19. März 2024

Zu Besuch bei einem etwas anderen Schweinebetrieb

Mehrmals wurde ich angerufen, ich solle mich doch für einen gewissen Schweinebetrieb interessieren, das sei eine echte Alternative. Zunächst wollte ich meine Zeit dafür nicht investieren. Jetzt sind wir gerade in der Zielgeraden bei unserer Kampagne gegen den Vollspaltenboden in der Schweinehaltung, und eingestreute Mehrflächenbuchten als Alternative hatte ich schon oft gesehen. Doch schließlich ließ ich mich breitschlagen und mir den Betrieb zeigen. Und ich habe es nicht bereut.

Ein 2 ha großes Kukuruzfeld ist dort eingezäunt, in Loipersdorf bei St. Pölten, im Betrieb der Brüder Hubmann. Und in diesem Feld befinden sich 6 Schweinegehege mit zusammen 350 Tieren auf 2.000 m². Gehege beschreibt irgendwie nicht, um was es geht. Für die etwa 60 Schweine pro Einheit gibt es jedenfalls ein großes, wetterdichtes Zelt und ein mit Platten, die einfach auf dem Boden stehen, eingezäuntes Areal mit Naturboden. In 6 Minuten würde sich dieser Plattenzaun mit den Händen aufstellen lassen, wurde mir gesagt. Und es muss auch recht leicht gehen, das System ist nämlich eine Wechselweide. Damit der Boden nicht zu sehr durch Nitrateinträge belastet wird, wird das Gehege einfach alle 4 Monate verschoben.

Durch den leicht verstellbaren Zaun kann man den Tieren im Handumdrehen eine größere Fläche bieten. Ab 2 m² pro Tier, so die Betreiber, fühlen sich die Schweine merkbar wohler. Hier haben sie bis 5 m² pro Tier, und zwar von Mastbeginn an. Der gesamte Boden ist tief mit Stroh eingestreut. Das ist ein ganz schön großer Strohbedarf, aber der Betrieb hat 100 ha Ackerfläche und da kommt einiges zusammen, wenn man Weizen anbaut. Unter dem Zelt bleibt das Stroh trocken, außerhalb wird es natürlich feucht. Die Schweine koten an den Rändern des Geheges. Das Stroh wird nicht ausgetauscht, sondern nachgestreut. Dafür hievt man einfach die Strohballen mit dem Traktor über den Zaun, den Rest besorgen die Schweine selbst.

Der Strohstaub wird durch den Wind fortgeblasen. Tatsächlich habe ich die Schweine bei meinem fast 3 stündigen Besuch nie husten gehört. In der Vollspalten-Schweinefabrik haben 50 % der Tiere eine Lungenentzündung. Ein weiterer Vorteil ist die Nahrung. In der Tierfabrik wird das Futter durch Rohre in Tröge gepumpt, es muss also flüssig sein. Das ist nicht artgerecht, die Tiere bekommen alle Durchfall. Hier steht eine Futterstelle mit 16 Plätzen für Trockenfutter im Gehege und Grünfutter, wie Gras, Klee und der allgegenwärtige Kukuruz, oder Weizenkleie werden hinein geworfen.

Es gibt auch ständig fließendes Wasser, das sich die Schweine durch Tränken selbst besorgen können, und eine Suhle. Dort wälzen sie sich, wenn die Sonne heiß herunter brennt. Im Winter wird nur der hintere Teil des Zeltes verschlossen. Laut Betreibern können sich die Schweine wunderbar selbst warm halten, ja würden sogar bei -10°C im Freien liegen. Vielleicht hilft da auch die Kompostierungswärme, die vom Stroh ausgeht. Das ist nämlich mit Pilzen versetzt, sodass aus Kacke und Urin, die separat gebunden und nicht gemischt werden, letztlich wohlriechender Humus entsteht. Nach Mastende wird dafür das akkumulierte Stroh für 6 Wochen in eine Kompostieranlage gegeben. Das war auch bemerkenswert an diesem Projekt: es war kaum zu riechen. Zwar regnete es am Tag meines Besuchs, was erfahrungsgemäß die Gerüche reduziert, aber Schweinefabriken stinken auf 1 km Entfernung. Hier war das ganz anders.

Die Tiere wirkten auf mich gesund und kräftig. Ich habe keine geschwollenen Gelenke gesehen, keine Kratzer, keine Bissverletzungen. Die Schwänze der Tiere waren kupiert, aber in so kleinen Mengen würden keine nichtkupierten Ferkel geliefert, erklärte man mir. Laut Betreiber hätten sie bisher in den 2 Jahren des Bestehens dieses Projekts einmal nichtkupierte Schweine gehabt und es habe auch da kein Schwanzbeißen gegeben. Alte nekrotische Ohrstellen habe ich gesehen, aber die stammen aus der Zuchtanlage, wo die Schweine ihre Vormast auf Vollspaltenboden verbringen müssen. Der Zuchtbetrieb, der an dieses Projekt liefert, ist eben eine übliche Tierfabrik. Die Betreiber planen in Zukunft selbst auch eine Zucht zu beginnen, ebenfalls mit Zelt und freier Abferkelung. Wir dürfen gespannt sein.

Der Betrieb ist keine Bio-Freilandhaltung. Da hätten die Schweine noch viel mehr Platz. Diese Haltungsform wäre also eine echte, machbare Alternative zu den Schweinefabriken mit Vollspaltenboden. Eine Massenproduktion, die für unmittelbare Verbesserungen notwendig ist, solange die Menschen so viel Schweinefleisch essen, aber die Tiere deutlich besser gehalten werden sollen. Und das leistet dieses Projekt ohne jeden Zweifel: eine unvergleichlich viel bessere Schweinehaltung als die Norm.

Doch die wahre Zukunft des Betriebs steht in den Sternen. Die BH hat bisher keine Genehmigung erteilt, offenbar fürchtet man um die Nitratbelastung des Grundwassers. Oder man möchte so innovative Projekte überhaupt verhindern, weil sie die üblichen Schweinefabriken infrage stellen. Mit High Tech ist man in der Tierhaltung in eine Sackgasse geraten. Aber wenn man vor dem Abgrund steht, sollte man einen Schritt zurück und nicht nach vorne gehen. Zurück zur simplen Haltung im Freien. Das braucht keinen versiegelten Boden, keine riesigen Fabrikshallen und Güllebecken, keine automatische Belüftung und Klimaanlage, keinen Feuermelder, kein Güllesystem und keine Futtermaschinen. Nur ein Zelt, einen per Hand aufgestellten, mobilen Zaun und ein bisschen Stroh. So einfach ist das. Bemerkenswert.

Der Skandal: Es gibt keine Subventionen für dieses Projekt, weder für die Investition am Anfang, noch für den Dauerbetrieb. Die Brüder Hubmann müssen gänzlich ohne finanzielle Hilfe auskommen. Sie meinen aber, dass der Preis pro kg Schweinefleisch lediglich um 10-20 % höher sein müsste, damit sich ihr Haltungssystem auszahlt.

In der Nachbarschaft ist heuer wieder eine neue Vollspaltenboden-Schweinefabrik gebaut worden. € 800.000 Baukosten, davon € 100.000 aus Steuergeldern. Im Jahr 2021, wenige Monate vor deren Verbot! Vielen Dank, Frau Landwirtschaftsministerin, dass Sie wieder einmal diametral gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung handeln, um Ihrem Klientel, der Tierfabriksindustrie, die Profite zuzuschieben.

5 Gedanken zu “Zu Besuch bei einem etwas anderen Schweinebetrieb

  1. Es ist auf jeden Fall eine große Verbesserung für die Tiere. So lange es Nachfrage nach Schweinefleisch gibt, wird es auch Menschen geben, die Schweine züchten. Man sollte dieses Projekt bekannter machen. Vielleicht auf Facebook und Twitter darüber schreiben. Ich schreibe diesen Kommentar aber eigentlich aus einem anderen Anlass. Falls ihr das noch nicht wisst: Es kommt auf https://www.vox.de/cms/sendungen/gewissensbisse-das-fleischexperiment.html Ein “Fleischexperiment”. Menschen dürfen “Ihr” Tier beim Aufwachsen beobachten. Die Tiere werden vermutlich auch gut gehalten. Irgendwann müssen sie entscheiden, ob sie das Tier essen wollen. Sollte man sich ansehen.

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