29. März 2024

Tierschutzprozess 2010 in Österreich und Apartheid-Prozess 1975 in Südafrika: erstaunliche Parallelen

Die Kampagne gegen die Apartheid in Südafrika war das zentrale internationale Thema meiner politischen Bewusstwerdung. 1948 war in Südafrika die nationalistische Partei demokratisch – ohne Stimmrecht der Nicht-Weißen – an die Macht gekommen. Daraufhin wurde sukzessive ein System der totalen Rassentrennung, in der Sprache der MachthaberInnen (Afrikaans) Apartheid genannt, etabliert. In den 1970er Jahren, nach den Erfolgen der Bürgerrechtsbewegung in den USA, führte diese Apartheid zu einer zunehmenden internationalen Ächtung und zu einem Boykott südafrikanischer Waren. In Südafrika entwickelte sich ein bewaffneter Widerstand und im Gleichschritt die südafrikanische Demokratie in einen Polizeistaat. Der Geheimdienst infiltrierte alle potentiellen Protestgruppen und es wurde ein Terrorismuspräventionsgesetz eingeführt, das der Polizei und der Justiz weiten Handlungsspielraum bot.

Unter den völlig gewaltfreien Widerstandsgruppen, die 1974 in den Fokus der Geheimpolizei gerieten, war die Studierendenorganisation South African Students‘ Organisation (SASO) und das Black Consciousness Movement (BCM). Analog zur SOKO im Tierschutz in Österreich wurden auch diese Organisationen abgehört und infiltriert. 1974 kam es dann zu mehr als 30 Hausdurchsuchungen und zu 101 Tagen U-Haft – im Tierschutzprozess warens auch über 30 Hausdurchsuchungen und 105 Tage U-Haft. Von 31. Jänner 1975 bis 16. Dezember 1976 wurde ein Prozess auf Basis des Terrorismuspräventionsgesetzes durchgeführt. Beim Tierschutzprozess geht es im Wesentlichen um dasselbe und der Prozess wird offenbar ähnlich lange dauern. Sowohl in Südafrika als auch in Wr. Neustadt wurden 13 Personen angeklagt.

Ich habe jetzt einige der Prozessprotokolle von damals durchgelesen. Den Angeklagten 1975 in Südafrika wurde nicht vorgeworfen, selbst kriminelle Handlungen durchgeführt, geplant oder in Auftrag gegeben zu haben. Vielmehr warf man ihnen vor, ihre Pamphlete, Vorträge und Flugzettel seien subversiv und würden andere, ihnen Unbekannte, zu Straftaten motivieren. Genau dasselbe ist heute, 35 Jahre später, die Grundlage der Anklage im Tierschutzprozess. Bei beiden Prozessen warf die Staatsanwaltschaft den Angeklagten auch explizit vor, entweder mit radikalen bereits verurteilten Personen bekannt zu sein oder sich zumindest nicht von diesen zu distanzieren.

Der südafrikanische Prozess zog sich so lange hin, weil es eben nicht um konkrete Straftaten sondern um die Gesinnung und die politische Wirkung der Angeklagten ging. Der Richter und der Staatsanwalt fragten z.B., ob die Angeklagten gegen das Apartheidsystem seien, ob sie die Gesellschaft grundsätzlich ablehnen würden und ob sie Gewalt als legitimes Mittel anerkennen oder nicht. Jeder Satz in den Äußerungen der Angeklagten im Laufe ihrer politischen Arbeit wurde vorgelesen und genau hinterfragt. Dazu wurden auch zahlreiche ZeugInnen auf beiden Seiten einvernommen. Auch hier deutliche Parallelen zum Tierschutzprozess, der sich wahrscheinlich ziemlich genau gleich lang hinziehen wird.

Im Protokoll findet sich folgende Aussage von Einzelrichter Boshoff: „The means that you adopt in order to build up the power bloc and to conscientise people has the effect of antagonising black people, and eventually you have a situation where you will not be able to control this bloc if they do not get their claims met by the white group […] The objection is not against conscientising as such, it is the manner of conscientising pointing out to them what enemies they have in the white people“.

Und mit diesen Worten wurden 9 der 13 Angeklagten zu zwischen 5 und 6 Jahren unbedingtem Gefängnis verurteilt. Wir wollen hoffen, dass hier die Parallele zum Tierschutzprozess zusammenbricht.

Übrigens war der Richter in Südafrika nicht nur wesentlich höflicher und freundlicher zu den Angeklagten als die Richterin im Tierschutzprozess, er ließ auch das meiste an politischen Statements und an Fragen der Angeklagten zu. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie schlecht in dieser Hinsicht der Prozess in Wr. Neustadt im Vergleich zu anderen politischen Prozessen abschneidet. Die Beschränkung der Verteidigung im Tierschutzprozess durch die Richterin scheint wirklich historisch einzigartig.

Was bleibt ist der bittere Beigeschmack, dass ein politischer Prozess in Österreich 2010 mit einem im international geächteten Apartheid-Regime in Südafrika 1975 so weitgehend vergleichbar ist. Das müsste eigentlich alle denkenden Menschen erschüttern.

3 Gedanken zu “Tierschutzprozess 2010 in Österreich und Apartheid-Prozess 1975 in Südafrika: erstaunliche Parallelen

  1. Die Art, wie die Richterin mit euch umgeht, ist gerichtserfahrenen Leuten nicht neu. Daß sie Beweisanträge der Angeklagten oder Verteidiger „überhört“, ignoriert, und bestenfalls auf später verschiebt. Wann wird dieses „später“ eintreffen? Vermutlich gleichzeitig mit dem Urteil ergeht der Beschluß: „Alle übrigen Anträge der Verteidigung werden mangels Relevanz abgewiesen“.

    Ihr braucht nicht zu glauben, dass es nur euch so ergeht. Es liegt in Österreich immer ganz im Belieben des Richters, ein Rechtsmittel einfach zu ignorieren. Eine vorgelegte Urkunde einfach nicht anzunehmen. Eine Zeugenaussage falsch zu protokollieren (der Richter ist Herr über das Protokoll). Mit dem Sachverständigen vorher inoffiziell zu besprechen, was beim Gutachten herauskommen soll.

    Rechtsmittel? Ja, gegen all das gibt es Rechtsmittel. Theoretisch. Aber die Richter kennen einander, sind oft sogar miteinander befreundet, jedenfalls die im selben Landesgerichtssprengel. Glaubst du, der Rechtsmittelrichter wird eine Entscheidung seines Freundes, oder zumindest geschätzten Kollegen, umstoßen?

  2. wer cdas unendliche leid der sogenannten “nutztiere” im staate österreich kennt, kann beweggründe und ziele der angeklagten tierschützer nur unterstützen. bedauerlich dass frauen in staatlichen positionen, als richter oder minister bemüht sind ihre männlichen kollegen an kälte und grausamkeit zu übertreffen ist eine schockierende tatsache.

  3. so traurig es ist: mich erschüttert hier nichts mehr – ich traue den verantwortlichen mittlerweile alles zu …….. und fühle mich im angeblichen rechtsstaat österreich nicht mehr sicher aufgehoben. dieser prozess ist hauptbestandteil meiner politischen bewußtwerdung.

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