22. November 2024

Aus der Erfahrung lernen: das Verbot des Fasanaussetzens und Reformismus versus Abolitionismus

Jede soziale Befreiungsbewegung, wie die Tierrechtsbewegung, führt dieselbe Diskussion über ihr taktisches Vorgehen und die Grundsatzpositionen: Reformismus versus Abolitionismus, also sollen wir bereit sein, über Reformen zu verhandeln und Kompromisse einzugehen, oder sollen wir das nicht. Auch bei den Grünen in Deutschland war diese Diskussion einmal virulent, nämlich Realos versus Fundis. Wie überhaupt in Deutschland derartige Diskussionen viel virulenter zu sein pflegen, als in Österreich. Die Reformismus-Abolitionismus Diskussion hat aber weltweit an Fahrt gewonnen, als Gary Francione seine Thesen zu verbreiten begann. Lustig, weil er selbst vormals ein Legebatterieverbot z.B. als sehr positiv bewertet hatte. Dann plötzlich der dramatische Wechsel: wer auch nur die geringste Reform im Tierschutz will, sei ein „new welfarist“, der in Wahrheit die Totalausbeutung der Tiere fördere. Als US-amerikanischer Universitätsprofessor im Elfenbeinturm seines Instituts, suchte er sich ausgerechnet den VGT aufgrund unserer erfolgreichen Reformkampagnen als punching ball aus und nannte uns das größte Hindernis in der Umsetzung von Tierrechten.


Das Argument kurz zusammengefasst: jede Verbesserung des Tierschutzgesetzes, sogar ein Verbot von Pelzfarmen z.B., trägt die Anerkennung gewisser Formen der Ausbeutung in sich, beim Pelzfarmverbot wäre das die Herstellung von Leder. Diese Anerkennung von Seiten der Tierschutzorganisationen würde die Tierausbeutung „zementieren“ und damit für alle Zeiten fixieren. Jede Reform sei daher falsch, weil sie die Abschaffung der Tierausbeutung verhindert. Ich nannte diesen Standpunkt „mad abolitionism“, weil er über die landläufige Position von Abolitionismus weit hinausgeht. Diese besagt nämlich, dass die Abschaffung einer Tierausbeutung, wie durch ein Pelzfarmverbot, gut sei, während die Reform einer Tierausbeutung, z.B. Legebatterieverbot während Bodenhaltung erlaubt bleibt, schlecht.

Gemeinsam ist aber allen Formen des Abolitionismus, dass es keine Verbesserungen in kleinen Schritten geben solle, weil das die Abschaffung einer Ausbeutung verzögere. Theoretisch hat Nick Cooney dagegen schon lange das „Fuß-in-der-Tür“-Prinzip eingewandt: ein kleiner erster Schritt erleichtert psychologisch jeden weiteren, d.h. zwei kleine Schritte kommen früher als ein großer. Ebenso typisch Abolitionismus ist die Kritik, dass Reformdiskussionen Tierausbeutung legitimieren würden. ReformistInnen argumentieren dagegen i.A., dass jede Reform das Los der Tiere verbessert und dass man nicht aus taktischen Gründen die Tiere diesbezüglich im Stich lassen kann.

Doch in der praktischen Politik helfen theoretische Diskussionen wenig, da muss man aus Erfahrungen lernen. Wir haben jetzt wieder eine Kampagne geführt, die erfolgreich abgeschlossen wurde: das Verbot, Fasane zur Jagd auszusetzen, tritt in wenigen Tagen in Kraft. Wie man auch immer zu diesem Schritt steht, folgende Aspekte sind unbestritten:

+  Unsere erste Kampagne gegen das Aussetzen von Fasanen fand im Jahr 2005 statt und endete mit einer milden Reform. Damals wurde das Aussetzen dadurch dennoch zahlenmäßig auf ein Viertel reduziert.

+  Dass 2005 eine Reform erreicht wurde, hat nicht verhindert, dass wir nun 2017 ein Totalverbot erreicht haben.

+  Die jetzige Kampagne hat nicht zur Folge gehabt, dass andere tierquälerische Aspekte der Jagd, wie z.B. das Wintergatter oder die Trophäenjagd, legitimiert worden wären. Im Gegenteil, die Jägerschaft hat sich frontal angegriffen gefühlt und entsprechend reagiert, weil das Image der Jagd an sich durch unsere Kampagne extrem gelitten hat.

Das sind Fakten, die nun auf dem Tisch liegen. Sie widerlegen in meinen Augen viele Argumente des Abolitionismus, wie sie von manchen propagiert werden. Sie sprechen jedenfalls sehr für meine Vision einer erfolgreichen sozialen Befreiungsbewegung: Jeder Schritt zur Verbesserung der Lebenssituation der Tiere ist ein Schritt in Richtung ihrer Befreiung. Es kann keine Ende der Tierausbeutung von heute auf morgen geben, die Revolution muss in kleinen Schritten erfolgen. Eine Gesellschaft, die die Spitzen der Brutalität gegenüber den Tieren abgeschafft hat, steht dem Ende der Tierausbeutung näher, als eine Gesellschaft, die Tieren gegenüber noch völlig indifferent ist und keine Regelungen zum Umgang mit ihnen vorgibt. Für jede Reform, die den politischen Status von Tieren hebt und ihr Leben erleichtert, ist es wert, zu kämpfen.

2 Gedanken zu “Aus der Erfahrung lernen: das Verbot des Fasanaussetzens und Reformismus versus Abolitionismus

  1. Letztendlich lese ich aus der Argumentation der Abolitionisten nur eines heraus: Bequemlichkeit. Denn das, was sie fordern, ist unerreichbar, deshalb können sie sich mit dem Wohlgefühl einer ethischen Elitehaltung bequem in ihren Lehnstühlen zurücklehnen und einfach nichts tun. Das führt dann auch zu nichts. Für die, die sich tagtäglich für Tierrechte einsetzen, mit vollem Engagement, zählt jeder kleine Schritt, der der gequälten Kreatur das Leben erleichtert. Ganz abgesehen davon, dass dieser Weg von Vernunft getragen wird und im gesellschaftlichen, politischen Konsens.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert