19. März 2024

Untersuchungsausschuss im Parlament zum Tierschutzprozess: Die Dirty Tricks der SOKO Tierschutz

Im Oktober 2006, ohne jeden ersichtlichen Anlass, begannen die Ermittlungen in der Tierschutzcausa, von Anfang an hauptsächlich gegen den VGT. Im April 2007 gründete man dann eine eigene SOKO mit 35 Beamt_innen, manche sogar vom Morddezernat. Es wurde massiv ermittelt, mit allen Schikanen, vom Großen Lauschangriff über zumindest 2 Langzeitspitzel im VGT (beides Frauen, eine blieb 6 die andere 19 Monate), 12 Kameras über Büro- und Wohnungseingängen, GPS Trackern an 2 Autos und persönliche Observationen über Monate hinweg, bis zur Telefonüberwachung und dem Mitlesen der Emailkommunikation. Anschließend kam es zu insgesamt 33 martialischen Hausdurchsuchungen mit maskierten Beamt_innen mit gezogenen Schusswaffen und Rammbock, dann zu 3 ½ Monaten U-Haft und zuletzt zu einem 14 monatigen Prozess, der mit einem kompletten Freispruch nach erwiesener Unschuld endete.

Von Anfang an sah diese Tierschutzcausa nach einer politischen Verfolgung aus. Es wurde ein Staatsanwalt damit beauftragt, der überhaupt nicht in der Gegend eines der Wohnorte der Verdächtigen arbeitete. Es sei ein bürokratisches Missverständnis gewesen, ihn überhaupt einzuschalten. Auffällig war nur, dass er beim Kartellverband aktiv war.

Es gab keinen Anlass für die Ermittlungen. Die SOKO-Leitung und viele der Beamt_innen kamen direkt vom BVT, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Kann jemand ernsthaft die Tierschutzarbeit für einen Terrorismus halten. Das BVT offenbar schon. Auf eine Anfrage der Medien nach dem Bombenanschlag in der Londoner U-Bahn, wie große denn die Gefahr von islamistischem Terror in Österreich sei, antwortete man mit den Worten, dass der Islamismus hierzulande keine Gefahr darstelle, aber der Tierschutz sei staatsgefährdend. Das war noch im Jahr 2004.

Auffällig waren auch zahlreiche Maßnahmen der Behörden und des Innenministeriums gegen den VGT. Der Innenminister nannte den VGT öffentlich einen gewalttätigen Verein, was er erst Jahre später nach Intervention der Volksanwaltschaft zurücknahm. Es gab ein grundsätzliches Demonstrationsverbot für Tierschutz in Graz und Demoverbote vor pelzführenden Geschäften in Wien. Die Schulen wurden in einem Schreiben des Unterrichtsministeriums vor dem VGT gewarnt. Und die Steuerfahndung durchsuchte die Buchhaltung des VGT, ob nicht zu viele Tierschutz T-Shirts verkauft würden, und der VGT damit heimlich eine T-Shirt Produktionsfirma statt ein gemeinnütziger Tierschutzverein wäre. Und dann begann die Tierschutzcausa.

Grund genug für einige Politiker_innen der Opposition, beim laufenden Untersuchungsausschuss zum BVT auch die Tierschutzcausa zu thematisieren. Einige der damals Verfolgten wurden befragt, darunter der VGT-Kampagnenleiter für Tirol Chris Moser und ich. Auch unser Anwalt Stefan Traxler beantwortete 4 Stunden lang die Fragen der Parlamentsparteien. Zwar hatten sämtliche Personen, die die Tierschutzcausa ausgelöst hatten, plötzlich Gedächtnislücken, und konnten sich an nichts erinnern, aber dennoch kamen einige erstaunliche Dinge ans Tageslicht.

Ein Sitzungsprotokoll eines Treffens der SOKO gibt eine Diskussion der Beamt_innen über die bevorstehenden Hausdurchsuchungen wieder. Der operative Leiter der SOKO bestand damals laut Protokoll darauf, dass ein Experte für Kinderpornographie mitgenommen werden sollte. Auf das im Untersuchungsausschuss angesprochen, meinten die Beamt_innen nur, dass das eben Leute mit einer besonderen Expertise für Datenanalysen wären. In Wahrheit ging es darum, die Tierschützer_innen anzuschwärzen. So wurde den Richter_innen, die die U-Haft verhängten, erzählt, ich hätte verdächtig viele Bücher über das Dritte Reich zu Hause, als wäre ich rechtsradikal. Und die Rückgabe der Daten des VGT, die bei der Hausdurchsuchung der Büroräume entwendet worden waren, verweigerte die SOKO mit der Begründung, es könnte sich ja Kinderpornographie darauf befinden, man bräuchte noch Zeit, alles durchzuschauen. Durch ein Gerichtsurteil wurde die SOKO nach 10 Monaten (!) gezwungen, die Daten zurück zu geben. Bis dahin war der VGT hilflos, hatte weder sein Film- und Fotoarchiv zur Verfügung, noch die Daten seiner Mitglieder oder der Einzugsaufträge für die Spenden. Ein offensichtlicher Versuch, dem VGT zu schaden.

Auch dass vom Finanzministerium von Minister Josef Pröll in dieser Zeit zwei weitere Male die Finanzprüfer_innen geschickt wurden, um die VGT-Buchhaltung zu durchforsten, was noch einmal 2 Jahre lang dauerte, war ganz klar eine Schikane. So geht man in autoritären System mit Dissident_innen um.

Doch dann offenbarte sich im Untersuchungsausschuss, dass sowohl die Hausdurchsuchungen als auch die Anklage ohne jede Basis waren. In einem Bericht des SOKO-Chefs Anfang Mai 2008 wird festgehalten, dass nach den über ein Jahr langen Ermittlungen bisher nichts Belastendes gegen den VGT herausgekommen ist. Und weniger als 2 Wochen später gab es die 22 Hausdurchsuchungen gleichzeitig bei sämtlichen Funktionär_innen des VGT und im VGT-Büro. Und das noch dazu in der Nacht, mit Einschlagen der Eingangstüren und Bedrohen der Tierschützer_innen mit gezogener Schusswaffe in ihren Betten! Auf die Frage an den SOKO-Leiter im Untersuchungsausschuss, warum so kurz nach einem von ihm geschriebenen Brief, laut dem es keinerlei Verdachtsmomente gegeben habe, so brutale Hausdurchsuchungen durchgeführt worden seien, antwortete dieser doch glatt er könne sich nicht mehr erinnern, möglicherweise sei in den Tagen dazwischen ein Verdachtsmoment aufgetaucht? Und wo sei dieses dann hinverschwunden, wurde gefragt, wann habe man das vorgelegt. Das wisse er nicht mehr, meinte der SOKO-Leiter. Ein SOKO-Leiter, übrigens, der vom Stellvertretenden Chefredakteur des Falter, Florian Klenk, zur damaligen Zeit heroisiert wurde, während er die Tierschützer_innen in seiner Zeitung kriminalisierte.

Gegen Ende des Untersuchungsausschusses kam noch ein Polizeichef zur Befragung. Von ihm wollte man wissen, was er davon hielt, dass es keine Verdachtsmomente gegeben habe, und trotzdem U-Haft verhängt und Anklage erhoben wurde. Er habe erwartet, dass es zu Freisprüchen kommen werde, meinte er.

Sehr lustig. Ein Freispruch ist nämlich nicht das Ende von der Geschichte. Abgesehen von 3 ½ Monaten Lebenszeit, die man mir durch die U-Haft geraubt hatte, und 3 Jahren Stress durch Anklage und 14 monatigem Monsterprozess, blieb ich auch noch auf meinen etwa 500.000 Euro Verteidigungskosten sitzen. Bis heute hat sich kein_e Vertreter_in der Regierung bei den Betroffenen entschuldigt, geschweige denn angeboten, wenigstens einen Teil dieser Kosten zu ersetzen. Was blieb ist nicht nur ein psychologisches Trauma – mit einem starken Misstrauen gegen den Staat – sondern auch ein Schuldenberg.

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