28. April 2024

Hirn schließt Harvester und Hege aus

VGT-Obmann kommentiert Josef Prölls Gastkommentar in der Presse: die konventionelle Jagd- und Forstwirtschaft haben uns an den Abgrund gebracht!

Laut dem derzeitigen Landesjägermeister und vormaligen Landwirtschaftsminister Josef Pröll brauche ein klimafitter Lebensraum Harvester, Hirn und Hege. Diese Behauptung ist bemerkenswert, weil gerade Harvester und Hege ganz wesentlich dazu beitragen, dass wir eben gerade keinen klimafitten Wald mehr haben, den wir aber so dringend brauchen würden.

Der Harvester ist ein über 20 Tonnen schweres Fahrzeug, das beim Befahren des Waldbodens diesen auf Jahrhunderte hinaus schwer schädigt, indem er den Boden verdichtet, die Hohlräume zerdrückt und das Bodenleben vernichtet. 1 Gramm Waldboden enthält Billionen Bakterien, 10.000e Einzeller, 100e Fadenwürmer und Millionen von Pilzen mit 5-25 km Pilzfäden. Es ist genau dieses Bodenleben, das den fruchtbaren Humus aufbaut und durch seine Mykorrhizapilze das Netzwerk eines artenreichen Waldes erhält. Eine Studie der EH Zürich, der Uni Tartu und der TU München von Hartmann et al. hat im Jahr 2013 gezeigt, dass Jahrzehnte bis Jahrhunderte vergehen, bis sich die Waldböden vollständig von dieser starken Beeinträchtigung durch den Harvester erholt haben. Und zusätzlich produziert die mit diesem Gerät auf Kahlschlag ausgerichtete Forstwirtschaft Altersklassenwälder mit Fichtenmonokultur und reduziert dadurch den Wald auf eine Agrarfläche mit ökologischer Wirkung wie ein Kukuruzfeld. Ein derartiger Wald ist das Gegenteil von klimafit, er kann sämtliche seiner wesentlichen Funktionen nicht mehr erfüllen. So schützt er mangels tiefer Humusschicht nicht mehr vor Hochwasser und kann aber auch durch Wasserverdunstung in seinen Kronen nicht mehr der Dürre entgegen wirken. Der Wald kann auch nicht mehr seine Kühlwirkung entfalten und Schadstoffe aus der Luft filtern. Und insbesondere ist er Stürmen und dem Borkenkäfer hilflos ausgeliefert und speichert kaum mehr Kohlenstoff. Der Wald, unser wichtigster Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel, wird dadurch entwaffnet. Statt Harvester und Kahlschlag brauchen wir Biodiversität, artenreiche Wälder mit gemischten Altersstrukturen und eine Forstwirtschaft mit Einzelbaumentnahme ohne schwere Maschinen.

Aber auch die Hege völlig überhöhter Schalenwildpopulationen mit Wintergatter und ganzjährigen Fütterungen ist der falsche Weg. Wir haben in Österreich mit 18 Tieren auf 100 ha die höchste Dichte an Rehen und Hirschen Europas oder sogar weltweit. In Deutschland sind es 10, in der Schweiz 7 und in Frankreich und Italien lediglich 4. Die Folge ist ein dramatischer Wildverbiss im Wald, der in vielen Bereichen jede Naturverjüngung außer der Fichte verhindert. Im Burgenland z.B. hat der Wildverbiss 87,8 % des Waldes stark beschädigt. Aber auch für die Wildtiere sind diese Mastanlagen aus egoistischem Jagdinteresse und Trophäenkult alles andere als gut: die Rehe und Hirsche verändern ihre natürliche Verdauung im Winter, sind krankheitsanfälliger, haben einen erhöhten Parasitenbefall, einen höheren Jagddruck und generell viel mehr Stress. Kurz gesagt: Hirn schließt Harvester und Hege aus.

Tier- und Naturschutzorganisationen letzte Rettung

Prölls Aussagen spiegeln genau jene Mentalität des totalen Nutzungsanspruchs an die Natur wider, die uns Artensterben und Klimawandel gebracht hat. Er nennt die Tier- und Naturschutzorganisationen dogmatisch und nicht lösungsorientiert, hat aber selbst keine Kritik am Bisherigen und keine andere Lösung, als weiter wie bisher, zu bieten. Pröll, und mit ihm die konventionelle Jägerschaft, sieht die Natur ausschließlich als Ressource für menschliche Zwecke, und sei es für frivole, wie den Abschuss seltener Tierarten, wie den Auerhahn, oder harmloser Tierarten, wie das Murmeltier. Dem gegenüber steht der Respekt vor der Natur, die Einsicht, dass die Natur nicht nur für den Menschen da ist, dass Wildtiere auch ein Recht auf Leben und einen nicht vom Menschen gestörten Lebensraum haben, und dass Urwald und Biodiversität inklusive großer Beutegreifer die Schlüssel für ein Überleben des Planeten sind. Die von Pröll so viel geschmähten NGOs WWF und VGT sind Waldbesitzer. Der WWF pflegt seine 1.100 ha Wald in den Marchauen vorbildlich und der VGT erhält seine momentan 28 ha Wald für die kommenden Generationen. Ein urwaldähnlicher Mischwald ist Lebensraum für 14.000 Tier- und 6.000 Pflanzenarten, von denen gut ein Drittel als totholz-bewohnend eingestuft ist. Rund 10 % dieser Arten sind „Urwaldreliktarten“, die auf urwaldtypische Strukturen angewiesen sind. Diese Biodiversität geht in Fichtenmonokulturen verloren.

Parkplatz oder Wald

1 Hektar asphaltierte Fläche bietet 330 Autos Parkplätze. Aber 1 Hektar gesunder Mischwald im Altbestand produziert pro Jahr 30 Tonnen Sauerstoff, kann 3 Millionen Liter Wasser speichern, bietet Lebensraum für 1.200 Bäume mit mehr als 5 cm Durchmesser, speichert 500 Tonnen CO2, kühlt seine Umgebung um 6°C, verdunstet an heißen Tagen 60.000 Liter Wasser und filtert jährlich 50 Tonnen Schadstoffe aus der Luft. Mit Harvester und Hege wird diese Leistung auf einen winzigen Bruchteil reduziert.

Als ersten Schritt in die richtige Richtung wurde das Volksbegehren für ein Bundes-Jagdgesetz initiiert, das momentan Unterstützungserklärungen sammelt, die in jedem Gemeindeamt persönlich oder online per ID Austria abgegeben werden können, damit es im Jahr 2025 stattfinden kann. Die 14 Punkte dieses Volksbegehrens würden die Jagd von einer egoistischen Tätigkeit – zum Schaden von Natur und Tieren, kapitale Trophäen zu erbeuten –, zu einer Tätigkeit im öffentlichen Interesse, um Biodiversität zu fördern, verändern.

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