29. März 2024

Erster Prozesstag gegen die AMS 4: das schreit nach Justizreform!

Wer den ersten Prozesstag gegen die sogenannten AMS 4, also jene vier AktivistInnen aus der Uni-brennt Bewegung, am Landesgericht Wien mitverfolgt hat, bleibt fassungslos zurück. Schon wieder ein Beispiel einer klar politischen Verfolgung, noch dazu von derselben Polizeitruppe um Erich Zwettler wie im Tierschutzprozess, ebenfalls mit verdeckten ErmittlerInnen und Vertrauenspersonen, ebenfalls ohne Zugang zu deren Berichten, und mit der gleichen schamlosen Aufbauscherei von im Sinne der Verfassung völlig harmlosen politischen Zusammenhängen. Der Prozesstag ist am Live Ticker von Maria Sterkl nachzulesen:

http://derstandard.at/1331207084414/Nachlese-Livebericht-Gutachten-und-neue-Zeugen-beantragt

Hier wurden Personen massiv überwacht, dann beschuldigt eine terroristische Vereinigung zu bilden, in U-Haft gesperrt, ihre Wohnungen durchsucht und sie letztlich angeklagt, ohne dass auch nur irgendetwas Konkretes gegen sie vorliegen würde. Wie im Tierschutzprozess wurden Telefonate oder elektronische Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen, wie im Tierschutzprozess haben zum Teil dieselben PolizistInnen unter der Leitung von Erich Zwettler die „Verdachtslage“ falsch dargestellt und damit die Justiz hinters Licht geführt. Wie im Tierschutzprozess, in dem Zwettler sogar mehrere Lügen vor Gericht nachgewiesen wurden, wird dieser Polizeitruppe trotz dieser Verbrechen an unschuldigen Menschen absolut nichts passieren. Es ist richtig gehend zum Verzweifeln.

Interessant ist, dass die Staatsanwaltschaft vom Tierschutzprozess gelernt hat, nicht auf Basis von §278ff anzuklagen und dann nach einem großen Prozess völlig das Gesicht zu verlieren. Deshalb geht es gegen die AMS 4 „nur“ um Brandstiftung. Diese angebliche Brandstiftung – der Richter hat sie bereits als Brandlegung qualifiziert und damit in ihrer Dramatik abgestuft – betraf 4 Mistkübel auf offener Straße. Die folgende Evidenz gegen die 4 Angeklagten wurde am ersten Prozesstag vorgebracht:

  • Telefonate zwischen den Angeklagten irgendwann in der Tatnacht in ihrem Wohngebiet, das in Tatortnähe liegt, ohne dass Inhalte der Gespräche bekannt wären
  • Eine Kiste ohne bekannten Inhalts, die irgendwann von irgendwem, möglicherweise einem Angeklagten und möglicherweise in den Tagen um die Tatzeit, aus einer Wohnung in Tatortnähe abgeholt worden ist
  • Das mögliche Anklicken eines auf Indymedia veröffentlichten Links zu einem Bekennervideo durch einen der Angeklagten
  • Subversive Äußerungen der Angeklagten, Auftreten der Angeklagten auf Demos, Teilnahme der Angeklagten an der Uni-brennt Bewegung

Ist es wirklich rechtsstaatlich, auf Basis dieser „Evidenz“ eine U-Haft zu verhängen? Ist es wirklich rechtsstaatlich, auf Basis dieser Lächerlichkeiten einen Strafprozess zu beginnen? Aus leidvoller Erfahrung weiß ich, was U-Haft und politischer Strafprozess bedeuten, nämlich neben einem großen Stress und einem Stillstand im eigenen Leben auch den finanziellen Ruin. Sollte nicht noch irgendetwas Überraschendes in diesem Prozess passieren ist ein Freispruch unausweichlich. Doch die Strafe ist dann, wie im Tierschutzprozess, bereits eingetreten.

Das, was das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung unter der Leitung des gerichtsnotorischen Lügners Erich Zwettler hier in unserem Namen aufführt, lässt sich nur durch eine echte Justizreform verhindern. Doch diese Reform muss weiter gehen, als lediglich §278ff zu entschärfen. Es muss für die Polizei schmerzhafte Konsequenzen haben, sich derart aufzuführen. Ein Erich Zwettler muss, wenn er vor Gericht lügt, auch dafür verurteilt werden und ins Gefängnis wandern. Er muss dafür verantwortlich gemacht werden können, wenn er Verdachtsmomente erfindet oder aufbläst, wenn er U-RichterInnen hinters Licht führt und dadurch vorsätzlich eine U-Haft gegen Unschuldige erwirkt, wenn er die Akteneinsicht verhindert und wichtige Entlastungsbeweise sowohl der Verteidigung als auch dem Gericht vorenthält, und wenn er die Justiz so ins Eck manövriert, dass sie sich zur Wahrung ihres Gesichts und um den Aufwand zu rechtfertigen nicht mehr anders zu helfen weiß, also ohne irgendeinen Beweis anzuklagen.

Hinweis: Wer meine Petition für den Ersatz der Verteidigungskosten bei Freispruch noch nicht unterstützt hat, kann das weiterhin tun, siehe vgt.at/verteidigungskosten

PS: Der nächste Prozesstag dürfte erst im Juli stattfinden.

4 Gedanken zu “Erster Prozesstag gegen die AMS 4: das schreit nach Justizreform!

  1. Klar die unibrennt-Bewegung war ja wirklich radikal und gefährlich. So was Verrücktes! Ich frage mich was da los ist, Polizeistaat gegen Menschen, die für eine bessere Welt eintreten?!?! Wie kann es denn sein, dass (in diesem Prozess, wie im Tierschutzprozess) engagierte Menschen angeklagt und verdächtigt werden und als Terroristen hingestellt werden? Haben die überhaupt eine Ahnung, was Terror wirklich ist? Ist das ein neues Wohlstandsphänomen: Terroristen suchen in Gruppen, die nicht dem Mainstream entsprechen? Haben wir zuwenig Kriminalität im Land, zu wenig Probleme auf der Welt, ist uns vielleicht ein bissl fad? Sorry, aber solche Ungerechtigkeit macht mich einfach wütend!

  2. Die systematische Existenzvernichtung durch den LVT wird hier ungeniert weiter prolongiert. Die Stasi ist offensichtlich schon zu einer autonomen und unkontrollierten Macht im Staat mutiert, ein für einen Rechtsstaat vollkommen inakzeptabler Zustand. Aber solange die ÖVP-Mischpoche die beiden Schlüsselministerien (Inneres und Justiz) inne hat, sind diesbezügliche Reformen leider nur schwer vorstellbar.

    Irrwitziges Detail dieses Prozesses: Auf Antrag der Verteidigung zum Thema Brandstiftung wurden vom Richter drei Sachverständige vorgeschlagen und eine/r davon ist im Innenministerium angestellt (?). Kann das tatsächlich ernst gemeint sein? Da werden auch gleich wieder Erinnerungen an den verrückten Ultra-Power-Sachverständigen beim Tierschutzprozess wach.

    Soweit es sich aus dem Live-Ticker schließen läßt, dürfte sich der Richter – im Gegensatz zu Wr. Neustadt – doch eher auf die Verfahrensführung beschränken und nicht persönlich die Anklage übernehmen. Zumindest die Verteidigerin kommt aus meiner Sicht recht kompetent rüber.

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