldes wert. Nein, sagte Wappel auf die entsprechenden Fragen, er habe keine Hierarchie und keine Kommandozentrale ausmachen können, wie im Strafantrag behauptet. Nein, es habe nie einen Hinweis auf Straftaten gegeben. Alle Veranstaltungen und Aktionen des VGT seien immer friedlich verlaufen. Die gute verdeckte Ermittlerin war immerhin auf 76 Demos gegen Kleider Bauer dabei! Das sind praktisch alle solchen Demos genau in der inkriminierten Zeit. Und was hat sie erlebt? Lauter friedliche Menschen, nie Gewalt oder die Drohung einer solchen, keine besonderen Vorkommnisse. Wie war das noch mit der kriminellen Organisation?

Die verdeckte Ermittlerin war auch auf vielen Demos gegen Kaninchenkäfighaltung, gegen Vollspaltenböden bei Schweinen, bei 3 Großdemomärschen, bei zwei Tiertransportblockaden, bei 10 Jagdsabotagen, nächtlich plakatieren und und und. Ja, sie war noch nach den Festnahmen bei 15 Demos gegen die Repression und die Polizei. Sie hat ja sogar einen Angeklagten im Gefängnis besucht! Inwiefern kann das eine Gefahrenabwehr gewesen sein, wurde Wappel gefragt. Es hätte sein können, dass jemand Farbbeutel auf das Gefängnis, das Gericht oder ein Ministerium wirft, war die Antwort, und gegen diesen „gefährlichen Angriff“ (so Wappels Diktion) musste die verdeckte Ermittlerin weiterhin aktiv bleiben. Wie ein Besuch im Gefängnis einen Farbbeutelwurf verhindern kann, blieb allerdings offen. Naja, morgen Mittwoch habe ich ja mein Fragerecht. Vielleicht können wir da Näheres erfahren.

Mittlerweile sind sogar die pessimistischsten Geister der Ansicht, dass dieser Prozess so nicht mehr lange weitergehen kann. Die UniversitätsprofessorInnen Velten (Vorständin des Instituts für Strafrecht der Uni Linz) und Funk (Staatsrecht an der Uni Wien) waren anwesend und haben nur mit dem Kopf geschüttelt. In ihren Interviews waren sie sehr kritisch. Auch Peter Pilz, Sicherheitssprecher der Grünen, und Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen, konnten die gestrige Einvernahme miterleben. Beide schienen mir sehr schockiert. Und alle der zahlreichen MedienvertreterInnen, die anwesend waren und mit denen ich gesprochen habe, haben das ähnlich empfunden. Die Artikel in den Zeitungen dazu sprechen Bände.

Gibt es noch irgendwen, der/die in diesem Prozess einen Sinn sieht oder meint, da werde schon etwas dran sein, an den Vorwürfen der Anklage? Wenn ja, dann schlage ich Ihnen vor, morgen Mittwoch an der Verhandlung teilzunehmen. Ich denke, mehr braucht es nicht, um diese Meinung zu ändern.

Übrig bleibt der bittere Beigeschmack, dass wir akzeptieren müssen, dass eine SOKO knallhart lügt, um einem politischen Auftrag gemäß Personen in U-Haft zu nehmen und vor Gericht zu bringen, dass ein Staatsanwalt lügt, dass ein Innenministerium lügt und dass auf der Basis dieser Lügen sogar das Wiener Oberlandesgericht und der Oberste Gerichtshof Hausdurchsuchungen und U-Haft für berechtigt erklären. Ein zentraler Unterschied zwischen totalitärem System und Demokratie ist, dass in letzterer unabhängige Gericht die Machenschaften der Polizei kontrollieren. Jetzt haben wir ein Beispiel dafür, dass diese Kontrolle in Österreich nicht funktioniert hat. Offenbar darf man nie in der Aufmerksamkeit nachlassen und dem Rechtsstaat vertrauen. Macht korrumpiert und absolute Macht korrumpiert absolut. Die Mächtigen auch in Österreich müssen ständig kontrolliert werden, sonst gerät das System sofort aus den Fugen. Daher muss diese Tierschutzcausa ernsthafte Konsequenzen für die Verantwortlichen haben. Das System bedarf einer Korrektur. Soviel ist offensichtlich geworden.

3 Gedanken zu “Zur Einvernahme des Führers der verdeckten Ermittlerin

  1. ich habe soeben den beitrag in “heute in österreich gesehen” und habe vor freude gejubelt, daß sich der orf mittlerweile sogar in dieser harmlosen sendung zu outen wagt (meine katze hat sich ob meines ausbruchs unter den kachelofen verkrochen).
    ihr gehört auf ein podest, nicht vor ein gericht – dank euch schäme ich mich nicht, bürgerin dieses landes zu sein!

  2. Das war von Anfang an klar dass das alles nur der Einschüchterung diente. Die Tierschützer waren vielen Leuten ( ignoranten Ar………n) ein Dorn im Auge, da musste eine Monsterklage her.
    Der ganze Prozess hat nur ein Ziel, den VGT zu ruinieren, mundtot machen.
    Aber ich denke genau das Gegenteil ist der Fall, der VGT
    ist dadurch bekannter geworden, ist fast täglich in den Medien, man merkt dass viele Menschen auf euerer Seite sind, und das ist wichtig.
    Ich drücke euch ganz fest die Daumen.

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